Der Sinn des Christentums

Sylvana

Dark Princess
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@Hank&GodwinsLaw:

Mein Vergleich des Christentums mit den Nazis stützt sich hier im wesentlichen darauf, dass beide Gruppierungen Juden (und Andersdenkende) konsequent diskriminiert und verfolgt haben!

Es handelt sich hier um eine historisch belegbare Tatsache.

Weiterhin habe ich die Frage aufgestellt, warum z. B. Sambuco die Verbrechen der Kirche offensichtlich als "mittlerweile verjährt" ansieht und die des Naziregimes nicht.

Diese Frage ergibt sich für mich, wenn er meinen Verweis auf vom Christentum begangene Verfolgung Andersdenkender lapidar beiseite schiebt - letztlich haben die Nazis genau das gleiche getan!

Einen wesentlichen Unterschied zwischen der Verfolgung Andersdenkender aus ideologischen Gründen (Nazis) oder aus religiösen (Christen) kann ich für mich nicht erkennen.

Auf dieser Basis sehe ich weder etwas beleidigendes noch etwas unsachliches in meiner Argumentation - ich lass mich aber gerne eines besseren belehren...

PS: Wie diskutiert man eigentlich über den Nationalsozialismus? Wird dann die Diskussion nach Eröffnung des Threads schon aufgrund seines Titels eingestellt?!:p

Sorry, aber Gesetze KÖNNEN hilfreich sein, wo sie jedoch einschränkend und destruktiv wirken sollte man sie vielleicht eher aussen vor lassen...;)

Die Schärfe kam übrigens für mein Empfinden genau hier in die Diskussion:
"@Sylvana: Langsam gebe ich es auf. Irgendwie WILLST Du es nicht verstehen." - sorry, aber das ist weder sachlich noch besonders nett! Wir sollten lieber ein Gesetz einführen dass es in Diskussionen verboten ist persönlich zu werden!;)
 
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Ciramon

Drachenkrieger
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@Slarti
Aber diese Diktatur auf diese Art und überhaupt mit einer Demokratie gleichzusetzen, kann's ja auch nicht sein. Aber du hast Recht, es gehört nicht hierher.

@Topic
Soso, die Religion ist also dazu da, um die Menschen angesichts der unvollkommenen Welt ruhigzustellen und in Lethargie zu halten.

Da macht man es sich m.E. zu leicht. Denn Jesus und seine Freunde haben doch nicht gesagt: Liebe deinen Feind nicht. Er wird es im Jenseits gut haben, also kannst du ihm ruhig das Diesseits zur Hölle machen. Liebe deinen Nächsten nicht. Der wird schon vom Herrn geliebt. Hilf auch nicht deinem Nächsten. Das ist schon okay so, daß er leidet. Er wird es nach seinem Ableben besser haben. Tut überhaupt, was ihr wollt, ohne Rücksicht aufeinander, denn wer darunter leidet, der braucht nur zu warten, bis es vergolten wird.

Neinnein. Wer nach Jesus' Lehren handelt, der ist sehr wohl auf bestem Weg, die Welt zu verbessern.

Was hier bei aller Sachlichkeit ebenso immer wieder auftaucht wie fast zwangsläufig bei allen Diskussionen dieser Art, ist (neben dem Vorwurf alter [nicht verjährter oder zu vergessender!] Verbrechen an die heutige Kirche), daß die Kritiker alles in einen Topf werfen, z.B. Religion und die, die sie mißbrauchen.

@Sylvana
Naja, der Nationalsozialismus ist ja an sich eine menschenverachtende Ideologie, die Religion aber wurde zu den Greueltaten mißbraucht.

Die Amtskirche, so schlimm sie im und um das Mittelalter herum zeitweise gewütet hat, hat keinen systemathischen Völkermord betrieben.

Und noch ein Unterschied: während niemand Friedfertiges eine Wiederkehr der Nazis will, da man weiß, was sie wollen, nämlich eine mehr oder weniger identische Fortsetzung des Dritten Reichs, ist die heutige Kirche unendlich weit davon entfernt, sowas wieder zu wollen wie ihre Grausamkeiten in der Vergangenheit.
Die sind passiert und keiner will sie einfach so vergessen, das soll auch nicht sein. Und doch werden sie immer wieder benutzt, um die Kirche anzugreifen, die sich doch heute ganz anders darstellt. Ja, mit ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten und ihren Aussagen, die teilweise Kopfschütteln hervorrufen. Aber der heutigen Kirche die Verbrechen ihrer Vorgänger vorzuwerfen, ist zu leicht, undurchdacht und unangebracht.

@Topic
In der aktuellen (bzw. evtl. gerade seit heute nicht mehr aktuellen, sondern letzten) Ausgabe des PM-Magazins findet man einen Artikel über christliche Fundamentalisten. Interessant und sehr erschreckend. Die haben in den USA bedenklichen Einfluß. Beispielsweise gibt es Staaten, die Lehrbücher mit Warnhinweisen versehen, daß die Evolutionstheorie mit Vorsicht zu genießen sei - und das ist noch einer der milderen Einflüsse.

Warum ich das anmerke? Bekloppte wie sie sind Schuld an Diskussionen wie dieser und an immer wiederkehrenden Angriffen gegen die Religion, der sie nur scheinbar folgen.
 

