Der Papst ist tot -> Habemus Papam

Chinasky

Dirty old man
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Wobei der Biologismus eben nur eine Form des Positivismus darstellt, und, wie eigentlich viele Welterklärungs- "Ismen" meist als Begriff eher abwertend gemeint ist und häufig von Anhängern konkurrierender Welterklärungssysteme verwendet wird. Ich denke, daß Cas mit seiner Bemerkung auf die Begründung der Homosexualität (bzw. deren Natürlichkeit und damit ihres Berechtigtseins) auf evolutionärer Basis anspielte, die Wiz in dem Single-Topic darstellte. Nach dem Motto: Homosexualität scheint nicht nur nicht schädlich, sondern in irgendeiner Weise sogar nützlich und gut zu sein, denn sonst hätte sie sich als Verhaltensmuster in der Evolution nicht durchgesetzt, was sie aber offensichtlich getan hat, da sich homosexuelles Verhalten sogar bei verschiedenen Tierarten beobachten läßt.

Nun kann man die Sache freilich mit einigen guten Gründen aus dieser Perpektive betrachten; und das Ganze als Biologismus gewissermaßen abzuqualifizieren, kann verschiedene Motive haben:

Einmal kann einem der ganze evolutionistische Erklärungsansatz einfach zuwider sein, weil er überall, auch bei den unpassendsten Gelegenheiten, angewendet wird. Nach dem Motto: Die Menschen schmeissen überall ihr Schokoriegelpapier in die Gegend, statt Mülleimer zu benützen. Sie haben sich offenbar in diese Richtung entwickelt und dann wird da schon irgendein Selektionsvorteil dahinter stecken.

Aber es kann andererseits der Biologismus-Vorwurf auch aus einer diffamierenden Absicht verwendet werden. Nämlich wenn einem diese Erklärungsweise nicht in den eigenen Weltanschauungskram paßt. (:p @Cas)
Wenn man als überzeugter Katholik davon ausgeht, daß Homosexualität eine Sache sei, zu der oder gegen die man sich irgendwie frei entscheiden könne, eine Art ethischen Irrtums, oder, noch krasser: eine Sünde - dann wird es einem natürlich nicht schmecken, wenn jemand aufzeigt, daß in der gottgeschaffenen Natur die Homosexualität durchaus sinnvoll und vorteilhaft sei.
Hier konkurrieren eben Erklärungsmodelle miteinander. Einmal die erkenntnistheoretische Sicht, die unterstellt, man könne die "richtige" Art von Sexualität erkennen und sich dann entsprechend (verantwortungsvoll oder verantwortungslos) verhalten - und die eher evolutionsbiologische Sicht, die das Phänomen Homosexualität zuerst einmal gar nicht wertet, sondern überlegt, ob, und wenn ja, warum die Homosexualität sich zwangsläufig entwickeln mußte und demgemäß ihre "Berechtigung" hat, wie die Heterosexualität ja auch ihre "Berechtigung" hat - wobei der in wissenschaftlichen Kategorien denkende Mensch wohl eher von Notwendigkeit statt von Berechtigung sprechen dürfte.

