Chinasky
Dirty old man
- Registriert
- 01.10.1999
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Wobei der Biologismus eben nur eine Form des Positivismus darstellt, und, wie eigentlich viele Welterklärungs- "Ismen" meist als Begriff eher abwertend gemeint ist und häufig von Anhängern konkurrierender Welterklärungssysteme verwendet wird. Ich denke, daß Cas mit seiner Bemerkung auf die Begründung der Homosexualität (bzw. deren Natürlichkeit und damit ihres Berechtigtseins) auf evolutionärer Basis anspielte, die Wiz in dem Single-Topic darstellte. Nach dem Motto: Homosexualität scheint nicht nur nicht schädlich, sondern in irgendeiner Weise sogar nützlich und gut zu sein, denn sonst hätte sie sich als Verhaltensmuster in der Evolution nicht durchgesetzt, was sie aber offensichtlich getan hat, da sich homosexuelles Verhalten sogar bei verschiedenen Tierarten beobachten läßt.
Nun kann man die Sache freilich mit einigen guten Gründen aus dieser Perpektive betrachten; und das Ganze als Biologismus gewissermaßen abzuqualifizieren, kann verschiedene Motive haben:
Einmal kann einem der ganze evolutionistische Erklärungsansatz einfach zuwider sein, weil er überall, auch bei den unpassendsten Gelegenheiten, angewendet wird. Nach dem Motto: Die Menschen schmeissen überall ihr Schokoriegelpapier in die Gegend, statt Mülleimer zu benützen. Sie haben sich offenbar in diese Richtung entwickelt und dann wird da schon irgendein Selektionsvorteil dahinter stecken.
Aber es kann andererseits der Biologismus-Vorwurf auch aus einer diffamierenden Absicht verwendet werden. Nämlich wenn einem diese Erklärungsweise nicht in den eigenen Weltanschauungskram paßt. ( @Cas)
Wenn man als überzeugter Katholik davon ausgeht, daß Homosexualität eine Sache sei, zu der oder gegen die man sich irgendwie frei entscheiden könne, eine Art ethischen Irrtums, oder, noch krasser: eine Sünde - dann wird es einem natürlich nicht schmecken, wenn jemand aufzeigt, daß in der gottgeschaffenen Natur die Homosexualität durchaus sinnvoll und vorteilhaft sei.
Hier konkurrieren eben Erklärungsmodelle miteinander. Einmal die erkenntnistheoretische Sicht, die unterstellt, man könne die "richtige" Art von Sexualität erkennen und sich dann entsprechend (verantwortungsvoll oder verantwortungslos) verhalten - und die eher evolutionsbiologische Sicht, die das Phänomen Homosexualität zuerst einmal gar nicht wertet, sondern überlegt, ob, und wenn ja, warum die Homosexualität sich zwangsläufig entwickeln mußte und demgemäß ihre "Berechtigung" hat, wie die Heterosexualität ja auch ihre "Berechtigung" hat - wobei der in wissenschaftlichen Kategorien denkende Mensch wohl eher von Notwendigkeit statt von Berechtigung sprechen dürfte.
Letztlich ist aber erst die gesellschaftliche Relevanz der Grund, weswegen hier verschiedene Erklärungsmodelle in einen zur Polemik neigenden Wettstreit treten: Nämlich die Frage: wie gehen wir als Gesellschaft mit der Homosexualität (oder der Promiskuität oder der Selbstbefriedigung oder was auch immer) um? Die Kirche will werten, will das eine als gottgewollt und gottgefällig und das andere als verwerflich und sündig eingestuft wissen. Umgekehrt möchten meinetwegen Schwulen- und Lesbenverbände die Interessen ihrer Mitglieder durchsetzen und werden natürlich eher zu den Erklärungsmodellen greifen, die ihnen in den gesellschaftspolitischen Kram passen.
Allerdings hat die Geschichte gezeigt, daß biologistische oder evolutionistische Sichtweisen leicht mißbraucht werden konnten, weswegen die Homosexuellen heute wohl vorsichtig sein dürften gegenüber biologistischen Erklärungsmodellen. Schließlich wurden "wissenschaftliche Erkenntnisse" auch von den Nazis oder irgendwelchen Eugenikern angeführt, um die Andersartigen, die Menschen mit dem "süßen Blut" auszugrenzen. Homosexualität tatsächlich eine Anpassungsleistung der Natur, die einen Selektionsvorteil der betreffenden Art oder Rasse bedeutet? Oder nicht doch eher ein genetischer Defekt, eine krankhafte Fehlentwicklung, die man im Interesse der Art oder Rasse zu eliminieren habe?