Azariel

Shade
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*Sich mal Cas beim Kommentar zum Thread-Tempo anschliess*

@Sambuco irgendwo ganz oben
Sylvana hat schon gepostet warum ich die Zehn Gebote erwähnte. Den zweiten Punkt erwähne ich auch gerne nochmal: "10" ist einfach so gesetzt worden, Gott ist da noch lange nicht fertig mit den Geboten.
Und wenn man denn die Gebote zur Grundlage des christlichen Glaubens erklärt sollten auch bitteschön alle erwähnt werden. Da empfiehlt sich mal Kapitel 21 zu lesen, wo all die schönen auf die reale Welt bezogenen Gesetze erwähnt werden. Aber ich nehme mal an das ist ja auch alles nicht das wahre Christentum und muss weggelassen werden. :rolleyes:

Die Aussage das der Christliche glaube überflüssig ist basiert nicht auf Jahrhundertealten verbrechen sondern das er
a) Schon seit Jahrhunderten, aber heute immer noch, als exzellenter Vorwand für Verbrechen dient. (Von Creationisten bis zu Zwangsmissionierungen)
b) Starre Moralvorgaben, wie auch die zehn Gebote, zwangsweise früher oder später veraltet sind, solange sie sich nicht auf das geringstnötige beschränken.
c) Wenn man erst 90% des Christentums auf die eine oder andere Art beiseitewischen muss, um bei einem positiven Ergebnis anzukommen kann man es auch gleich sein lassen.

Dazu @Slarti
Nö haben die Humanisten nicht aus der Luft gegriffen. Aber zum einen sind die Humanisten bei weitem nicht die einzigen die sinnvollere Alternativen als Religionen bieten (imho auch nicht mal die beste) zum anderen ist die Aussage das sie auf christlichen Traditionen beruhen so nicht richtig. Einmal sind die elemente die aus dem Christentum stammen, von diesem auch nur gecovert worden (die RIAA würde da eine Millionenklage starten :p) zum anderen gibt es auch viele andere Quellen für diese Gedankengänge.


Hm weils mir gerade auffält, hätte ich gerne ein paar Konkrete Beweise für diese "moralische verarmung" die unsere Gesellschaft erleidet. Nach christlichen Masstäben ganz sicher, aber das die meisten Christlichen Moralvorstellungen überholt sind ist nichts neues. (Da muss man nur an die Haltung des Papstes zur Ehe von Homosexuellen denken)

@Hank
Godwins Law ist allerdings in keinster weise gültig wenn Vergleiche mit dem dritten Reich zurecht gebracht werden. ;) "Nazi" ist im Usenet und anderen Amerikanisch-geprägten Plattformen ein Schimpffwort wie "Arschloch" hier. ;)

Um mal etwas Stoff für deinen nächsten On-Topic Post zu bieten: :D
Was ist denn nun der positive Sinn des Christentums?
Woher kommt die Welt? geht ohne besser.
Moralmasstäbe? geht auch ohne.
Ziel im Leben? geht auch ohne.
Was ist der positive Zweck dem das Christentum dient, der nicht auf andere Weise erfüllt werden kann, mit weniger Altlasten und weniger Gefahr des Missbrauchs?
(und ohne die Illusion eines Gottes :p)
 

Sylvana

Dark Princess
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@Ciramon: sorry, aber da bist du glaube ich nicht recht informiert, die Kirche hat sehr wohl systematischen Völkermord betrieben!

Eine sehr interessanter und übersichtlicher link dazu:

http://www.jubeljahr2000.de/kirchenopfer.html

(diese Seite wird wies aussieht übrigens von Menschen betrieben, die sich auf die jesuanische Lehre konzentriert haben!)

Die christliche Religion musste nicht missbraucht werden, um diese Greueltaten zu begehen:

Römerbrief 1

Paulus über die "Heiden":

32Sie wissen, daß, die solches tun, nach Gottes Recht den Tod verdienen; aber sie tun es nicht allein, sondern haben auch Gefallen an denen, die es tun.

Wenn du dieses Zitat (und dieses ist nur ein Beispiel) in Zusammenhang mit obigem link siehst, dann können wir doch nichts anderes feststellen als dass das Christentum sich äusserst bibeltreu verhalten hat!
(und: Der christliche Glaube basiert auf der Bibel, wie Diago etwas weiter oben schon mal sehr gut dargelegt hat.)

@all:

Schon in meinem zweiten Post habe ich deutlich darauf hingewiesen dass das Christentum und auch die Bibel durchaus wertvolles beinhaltet. Ich habe hierfür sogar Beispiele genannt.
Weiterhin habe ich dargelegt, dass ich es durchaus okay finde, wenn jemand sich Jesus zum Vorbild nehmen möchte - ich stimme hier mit Ciramon überein, würden das mehr Menschen tun wäre das durchaus gut.

Was ich jedoch fordere ist - und da ist der Vergleich mit dem 3. Reich einfach passend - dass sich das Christentum endlich auch mit dem auseinandersetzt was es angerichtet hat und die Ursachen für dieses Übel ausmerzt. Das ist in meinen Augen der einzige Weg, wie es eine von Hank beschriebene Position in der heutigen Gesellschaft glaubwürdig ausfüllen kann.

Wenn ich Zitate wie o. g. von Paulus lese und sehe, dass sich das Christentum noch in keinster Weise davon distanziert hat, ja dass es nach wie vor (ich verweise auf Diago) die Bibel als Grundlage ihres Glaubens ansieht, dann ist das nicht okay!
Mit der Rechtfertigung solcher Zitate hat das Christentum seine Verbrechen begangen.