Letztlich ist aber erst die gesellschaftliche Relevanz der Grund, weswegen hier verschiedene Erklärungsmodelle in einen zur Polemik neigenden Wettstreit treten: Nämlich die Frage: wie gehen wir als Gesellschaft mit der Homosexualität (oder der Promiskuität oder der Selbstbefriedigung oder was auch immer) um? Die Kirche will werten, will das eine als gottgewollt und gottgefällig und das andere als verwerflich und sündig eingestuft wissen. Umgekehrt möchten meinetwegen Schwulen- und Lesbenverbände die Interessen ihrer Mitglieder durchsetzen und werden natürlich eher zu den Erklärungsmodellen greifen, die ihnen in den gesellschaftspolitischen Kram passen.
Allerdings hat die Geschichte gezeigt, daß biologistische oder evolutionistische Sichtweisen leicht mißbraucht werden konnten, weswegen die Homosexuellen heute wohl vorsichtig sein dürften gegenüber biologistischen Erklärungsmodellen. Schließlich wurden "wissenschaftliche Erkenntnisse" auch von den Nazis oder irgendwelchen Eugenikern angeführt, um die Andersartigen, die Menschen mit dem "süßen Blut" auszugrenzen. Homosexualität tatsächlich eine Anpassungsleistung der Natur, die einen Selektionsvorteil der betreffenden Art oder Rasse bedeutet? Oder nicht doch eher ein genetischer Defekt, eine krankhafte Fehlentwicklung, die man im Interesse der Art oder Rasse zu eliminieren habe?
Ausserdem hat man ja mit scientistischen Erklärungsmodellen der Homosexualität auch schon andere Reinfälle erlebt. Man entsinne sich nur der Hoch-Zeit der Psychoanalyse, wo Homosexualität häufig generell auf irgendwelche Fehlentwicklungen in der Kindesentwicklung zurückgeführt wurde... Motto: Mein Sohn ist schwul, hätte ich ihn nicht vom Wickeltisch fallen lassen dürfen?

edit: da kamen Cas und Jenny dazwischen.
 
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Sambuco

Mutzenjäger
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Hmm ... dies ist ja eigentlich der Papst-Thread, aber da ihr schon beim Biologismus seid, nur noch ein kurzer "Nachwurf" an Hank:

Sorry, ich wollte Dir so nicht unterstellen, dass Du geflissentlich unterschlägst (und Dir somit Deine Wahrheit zurechtbiegen würdest), denn das tust Du sicher nicht.
Das war eher allgemein gemeint, da mir immer wieder auffällt, dass, wann immer die Diskussion auf Religion und Glauben kommt, immer sofort die allergrößten Geschütze in Stellung gebracht werden, um den Beweis anzutreten, dass das alles großer Humbug und sogar schädlich für die Menschheit ist. Dabei können aber insbesondere die Atheisten leider nicht erkennen, dass die Religion (für jeden Gläubigen persönlich) auch ihre guten Seiten hat - und denen das zu erklären ist in etwa so schwierig wie den Begriff "Liebe" rational zu erklären - daher das Beispiel.
Es ist daher unfair, eine solche Diskussion in dieser Art zu führen, wenn man als Nicht-Gläubiger einen Teil der Wahrheit von vorne herein ausblendet. Das ist in etwa so wie die Diskussion über Freiwirtschaft, die jemand, der gedanklich nur in seinen "klassischen" Wirtschaftstheorien gefangen ist, gar nicht umfänglich beurteilen kann.

Dies aber nur nochmal als Erklärung.
Beschäftigt euch nun wieder mit Biologismus - davon habe ich wenigstens keine Ahnung.:D
 

Mumme

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@Cas: Ich ich ich! Mir geht es auch tierisch auf die Nerven. :rolleyes:

@Hank
Ich finde Deinen letzten Post ein wenig daneben, weil Du Cas implizit unterstellst, er würde hier mit einem diffamierenden "Biologismus!"-Schrei um sich werfen, nur weil ihm Eure Argumente nicht passen. Mag sein, ich habe das falsch verstanden.

Auch finde ich "Ismen" nicht automatisch negativ belegt. Was mich am Biologismus so stört, ist das da immer mit so handlich erdrückenden und gleichzeitig nichtssagenden Erklärungsmodellen ("Das liegt in der Natur des Menschen", "Das liegt an den Genen", "Das sind alles nur die Hormone") gearbeitet wird, die dann sogar noch einen wissenschaftlichen Anstrich bekommen (man folge einigen NTV-Links von Gala), weil eben die moderne Naturwissenschaft ihre Daseinsberechtigung zum Teil aus dem Biologismus zieht und dementsprechend diesem zuarbeitet.
Es ist dann immer schwer zu widersprechen.