Ausserdem hat man ja mit scientistischen Erklärungsmodellen der Homosexualität auch schon andere Reinfälle erlebt. Man entsinne sich nur der Hoch-Zeit der Psychoanalyse, wo Homosexualität häufig generell auf irgendwelche Fehlentwicklungen in der Kindesentwicklung zurückgeführt wurde... Motto: Mein Sohn ist schwul, hätte ich ihn nicht vom Wickeltisch fallen lassen dürfen?
edit: da kamen Cas und Jenny dazwischen.
Nun kann man die Sache freilich mit einigen guten Gründen aus dieser Perpektive betrachten; und das Ganze als Biologismus gewissermaßen abzuqualifizieren, kann verschiedene Motive haben:
Einmal kann einem der ganze evolutionistische Erklärungsansatz einfach zuwider sein, weil er überall, auch bei den unpassendsten Gelegenheiten, angewendet wird. Nach dem Motto: Die Menschen schmeissen überall ihr Schokoriegelpapier in die Gegend, statt Mülleimer zu benützen. Sie haben sich offenbar in diese Richtung entwickelt und dann wird da schon irgendein Selektionsvorteil dahinter stecken.
Aber es kann andererseits der Biologismus-Vorwurf auch aus einer diffamierenden Absicht verwendet werden. Nämlich wenn einem diese Erklärungsweise nicht in den eigenen Weltanschauungskram paßt. ( @Cas)
Wenn man als überzeugter Katholik davon ausgeht, daß Homosexualität eine Sache sei, zu der oder gegen die man sich irgendwie frei entscheiden könne, eine Art ethischen Irrtums, oder, noch krasser: eine Sünde - dann wird es einem natürlich nicht schmecken, wenn jemand aufzeigt, daß in der gottgeschaffenen Natur die Homosexualität durchaus sinnvoll und vorteilhaft sei.
Hier konkurrieren eben Erklärungsmodelle miteinander. Einmal die erkenntnistheoretische Sicht, die unterstellt, man könne die "richtige" Art von Sexualität erkennen und sich dann entsprechend (verantwortungsvoll oder verantwortungslos) verhalten - und die eher evolutionsbiologische Sicht, die das Phänomen Homosexualität zuerst einmal gar nicht wertet, sondern überlegt, ob, und wenn ja, warum die Homosexualität sich zwangsläufig entwickeln mußte und demgemäß ihre "Berechtigung" hat, wie die Heterosexualität ja auch ihre "Berechtigung" hat - wobei der in wissenschaftlichen Kategorien denkende Mensch wohl eher von Notwendigkeit statt von Berechtigung sprechen dürfte.
Letztlich ist aber erst die gesellschaftliche Relevanz der Grund, weswegen hier verschiedene Erklärungsmodelle in einen zur Polemik neigenden Wettstreit treten: Nämlich die Frage: wie gehen wir als Gesellschaft mit der Homosexualität (oder der Promiskuität oder der Selbstbefriedigung oder was auch immer) um? Die Kirche will werten, will das eine als gottgewollt und gottgefällig und das andere als verwerflich und sündig eingestuft wissen. Umgekehrt möchten meinetwegen Schwulen- und Lesbenverbände die Interessen ihrer Mitglieder durchsetzen und werden natürlich eher zu den Erklärungsmodellen greifen, die ihnen in den gesellschaftspolitischen Kram passen.
Allerdings hat die Geschichte gezeigt, daß biologistische oder evolutionistische Sichtweisen leicht mißbraucht werden konnten, weswegen die Homosexuellen heute wohl vorsichtig sein dürften gegenüber biologistischen Erklärungsmodellen. Schließlich wurden "wissenschaftliche Erkenntnisse" auch von den Nazis oder irgendwelchen Eugenikern angeführt, um die Andersartigen, die Menschen mit dem "süßen Blut" auszugrenzen. Homosexualität tatsächlich eine Anpassungsleistung der Natur, die einen Selektionsvorteil der betreffenden Art oder Rasse bedeutet? Oder nicht doch eher ein genetischer Defekt, eine krankhafte Fehlentwicklung, die man im Interesse der Art oder Rasse zu eliminieren habe?
Ausserdem hat man ja mit scientistischen Erklärungsmodellen der Homosexualität auch schon andere Reinfälle erlebt. Man entsinne sich nur der Hoch-Zeit der Psychoanalyse, wo Homosexualität häufig generell auf irgendwelche Fehlentwicklungen in der Kindesentwicklung zurückgeführt wurde... Motto: Mein Sohn ist schwul, hätte ich ihn nicht vom Wickeltisch fallen lassen dürfen?
edit: da kamen Cas und Jenny dazwischen.
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