Ein deutscher Staat, mit der Verfassung und den Gesetzen von 1944 wäre undenkbar!
Erst indem das deutsche Volk sich von seiner Vergangenheit distanziert und aus ihr gelernt hat konnte es wieder glaubwürdig einen Platz in der Weltgemeinschaft einnehmen.

Das Christentum hat sich mit seiner Vergangenheit noch nicht ausreichend auseinandergesetzt und schon gar nicht notwendige Konsequenzen gezogen!

Und an alledie, die jetzt gleich wieder schreien: Was wollt ihr eigentlich? Das was ich hier fordere würde die Position der Lehre Jesu im Christentum stärken, ja die jesuanische Lehre wäre wohl fast das einzige was danach Bestand haben würde.
Es wäre eine Religion die keinem weh tun würde und damit wäre sie für mich okay!
Tendenzen wie Paulus sie hatte, der für Andersgläubige den Tod fordert, Frauen diskriminiert, e.t.c. können wir doch nicht wirklich so stehenlassen wollen, oder?!
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Ich komme mit diesem Tempo auch nimmer mit.
 

Ravenklaw

Alter Weidenmann
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Wow! Ich muss jetzt wohl erst mal lesen gehen...:D!
Ihr seid hier aber echt flott unterwegs. Schau mer mal, was ich dann dazu zu sagen habe!
 

Chinasky

Dirty old man
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@Sylvana: Diese Frage ergibt sich für mich, wenn er meinen Verweis auf vom Christentum begangene Verfolgung Andersdenkender lapidar beiseite schiebt - letztlich haben die Nazis genau das gleiche getan!

Einen wesentlichen Unterschied
zwischen der Verfolgung Andersdenkender aus ideologischen Gründen (Nazis) oder aus religiösen (Christen) kann ich für mich nicht erkennen.


Ich hab mal die Formulierungen in Deinem Zitat fett hervorgehoben, die belegen, warum Godwins Law so unsinnig nicht ist. Nein, Du greifst nach Deinem Verständnis niemanden hier in der Diskussion persönlich an. Aber Deine Grundthese ist diejenige, daß das Christentum negativ sei. Deine Gegner in einem solchen Streit sind also jene, deren Grundthese lautet, daß das Christentum unterm Strich positiv sei. Du vergleichst nun die Institutionen des Christentums - wenn auch verklausuliert und durch Einschränkungen wie "ergibt sich für mich..." scheinbar entschärft - mit dem Nazitum. Aus Deiner Sicht ist das relativ sachlich und objektiv, aber die Gegenseite wird dadurch, wenn der Nazi-Vergleich für sie beleidigend ist, beleidigt. Du bist ja nicht der (die? Woher habe ich das Gefühl, Du seiest männlich? ;) ) erste, der solche Nazi-Vergleiche auf schwer einsehbaren Hinterpfaden in die Debatte einbringt. Letztlich ist es egal, ob Dein Vergleich adäquat war - wichtig ist, daß er nicht weiterführend ist, sondern dafür sorgt, daß sich die Gegenseite auf einer Ebene angegriffen fühlt, die nach allgemeinen Maßstäben unterhalb der Gürtellinie liegt. Wir haben die Diskussion bezüglich der Nazi-Vergleiche auch in dem Politik-Thread schon mehrmals gehabt, und generell ist es so, daß jeder, der mit solchen Vergleichen kommt, immer vehement abstreitet, damit irgendjemanden persönlich angreifen zu wollen oder gar die Verbrechen der Nazis relativieren zu wollen.
Vielleicht sollte man einfach mal sagen: Okay, seit 50 Jahren werden dergleichen Diskussionen geführt und es hat sich einfach empirisch ergeben, daß Nazi-Vergleiche in Diskussionen destruktiv sind. Deswegen lasse ich sie weg, selbst wenn ich sie mal für angebracht halte.
Mir fällt noch ein Gedanke dazu ein: Wenn man Diskussionen als eine Art Gemeinschaftsprojekt aller Beteiligten betrachtet, das gelingen soll, dann ist es wichtig, daß jeder sein Bestes gibt und sich bemüht, das intelektuelle Niveau der Diskussion so hoch wie möglich zu halten. In einer Arbeitsgruppe fallen diejenigen unangenehm auf, die faul sind, die nicht wirklich engagiert arbeiten, sondern immer nur so gerade das Nötigste tun. Auch beim Diskutieren ist es nervig, wenn die Gegenseite es sich leicht macht, immer nur die ohnehin schon allen bekannten Argumente bringt, mit einem Wort: unoriginell argumentiert.
Nazi-Vergleiche sind extrem unoriginell. Sie sind so wohlfeil, so extrem billig, daß man sie meist nur noch in der großen Vorratspackung zum halben Preis hinterhergeschmissen bekommt. Das Vorgehen der Kirchen, der Kommunisten, der amerikanischen Siedler in Amerika, der Hausverwalter und Lehrer wurde schon derartig häufig mit dem der Nazis verglichen, daß es eigentlich nur noch peinlich ist. Allein schon, um sich zu etwas mehr Originalität zu zwingen, sollte man sich selbst alle Nazi-Vergleiche verbieten. Denn ansonsten gefährdet man mit seiner geistigen Faulheit das Gemeinschaftsprojekt.