@Jenny
Nur ein Beispiel aus diesem Forum (Text von Sylvana, Single-Topic, Seite 11): ;)
[flüster]... Leider hat "Verlieben" aber so rein gar nichts mit Vernunft zu tun, sondern mit Hormonen! Es mag ja sein dass wir heute in einer zivilisierteren Welt als der Steinzeit leben, der Mensch an sich hat sich jedoch viel weniger Verändert als man gemeinhin glauben mag. Fast alles was Menschen tun kann man auf seine natürlichen Strebungen zurückführen, Fortpflanzung, Machtstreben, Streben nach Information, e.t.c. Sogar das Herdenverhalten, z.B. Flucht bei Gefahr ist doch noch mehr als ausgeprägt (-> z. B. Börsenhype & Börsencrash). Was ich damit sagen will: auch wenn es dir unvernünftig vorkommt - es ist nun einmal so und zwar, weil es der Natur des Menschen entspricht!
Du kannst dich entweder darauf einstellen oder du kannst weiter damit hadern - keine Frage womit du besser fahren würdest. [/flüster]
 

Caswallon

Chronist
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Hab nicht viel Zeit, deshalb nur kurz @Hank: Das war gar nicht so sehr auf die Frage der Homosexualität bezogen, obwohl das natürlich auch dieselbe Begründung ist. (Zu dem Thema habe ich eh noch keine abschließende Meinung, daher halte ich mich da lieber noch stärker zurück als sowieso... :))
Zum einen Teil siehe das, was Mumme sagt; zum anderen: es kommt dann immer auch wieder eine Wertung mit hinein, die eigentlich mMn nicht hineingehört - bei beobachteten Phänomenen wird angenommen, daß sie ja wohl irgendwie der Arterhaltung dienen müssen, und *damit seien sie positiv zu sehen*, denn die Erhaltung der Art sei das eigentliche Ziel des menschlichen Daseins, weil mir san's ja alles Tiere. ;)

Cas
 

Chinasky

Dirty old man
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@Mumme: Aber nur implizit... :D Naja, ich geb's ja zu: Wenn Cas etwas sagt, dann überlege ich, wie das in jenes Schema paßt, welches ich mir zu Cas zusammengebastelt habe. Ich denke, so darf man in einer Diskussion mit einem ernstzunehmenden Diskussions-Gegner (nicht Feind! mit Cas - und natürlich einigen anderen hier macht es ja Spaß, auf eine sportliche Weise zu streiten!) durchaus denken. Ich kenne so ungefähr seine Positionen und überlege dann natürlich, warum er das eine Argument bringt, das andere nicht... Es ist ihm ja unbenommen, es umgekehrt genauso zu machen.
Du hast Recht, nicht alle Ismen werden in negativer, polemischer Weise benutzt. Aber doch sehr viele, wie man beispielsweise daran sehen kann, wie soziale Anliegen häufig als sozialistische Ideen diffarmiert werden usw. Ismen neigen nun mal zum Ideologischen, Fundamentalistischen. Cas hätte ja z.B. schreiben können, daß ihn die biologischen Erklärungsansätze menschlichen Verhaltens ärgern. Aber er sagte "biologistisch" - weil dies eben suggeriert, daß dahinter eine festgefahrene, scheuklappenbehaftete Denke steht.
Im übrigen gestehe ich ja ein, daß an dieser seiner (und jetzt auch Deiner) Kritik einiges Wahres dran ist. Allerdings sollte man dann auch den Focus etwas weiter stellen und zugeben, daß es in der Natur der Menschen (sic! :D ) liegt, daß sie immer diejenigen Welterklärungsmodelle benutzen, die gerade angesagt sind und die ihnen - möglicherweise auf eine etwas sehr schlichte Art - einleuchten.