Ich für mein Teil ertappe mich immer wieder dabei, wie sich mir Nazi-Vergleiche aufdrängen, und ich habe sie hier im Forum auch schon viel zu häufig gebracht, aber seit ich Sambucos Ratschlag folgend mich mal ein bißchen mit Godwins Law beschäftigt habe, denke bzw. hoffe ich, daß ich zukünftig diesen Fehler nicht mehr machen werde. Oder wenigstens seltener... :shine:


@Ciramon: Soso, die Religion ist also dazu da, um die Menschen angesichts der unvollkommenen Welt ruhigzustellen und in Lethargie zu halten.

Ich denke mal, das bezieht sich auf meine Ausführungen weiter oben, daher fühle ich mich angesprochen. ;) Schön finde ich das Wort Lethargie - ich hab's nicht verwendet, aber es ist freilich das, was man bekommt, wenn man meine Gedanken weiter spinnt und zuspitzt.
Diese vom Christentum ausgehende Lethargie ist es, über welche sich Nietzsche immer so herrlich aufgeregt hat. Zumindest die Gefahr besteht, daß man eine solche Lethargie aus der Christlichen Lehre herausliest, tatsächlich gibt es da ja mal wieder widersprüchliche Botschaften selbst in dem "Vorbild Jesus". Einerseits haben wir Jesus als Neuerer und Revolutionär, welcher die alten Gesetze als irrelevant betrachtet und als neues oberstes Prinzip die Liebe zu Gott an deren Stelle setzt. Andererseits haben wir Jesus als demütigen Ja-Sager. Einmal in der schon zitierten "Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist!"-Szene, einmal in der "Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!"-Szene. Jesus wird einerseits als der Erneuerer beschrieben, andererseits als das brave Opferlamm, daß sich zur Schlachtbank, repektive zum Kreuz führen läßt und nicht auf die Idee kommt, seine göttliche Macht einzusetzen. Man verhöhnt ihn deswegen ja sogar, aber er steigt nicht herab vom Kreuz.

Wieder also haben wir hier einander widersprechende christliche Botschaften, und es ist letztlich die Entscheidung jedes Einzelnen, wie er diese Botschaften nun gewichtet. Es bringt auch wenig, nun eine Tabelle aufzustellen und zu gucken: Wie häufig verhält sich Jesus unangepaßt, aktiv und revoltierend, und wie häufig markiert er den Ja-Sager und Duckmäuser? Denn es kommt dann wieder darauf an, wie schwer man persönlich jede einzelne Evangelien-Passage gewichtet.

Abschließend kann man solche Fragen nicht klären - allerdings kann man auf bestimmte Aspekte hinweisen und die Gefahren skizzieren, die sich aus ihnen ergeben. Dazu sollte man dann natürlich die Geschichte des Christentums betrachten. Der Einwand den – ich glaube – Slarti gegen die Kirchen brachte, daß das Chistentum über die Jahrhunderte hinweg den Mächtigen ein willfähriges Instrument war, um die Macht zu sichern, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist... Die Zwei-Reiche-Lehre hat sicherlich alles andere als einen sozialrevolutionären Drive.
Über knapp 2000 Jahre konnte der andere Aspekt der christlichen Botschaft, nämlich daß – zumindest vor Gott – alle Menschen gleich seien und Jesus sich zu den Randgruppen, zu den Marginalisierten, den Schwachen und Benachteiligten hingezogen fühlte, beziehungsweise ihnen mit Respekt gegenübertrat, nur äußerst selten in gesellschaftlichen Veränderungen durchsetzen. Oder, anders herum ebenso vorsichtig formuliert: Die biblische und christliche Botschaft standen niemals wirklich dem Herrschaftsanspruch der Mächtigen entscheidend entgegen.
Ich glaube allerdings, daß dies ein Kennzeichen aller monotheistischen Verkündigungsreligionen ist: Die Annahme eines allmächtigen Gottes führt unweigerlich zu dem Schluß, daß alles, was der Fall ist, von diesem Gott gewollt wird. Die Hereinnahme des Dualismus-Prinzips, beispielsweise in Form des Satans, der also als Antagonist Gottes zu fungieren hat, macht die Sache nur komplizierter, aber nicht besser. Denn Satan wird ja am Ende auf jeden Fall besiegt werden und ist damit eigentlich schon jetzt der Besiegte, sozusagen nur der Sparringspartner Gottes. Ohne Gottes Willen hätte dieser Sparringspartner nix auf dieser Welt zu suchen – also sind auch alle Aktionen dieses Sparringspartner letztlich gottgewollt.
Also ist alles am Ende wieder gottgewollt und es bringt überhaupt nix, sich gegen die herrschenden Zustände aufzulehnen, weil dies einer Revolte gegen die „gottgewollte Ordnung“ gleichkäme.
Aus dieser Zwickmühle kommt man nur heraus, wenn man Gott radikal aus seinem Denken streicht. Alles andere sind winkeladvokatorische Kniffe, die häufig allerdings sehr überzeugend wirken, denn immerhin haben die klügsten Köpfe des Abendlandes in ihren Klöstern knapp tausendfünfhundert Jahre Zeit gehabt, sich diese geistigen/geistlichen Ausweichmanöver auszudenken.
Wie schon gesagt: Das Grundproblem findet sich bei allen Religionen, die sich auf eine oberste, nicht hinterfragbare Autorität stützen. Momentan können wir die negativen Auswirkungen solch einer Denkgrundlage besonders krass in der islamischen Welt sehen, nicht, weil der Islam so viel leichter als das Christentum im Sinne terroristischer Fanatiker zu instrumentalisieren wäre, sondern weil die islamische Welt ihre Aufklärung noch nicht erlebt hat.
Womit wir bei der Frage wären, ob nicht eventuell das Christentum auch die Grundlagen schaffte, welche die abendländische Aufklärung erst möglich machten. Es gibt sicherlich einige Aspekte, die eine solche These unterstützen, allerdings meine ich, daß mehr Argumente dagegen sprechen. Das gravierendste Argument ist das gute alte Hellenentum. Sowohl die politische Idee der Gleichheit aller Bürger war schon weit entwickelt (auch wenn sich diese Gleichheit freilich nicht auf die Sklaven, die Einwohner der Nachbarstädte und die Frauen bezog...), als auch das philosophische Instrumentarium generell. Man muß nur ein paar sokratische Dialoge bei Platon lesen, um zu erkennen, wie extrem weit das reflexive Bewußtsein damals schon fortgeschritten war. Auch die republikanischen Ideen der Römer waren gesellschaftspolitisch aufgeklärter und nach unserem heutigen Maßstab gerechter als das, was ein gutes Jahrtausend kirchlicher Machtausübung hernach über Europa brachte.