Ich sprach ja schon im letzten Post an, daß der Biologismus eine Unterform des Positivismus sei. Im Neunzehnten Jahrhundert, als man endlich Newton zu schätzen begann und die Leit-Technologie vor allem die Mechanik war, waren viele triviale Erklärungsmodelle eher mechanistisch. Seinen Niederschlag findet dies beispielsweise in Jul Vernes Romanen oder in der Olympia von ETA Hoffmann. In den siebziger Jahren, als die Psychoanalyse scheinbar alles menschliche Verhalten zu erklären können meinte, war es der Vulgär-Freudianismus, der fröhliche Urständ feierte. Und heute, wo die Wissenschaften vor allem auf dem Gebiet der Biologie neue, verblüffende Dinge über uns Menschen herausfindet, und zur Leit-Wissenschaft sich entwickelt (ablesbar z.B. auch daran, daß Bio-Tech-Firmen von Analysten die besten Zukunftsprognosen ausgestellt bekommen), da fließt dies eben auch in unser triviales Alltagsleben oder unsere Kultur (Getacca - bin zu faul, jetzt nach der korrekten Schreibweise zu googeln, Gala! :D ) ein. Man kann darüber amüsiert schmunzeln, oder man kann sich darüber aufregen - in beiden Fällen hat man dafür subjektive Gründe.

Und so einen Grund meinte ich bei Cas erkannt zu haben. Nämlich daß ihm der deterministische Gedanke, der hinter der biologischen Erklärung menschlicher Verhaltensweisen steht, nicht gefällt. Er hat es dann ja selbst angesprochen: Damit würden die Leute sich nur vor den Zumutungen verantwortlichen Handelns drücken wollen.
Was ja in der Tendenz durchaus stimmen mag. Der Horror jeglicher Rechtsprechung wäre beispielsweise ein DNA-Strang, der für gewalttätiges Verhalten verantwortlich gemacht werden könnte. Sodaß die Verteidigung es dann leicht hätte, und unter dem Hinweis auf die verminderte Schuldfähigkeit des Mandanten (er hat ja leider diese schlimmen Moleküle in seiner DNS) locker Punkte sammeln könnte.
Und natürlich geht es hier letztlich wieder um die generelle "Freiheit des Menschen". Nur, wenn man diese Freiheit als gegeben annimmt, kann man ein bestimmtes ethisches Verhalten von Menschen verlangen. Wie es die katholische Kirche in Form ihres Papstes ja gerade tut, wenn sie sich in die Privat-Angelegenheiten der Leute einmischt und die Homosexualität in die Sünden-Ecke stellt.
Grob gesagt widerspricht eben jeder deterministische Ansatz dem Sünden-Konstrukt des Glaubens, welches davon ausgeht, daß die Menschen sich frei für das Böse und wider Gott entscheiden können.
Und deswegen muß natürlich die "Glaubensfraktion" mit allen Mitteln gegen deterministische Denkweisen ankämpfen, selbst wenn diese noch so stichhaltige Argumente anführen kann, und zu diesen Mitteln zähle ich eben auch so sublime wie den Gebrauch des Begriffes "biologistisch". Denn dieser Gebrauch ist kein Sach-Einwand, sondern ein eher aristokratisch-ästhetischer Einwand. Man wehrt sich hier gegen die Zumutung, sich mit vulgärwissenschaftlichen Argumenten auseinandersetzen zu müssen, nach dem Motto: Also nee, auf dieser banalen Ebene habe ich keine Lust, zu diskutieren... ;)
 
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Jenny

Partymäuschen
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@Mumme: :confused: Okay, aber was hat das Zitat mit meiner Aussage zu tun?
 

Wiz

Alter Schwede
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Zum Biologismus-Vorwurf: Mir ging es durch meine Herleitung erst mal nicht darum, Homosexualität zu rechtfertigen, sondern lediglich darum, diesem ewigen Argument der "Unnatürlichkeit" zu begegnen. Denn was sich über Jahrmillionen gehalten hat, kann nicht "unnatürlich" sein.

Dennoch sind es zwei völlig verschiedene Geschichten, ob Homosexualität natürlich oder ethisch gerechtfertigt ist, was Christen immer sehr mit Vorliebe durcheinanderwürfeln.
Die Frage "Ist Homosexualität ethisch gerechtfertigt?" läßt sich negativ unformulieren in: "Ist es richtig, Homosexualität zu verbieten?" bzw. "Ist Homosexualität ethisch falsch?" Der Sinn von Verboten und ethischen Richtlinien ist nicht mehr, als dadurch menschliches Leid zu vermeiden. Ich wiederhole noch mal: Ethik bzw. ein konkretes ethisches Regelsystem ist kein Selbstzweck! Stellt man eine Vorschrift oder ein System aus Vorschriften auf, dann hat es ein Ziel: nämlich Leid zu minimieren bzw. gänzlich zu ersparen.
Wo nun dieser Zweck beim Aufstellen der Regel "Homosexualität ist falsch" erfüllt sein soll, ist mir schleierhaft. Denn homosexuelle Menschen fügen mit ihrem Verhalten niemandem, aber mal wirklich niemandem Leid zu - weder mittelbares noch unmittelbares Leid. Wieso ist Homosexualität dann falsch?
Es wird immer auch gern das Argument der "Schöpfungsordnung" herangezogen, von wegen Homosexualität verstoße gegen diese und wäre somit nicht gutzuheißen. Aber das ist nur eine weniger elegante Verschiebung des Problems auf eine höhere Ebene. Welchen Sinn hat denn diese Schöpfungsordnung? Ist das überhaupt ein konkret ethisches, sprich Leid vermeidendes Ziel? Oder ist es nur der "Wille Gottes", der zwar für uns armselige Menschen überhaupt keinen Nutzen hat, aber halt der Wille Gottes und deshalb blind zu befolgen ist... :rolleyes: Sollte die "Schöpfungsordnung" im unwahrscheinlichsten Falle einen ethischen Zweck haben, gilt folgende Fragestellung: Ist die Schöpfungsordnung als Normenkatalog zwangläufig eine Einheit, sprich: sämtliche drin vorkommende Vorschriften sind ohne die anderen nicht denkbar? Wenn ja, läge die Beweislast bei den Christen. Bis dahin dürfen Pinky und Brain von mir aus gerne und mit Wonne das machen, was sie jeden Abend machen... :fies::D
 

David

Moderner Nomade
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Dem Text von Sylvana, den Mumme zitiert hat, kann ich eigentlich nur zustimmen.
Wir mögen inzwischen soweit sein, das wir das Internet haben und nicht mehr zum Mond fliegen wollen, weil da nix los ist.
Aber an sich sind wir immer noch (hochentwickelte) Tiere. Und selbst in anscheinend so rein vernünftigen Gebieten wie der Wirtschaft spielen psychologische Faktoren (und damit auch Urinstinkte) eine extrem wichtige Rolle. Wer sowas unterschätzt kann böse Überraschungen erleben.

Es mag nicht alles durch die Gene determiniert sein, aber am Ende werden wir uns zumindest nicht gegen unser Wesen verhalten können. Unser Verhalten hat sich schließlich auch über Jahrtausende in Wechselwirkung mit der Umwelt entwickelt.

Und das alle Verhaltensweisen (inkl. Religion!) irgentwie natürlich sind, ist doch eigentlich gar keine Frage, weil es gar nichts anderes gibt.
Was soll denn "künstliches" Verhalten auch sein?
Am Ende passen wir uns an die Umwelt an, auch wenn diese von anderen Menschen gestaltet wurde und nicht durch rein natürliche Prozesse. Das das nicht immer klappt sieht man z.B. wenn mal wieder eine Statistik ergibt, das in Großstädten überdurchschnittlich viele Depressionen auftreten.

Aus diesem Blickwinkel kann ich leider nicht verstehen, wie ein Gott, der angeblich für alle da sein soll, bestimmtes Verhalten, das nichtmal Anderen schadet, ablehnen oder gar bestrafen kann. Unter der Annahme das dieser Gott wirklich existiert, kann ich dann nur zu dem Schluss kommen, das er entweder nicht "gut" ist, oder falsch verstanden wird.

Man könnte jetzt einwerfen, das auch Mord und Totschlag rein natürliches Verhalten sind, das stimmt ja auch. Aber hier kommt das im Laufe der Zeit erlangte Wissen dazu, das man sowas nicht tolerieren darf, wenn die Gruppe als Ganzes funktionieren soll. Und gerade dieses Gruppenverhalten macht uns Menschen ja aus.
Dieses Gruppenverhalten ist evtl. nicht durch die Gene bedingt, aber deshalb noch lange nicht unnatürlich.