... to be continued... :fies:

Nachtrag @Azariel: Ich habe das Gefühl, als würdest Du von mir erwarten, die Rolle des Christentum-Verteidigers einzunehmen?! Wie kommst Du auf diese seltsame Idee? :p
 
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Gimling

Mad Scientist
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@Sambuco
Ich frage mich gerade: Wie viele Nazis meinten wohl, sie seien Christen?
Ganz ohne Wertung oder gar Gleichsetzung dieser Religion mit einem ideologischen Gefüge wie dem Nationalsozialismus (!!!), aber die Empörung über den "Sinnzusammenhang" hier ist mir ein wenig aufgestoßen. Ich halte es für lächerlich, aus einer Diskussion auszusteigen, weil beide Begriffe im gleichen Beitrag vorkommen.
Fakt ist jedenfalls, dass es der so oft zitierte "Interpretationsspielraum" der Bibel es eben auch Nationalsozialisten erlaubt, sich subjektiv als Christen zu fühlen (wie sie es nach wessen Definition dann wären, sei mal dahingestellt). Ganz unabhängig davon, dass sie Teile der zehn Gebote mit Füßen treten - das wurde häufig gerade durch "Christen" getan.

Wir sehen also, dass dort sogar wieder eine Parallele zu dem "Kommunismus"-Part hier zu finden ist: So wie der Kommunismus als Ideal in der Realität nie erreicht wurde, verhält es sich mit der Idealvorstellung, die heute von der Religion Christentum vorherrscht. Beide haben sie zutiefst vernünftige Zielsetzungen (das Christentum hier mal auf die 10 Gebote gekürzt), und beide scheitern sie an der Realität.
(Ausnahmen... usw.)
Stimmen wir bis dahin überein?


Gründe für meine persönliche Skepsis gegenüber Religionen wurden schon genügend genannt. Dazu kommt, ganz dürftig formuliert: Es gibt einfach zu viele davon, die meisten mit Absolutheitsanspruch. Gala meinte hier, dass das Christentum sich wohl so verbreitet habe, weil es auf der "Wahrheit" basiere. Gläubige anderer Religionen haben aber ebenso ihre "Wahrheiten". Letztendlich ist es also wohl eher eine Frage der richtigen Marketingstrategie.

[EDIT]Da ist ja noch eine Seite^^

[EDIT2]Ja, ich habe den Fehler begangen, schon wieder "Nazi" zu schreiben. Lasst mich leben :rolleyes:
 
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Sambuco

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Liebe Leute,

trotz mehrfacher Bitte (nicht nur meinerseits) kommen immer wieder diese Parallelen und Vergleiche. Ich habe das hier niemandem verboten, sondern ich habe mich aus diesem Thread zurückgezogen und euch auch gesagt warum.

Bitte respektiert das und sprecht mich hier nicht mehr an oder werft noch weitere Argumente und Gegenargumente hinter mir her. Ich kann und werde darauf nicht mehr eingehen.

Danke.

Edit @ Gimling:
Entschuldigung angenommen.:)

Edit2: Schade eigentlich. Prinzipiell wäre der Thread schon interessant und es gäbe auch noch einiges zu sagen..:(
 
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Sylvana

Dark Princess
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@Hank:

"auf schwer einsehbaren Hinterpfaden"?

Hank, vor mir haben schon weit berufenere Persönlichkeiten diese Behauptung aufgestellt und sie auch mit handfesten Fakten belegen können - ich verstehe nicht weshalb diese Argumentation schwer einsehbar sein sollte!

Dass ein Vergleich mit dem Nazi-Regime nicht angenehm ist mag durchaus sein, doch ist es jetzt wirklich so, dass man in einer Diskussion Vergleiche die dazu dienen Dinge etwas zu verdeutlichen unterlassen muss?

Denn genau darum ging es mir, etwas zu verdeutlichen.

Wir haben es hier mit zwei Gruppen von Menschen zu tun die in grossem Stile Juden und Andersdenkende verfolgt haben und die eine Gruppierung (das deutsche Volk) hat sich davon distanziert und die andere (das Christentum) nicht.

Ich sehe da eine Diskrepanz und darauf wollte ich hinweisen!

Aber gut, es liegt mir wirklich fern jemanden zu beleidigen, dann eben ohne Nazi-Vergleich:

Das Christentum hat sich nicht ausreichend von seinen Verbrechen distanziert und es hat sich ebensowenig von dem distanziert was diese Verbrechen erst gerechtfertigt hat.
Es basiert auf der Bibel, in der u. a. zu Intoleranz und Gewalt aufgerufen wird.

Das ist nicht okay!

btw: ich bitte das differenziert zu betrachten - ich habe, wie in meinem letzte Post bereits ausgeführt, bereits von Anfang an dem Christentum auch positives zugestanden - von einer Grundthese das Christentum sei (nur) negativ möchte ich mich distanzieren. Eine Verallgemeinerung dieser Art entspräche ohnehin nicht meinem Naturell...

PS: *lach* "geht sich jetzt für Hank mal den Damenbart rasieren* ;)
 

Chinasky

Dirty old man
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@Sambuco: Wer geht, kann auch wieder zurückkommen. Insbesondere, wenn er noch was zu sagen hat. Gehört nur etwas Kraft dazu, um diesen komischen, eher doch irrational motivierten Stolz zu überwinden... ;)

@Sylvana: Mit den schwer einsehbaren Hinterpfaden meine ich: Daß man den Nazi-Vergleich nicht direkt zieht, sondern ihn nur so gaaaaanz dezent und natürlich überhaupt nicht persönlich diffamierend und nur in vagesten Analogieschlüssen usw. bringt. Wenn ich jemandem ins Gesicht sage: Du redest wie eine Nazi-Sau!
Dann ist das eine klare, für jeden offensichtliche Beleidigung. Wenn ich aber nur in komplizierten Denkfiguren irgendwo andeute, daß ein ähnlicher Gedanke wie derjenige, den mein Gegenüber jetzt gerade aus der Bibel zitiert hat, durchaus auch von Heydrich hätte gedacht werden können... Dann ist das eine Nazi-Sau über den Hinterpfad. ;) Sie muß noch gar nicht mal als eine solche gemeint sein. Das gemeine an solchen Beleidigungen ist ja, daß man sie selbst nicht als solche versteht.


Darauf, Du könnest männlich sein, komme ich, weil Du eine eher männliche Art zu diskutieren hast. Es kommt Dir nicht, wie den meisten Frauen, primär auf eine Verständigung an, sondern Du vertrittst Deinen Standpunkt sehr kämpferisch. Soll keine Beleidigung sein - wie ich es ja überhaupt nicht als beleidigend empfinde, als Mann gesehen zu werden. :D Vielmehr freut es mich, mal wieder eine Ausnahme von der Regel zu treffen, die dann wohl gar nicht so allgemein ist, wie ich mir's bis eben noch gedacht hatte. Ich lerne ja immer gern hinzu. :shine:
 
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Azariel

Shade
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Ganz kurz, vorm lesen, nur damit es nicht noch weiter unten steht :D
@Hank
Nö ich erwarte nicht das du die Rolle des Verteidigers des Christentums einnimmst. Aber so ein bisschen was klang schon an wenn du davon schreibst das das einzige was zählt die Botschaft der Nächstenliebe sei und der rest "egal, egal, egal" :p
Aber es kann ja gerne auch wer anders posten.
 

Chinasky

Dirty old man
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@Azariel: Da hast Du dann mein Post nicht richtig und vor allem nicht im Zusammenhang gelesen. Das "egal, egal, egal" kam noch in dem Stamm-Thread von Ocard vor, und dort hatte ich den Begriff "christlich" in einem Zusammenhang verwendet, für den all das, was von Eurer Seite aufgefahren wurde an Argumenten, an der (meiner) Sache vollständig vorbei ging. Hier in diesem Thread geht's nicht mehr an der Sache vorbei.
 

Gimling

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Und das ursprüngliche Topic ist ja leider komplett abgestürzt, nachdem die "feindliche Übernahme" (im Zuge dessen der eben zitierte Post von Hank ja eher übersehen wurde) mitten im Prozess noch unterbrochen wurde ;)

Btw, als Ergänzung:

Die Essenz des Topics sehe ich bisher folgendermaßen:

Pro Christentum: Es wurden zwar zahlreiche Verbrechen durch "Christen" begangen, diese Leute hatten aber kein Recht, sich Christen zu nennen. Das Christentum ist in seiner Anlage zutiefst gut, der Gesellschaft zuträglich und wahr.

Kontra Christentum: Was einmal fehlinterpretiert wurde, kann wieder fehlinterpretiert werden. Das Christentum mag heute als grundsätzlich gut und der Gesellschaft zuträglich angesehen werden, ist aber sehr fehleranfällig und zumindest überholungsbedürftig (idealerweise geht's eben ganz ohne).