Das größte Problem sehe ich darin, das die "Urinstinkte" nicht wirklich für das 21. Jahrhundert "gedacht waren", und in unserer heutigen Zeit schnell mal unangenehme Folgen haben können.
 
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Chinasky

Dirty old man
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@Wiz: Du argumentierst vom Menschen und der menschlichen Vernunft her. Mir sehr sympathisch, aber dabei läßt Du unberücksichtigt, daß für den Gläubigen der Ratschluß Gottes höher ist als alle Vernunft. Der Sinn, welcher hinter den Geboten steht, muß uns nicht einsichtig sein (immer aus der Sicht des Gläubigen gesprochen), es reicht, beziehungsweise es macht gerade den Glauben aus, daß wir darauf vertrauen, daß es einen höheren Sinn darin gibt! Dieses "credo quia absurdum" ist der Panzer, den man wohl nicht wird knacken können.
Daß Du auf den Vorwurf der "Unnatürlichkeit der Homosexualität" abzielst, ist insofern clever, weil Du hier den Glauben da am Schlafittchen packst, wo er sich aus seinem irrationalen Heim heraus traut und seinerseits mit Vernunftgründen zu argumentieren versucht. Ein Katholik, der mit der "Natürlichkeit" eines Verhaltens argumentiert, argumentiert eben schon auf dem Feld der wissenschaftlichen Weltbetrachtungsweise, man könnte ihm dann sogar mit etwas gutem polemischen Willen "Biologismus" unterstellen... ;)
 

Gala

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Der Kern der Homophobie der katholischen Kirche ist allerdings die Sexualitätsfeindlichkeit, die sich auch in ihrem Verhalten gegenüber Heterosexuellen äußert.

Wenn man Sexualität nur für die Fortpflanzung zuläßt, ist es nur natürlich, das man Homosexualität vollständig verdammt und Sexualität eben nur erlaubt, wenn daraus Kinder entstehen können.

Bedarf an Streicheleinheiten hat so ein Mönch eben nicht.
 

Caswallon

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Wiz: Ich habe die Bemerkung nicht zuletzt aus dem Grunde geschrieben, weil ich stark den Eindruck hatte, die Vermischung von "natürlich" und "gerechtfertigt" käme von der anderen Seite ;) - einfach weil es das Phänomen gibt, sei es auch zu begrüßen.

Ansonsten habe ich grad keinen rechten Ansatzpunkt, daher erstmal kein "richtiger" Beitrag...

Cas
 

Mumme

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@Jenny
Du fragtest nach Beispielen für Biologismus. ;) Und siehe, schon greift er um sich! *auf Davids Beitrag schielt* :D
 

David

Moderner Nomade
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Nenn mir ein Beispiel für etwas, das nicht im weitesten Sinne natürlich ist. :D
Ich sage nicht, das die Gene alles bestimmen, aber es gibt kein "unnatürliches Verhalten".
 
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Jenny

Partymäuschen
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Häh? Mal ganz abgesehen davon, das wir keine Ahnung haben, was vom Verhalten nun tatsächlich unwiderruflich genetisch determiniert iet und was nicht, so gibt es doch in der Gesellschaft KEIN einziges Beispiel, das jemand mit einer solchen Ausrede davonkommen könnte.
Insofern verstehe ich das Problem am Biologismus nicht.

Um mal ein paar schon besser verstandene biologistische Beispiele zu erwähnen: Wenn eine Frau eine gewisse Anlage für Brustkrebs hat, dann wird sie mit einer Wahrscheinlichkeit Brustkrebs kriegen.
Wenn ein Kind mit 3 Chromosomen 21 auf die Welt kommt hat es unwiderruflich das Down-Syndrom.
Daran ist nix zu rütteln, auch wenn es vielleicht nicht ins Weltbild passt.
 

Sol

Mönch/Assassine
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Nenn mir ein Beispiel für etwas, das nicht im weitesten Sinne natürlich ist.