Es gibt vielfältige Moralvorstellungen, die ohne eine Religion existieren und diese ablösen können. Wir haben viele "Quellen der Ethik", aus denen wir schöpfen können. Wir können uns anhand dieser Quellen ein Idealbild vorstellen. Nur die einzelnen Pinselstriche, die Art, wie das augenscheinlich triste, durch menschliche Fehler bestimmte Bild der Realität in ein Kunstwerk verwandelt werden soll, können wir nicht erkennen. Die Religion geht da meiner Meinung nach den Weg einer gezielten optischen Täuschung. Und zumindest hinter der Schicht der tristen Realität verberge sich unter Garantie das angestrebte Kunstwerk.
Religion hindert den Menschen im Schlimmstfall daran, zu versuchen, seine eigene Tür zur Wahrheit zu öffnen. Er hält es nicht für nötig diesen Versuch zu starten, da ihm die Wahrheit in ihrer Vollkommenheit doch schon bekannt sei. Darin sehe ich die große Gefahr und die größte Schwäche von Religionen im Allgemeinen. Obschon dieses Prinzip natürlich noch viel weiter verallgemeinert werden kann.
 
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Azariel

Shade
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@Hank
Nuja, wie mans nimmt. ;) Ich bin nunmal auch in dem Zusammenhang der meinung das man "Christentum" "Christlich" etc. niemals nur auf einen Aspekt reduzieren kann. Genauso wie z.b. ein Hakenkreuz (auch du Schreck! schon wieder 3.Reich :eek: ) nicht nur ein Sonnensymbol ist, sondern immer auch ein Symbol für das dritte Reich bleiben wird. Und genau wie Kommunismus immer auch mit Stalin und Mao Tse Tong assoziiert werden wird.

Godwin's Law und das Getue darum finde ich ehrlich gesagt ausserordentlich lächerlich. Es ist aus Situationen entstanden wo Nazi-Vergleiche als reine Beleidigung verwendet wurden und rein gar nichts mit der Sache zu tun hatten. Jedesmal den persönlich beleidigten zu spielen und abzuhauen wenn ein Vergleich gezogen wird ist allerdings eine ziemlich hysterische Reaktion. Vor allem, wenn es denn ein Fall ist wo diese Vergleiche nicht als reine Beleidigung gezogen werden, sondern durchaus sachlich passend sind. Sprich @Hank: Ich glaube kaum das man Sylvana vorwerfen kann hintenrum Beleidigend zu sein, denn die Vergleiche sind in der Tat angebracht. Hitler hat sich nicht wenig auf das Christentum bezogen, um dem Völkermord eine Berechtigung zu verschaffen, und genauso sind Pogrome an Juden nichts was im Christentum (speziell der Katholischen Kirche) unbekannt wäre.
/edit
Um bei deiner Analogie zu bleiben, wenn ich Jemandem ins Gesicht Sage er rede wie eine Nazi-Sau ist es nur dann eine Beleidigung wenn er nicht so redet. ;)

@Hank
Da du von den Hellenischen Traditionen sprichst, kennst du Solon?
drück mich
 
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Würfelpech

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@ Sylvana

Das "Zuhälterbeispiel" kam von Azariel - und ich hatte ihn nicht auf dich bezogen.

@ Azariel

Religionen sind sicherlich deshalb so erfolgreich, weil sie an das WIR und den Bauch appellieren, während Philosophien bzw. Weltanschaungen wie die humanistischen Strömungen (nochmals: des gibt nicht DEN Humanismus) als "Kopfgeburten" weniger massentauglich sind. Ritualisiertes Gruppenverhalten - ob nun die christl. Kommunion oder Gruppentänze um ein Feuer - sind als Vehikel für ethisch/moralische Grundsätze anscheinend besser geeignet als eher trockene Erkenntnisse wie

<i>"Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen;
und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.</i>

(Wittgenstein, Tractatus)

Das die emotionale Ausrichtung von Religionen mit Absolutheits-Anspruch auch prima für gewalttätige Zwecke geeignet ist, will ich gar nicht abstreiten.

@ Gimling

Hitler und Co. haben das Christentum rundweg abgelehnt (Konkurrenz in der emotionalen Massenbewegung!) und versucht, es durch "germanische Kultbräuche" (= Rituale!) zu ersetzen. Es gab allerdings mit den "Deutschen Christen" http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Christen eine der NS-Ideologie nahestehende evangelische Gruppierung, die den Rassenwahn Hitlers unterstütze.

(Religion als Täuschung)

Jede Philosophie oder Weltanschauung kann - bewusst oder nicht - eine Täuschung darstellen bzw. dazu missbraucht werden, "andere" auszuschließen bzw. zu vernichten. Ich sehe da keinen grundsätzlichen Unterschied.


@ all

(Godwin's Law)

"<i>As a Usenet discussion grows longer, the probability of a comparison
involving Nazis or Hitler approaches one.</i>

Das ist nur eine Feststellung, die von mir o.a. aufgeführte Aussage "The thread went nazi and died" ist keine automagische Folge, das Gesetz warnt nur davor.
Es hat sich aber eingebürgert, den Poster, der dieses "Argument" bringt, zum Verlierer zu erklären (arg amerikanisch, IMNSHO) und den Thread zu verlassen - was ja eh' jedem freisteht. In Diskussionen UM den Nationalsozialismus ist diese Anwendung natürlich nicht zulässig, auch der Versuch des "Abschiessens" eines Threads durch ein locker eingeworfenes "Nazi"-Argument:
"Ich rufe an : Godwin's Law "Nazi,Nazi". Ende der Veranstaltung."
wird nicht anerkannt.
 