Ist es denn "natürlich" vom Menschen ganz bewusst die Umwelt zu zerstören wegen ein paar Papierscheinen zum Beispiel? Macht das irgendeine ein anderes Tier oder vielleicht eine Pflanze?
Die Natur geht auch von einem bestimmten Gleichgewicht aus, dass der Mensch zerstört, wenn er zum Beispiel ganze Tierarten ausrottet. Wenn man eine Spezies von lästigen Tieren einfach vollständig ausrottet, weil sie u.a. vom Menschen als "Parasiten" angesehen werden, dann hat der Mensch in der Geschichte meist allerdings nie bedacht, dass diese "Parasiten" vielleicht einen gewissen Zweck erfüllt haben und andere für den Menschen "schädliche Tiere" durch die Ausrottung nachrücken können ( ; das ganze klingt jetzt sehr abstrakt, aber ich hab leider dieses eine Beispiel, von dem ich mal hörte, wieder vergessen :rolleyes: vll mal googlen oder so...)

Da müsste man mE den Begriff "natürlich" schon etwas genauer definieren, was man damit nun konkret meint.
 

Erian

Anla'Shok
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Es gibt nicht das konstante Gleichgewicht der Natur, das da vom Menschen zerstört wird. Dieses Gleichgewicht ist permanente Anpassung, Veränderung - und der Mensch so ganz nebenbei Teil der Natur. *findet dieses "Mensch vs. Natur"-Zeug immer wieder sehr ... eigenartig*

Ob der Mensch sich durch seinen Umgang mit seiner Umwelt selbst das evolutionäre K.O. bringt, wird nur die Zeit zeigen - ich persönlich sehe das nicht in näherer Zukunft. Aber die Natur, das Leben, wird schon seinen Weg finden, egal ob der Mensch nun Teil davon bleibt, oder sich in die schier unendliche Reihe ausgestorbener Gattungen einreiht.

just my 2 cents...
 
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David

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Tierarten sind immer ausgestorben, weil sie von anderen, erfolgreicheren, verdrängt wurden.
Der Mensch macht das nur sehr effektiv, wobei ich absolut sicher bin, das der Planet auch das überstehen wird. Es gab schon viele Massensterben in der Erdgeschichte, vielleicht ist die Ursache diesmal eben der Mensch und keine globale Katastrophe in Form von Klimawandel oder Asteroiden.

"Natürlich" kann man natürlich :D verschieden definieren.
Meint man damit "frei von menschlichem Einfluss", muss man wohl lange suchen. Selbst wenn eine Region noch nicht direkt beeinflusst worden ist, über Luftverschmutzung und Verinselung (d.h. ringsrum ist alles vom Menschen verändert wurden) wird sie wohl auch schon verändert worden sein.
Vielleicht noch die Tiefsee, wobei da wohl auch schon so mancher Dreck vom Menschen gelandet sein dürfte.
Begreift man den Menschen als Teil der Natur, kann es nichts unnatürliches mehr geben.

Und in dieser Diskussion gehts ja eigentlich nichtmal um Verhalten, das man als besonders "neu" (im dem Sinne, das es erst mit der modernen Technik gekommen wäre) bezeichnen könnte, sondern um die Triebe, die wohl die natürlichsten überhaupt sind. :D
Das die Kirche damit so ein Problem hat, werd ich wohl nie verstehen. Vielleicht soll es ja ein Zeichen besonderer Gottesfürchtigkeit sein, auf dieses natürlichste Bedürfnis neben Essen und Trinken zu verzichten?
Aber sowas von allen Menschen zu erwarten.. :rolleyes:
 

Mumme

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Genau David, auch Kunstblumen sind natürlich! :D
 

David

Moderner Nomade
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Ja klar, sie bestehen aus Plastik, welches aus Öl gewonnen wird, welches ein fossiler Stoff ist, der rein natürlich entstanden ist. *g*
Ob es sinnvoll ist, Plastikblumen herzustellen, steht auf einem anderen Blatt. :D
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Versuch einer Definition:

Wenn ich sage, das etwas natürlich ist, so meine ich damit, das es dem Wesen der Person oder Sache angemessen ist.
 
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