Gimling

Mad Scientist
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@Würfelpech
Ja, und das häufig hervorgebrachte Argument hier war, zusammengefasst: Bei der Religion ist dieser Missbrauch sowohl wahrscheinlich als auch aufgrund Absolutheitsanspruch besonders gefährlich. Und es gibt viele bekannte Beispiele dafür.

Dass umgekehrt auch andere Geisteshaltungen missbraucht werden können, lässt nur einen Schluss zu: Eine der vorherrschenden überlegene Ethik muss auf das individuelle Verständnis abzielen. Man kann ethische Gebote noch so klar oder detailliert festhalten, der Mensch filtert und interpretiert aus Gewohnheit. Was läge also näher als den Filter auf Vordermann zu bringen? Das ist allerdings schon wieder Wunschdenken im Sinne des kategorischen Imperativs.

Die in dieser Beziehung hemmende Wirkung von Religionen sehe ich im Dogmatismus, mit dem sie oft Verhaltensweisen vorgeben, teilweise fatal konkret. So wird ein wirkliches Verständnis der Prinzipien m.E. in der Regel gar nicht entwickelt, da man mit den vorhandenen exakt formulierten Verhaltensmustern sehr gut auszukommen meint. Mit Sicherheit kann man dies nicht pauschalisieren - wer allerdings gläubig ist und dieses Verständnis dennoch entwickelt hat, der hat, behaupte ich, das Gerüst der Religion nicht nötig.

Denn wenn wir ehrlich sind: Es ist im eigentlichen Sinne vollkommen unwichtig, wer Jesus ans Kreuz geschlagen hat, ob er überhaupt gelebt hat, ob es gar überhaupt einen Gott gibt. Mit etwas Feinschliff kommt man auf ein simples "Seid vernünftig im Umgang miteinander". Gott soll per definition nicht nachvollziehbar sein, ergo ein empirisch vernachlässigbarer Faktor - "Wenn er existiert, gut, wenn nicht: Auch schnuppe."
In der Religion wird die erreicht geglaubte letzte Wahrheit, das dogmatische Gerüst, das Ritual als Absolutum dargestellt. Und eben dieses Gerüst ist es auch, das missbraucht werden kann. Dabei ist es doch nicht mehr als die Verpackung für eine Ethik, die auch ohne auskommt (jetzt einmal aussen vor gelassen, dass natürlich auch die Ethik an sich im Detail Schwächen aufweist, verfälscht wurde, sich gewandelt hat und was einem noch alles einfallen mag).

Meine These: Das Christentum ist eine einzige, große, zu wörtlich genommene, oft missverstandene Fabel :D
 

Chinasky

Dirty old man
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@Azariel: Solche Figuren wie Solon hatte ich im Hinterkopf, bin aber trotzdem dankbar für den Link, der einfach ein Beispiel für eine klare Argumentation bringt, selbst wenn man mit manchen Argumenten des Autoren nicht einverstanden sein muß.

@Würfelpech: Jede Philosophie oder Weltanschauung kann - bewusst oder nicht - eine Täuschung darstellen bzw. dazu missbraucht werden, "andere" auszuschließen bzw. zu vernichten. Ich sehe da keinen grundsätzlichen Unterschied.

Das ist eine Wahrheit, und zwar eine so durch und durch konsensfähig wahre Wahrheit, daß sie schon beinahe eine Binsenweisheit darstellt. :p Vor allem die schöne Einschränkung "grundsätzlich" hebt jegliches Gewicht der vorangegangenen Aussage auf.
Die interessantere Frage lautet doch wohl nicht, ob eine Weltanschauung grundsätzlich dazu geeignet ist, als Vorwand für Vernichtung oder Ausschluß anderer zu dienen, sondern in welchem Grade eine solche Gefahr bei der jeweils diskutierten Weltanschauung zu befürchten oder gar zu erwarten ist.
Beispiel hierfür wieder der Islam: Warum verkaufen sich die Koranausgaben hierzulande seit dem 11.09. wie geschnitten Brot? Weil die (nicht-muslimischen) Leute herausfinden wollen, inwieweit der islamische Glaube, welcher sich ja auf den Koran bezieht, schon die Tendenz in sich trägt, seine Anhänger zu Selbstmörderterroristen zu machen, oder ob diese Fanatiker nicht doch den Koran völlig falsch gelesen haben.

Analog hierzu vertritt, wenn ich's richtig verstanden habe, Sylvana die Auffassung, daß die Bibel - als Grundlage der christlichen Religion - ursächlich für das verantwortlich ist, was die Christen in den letzten 2000 Jahren in ihrem Namen verbrochen haben.
Dabei kommt man nicht drum herum, die Quelle zu studieren und zu interpretieren - und zu hoffen, daß man am Ende Einverständnis erreicht, daß eine Interpretation plausibler und somit auch gültiger ist als die alternativen Interpretationen. Gleichzeitig muß man natürlich auch im Auge behalten, welche der unendlich vielen möglichen Interpretationen denn nun gesellschaftlich wirkungsmächtig werden.
Vielleicht sollten wir in diesem Zusammenhang noch exakter differenzieren zwischen Christentum, christlichem Glauben, christlicher Kirche, christlicher Botschaft usw. Das Christentum ist ja keine Weltanschauung oder Philosophie, sondern die Summe all jener, die sich selbst als Christen verstehen, inklusive der verschiedenartigsten christlichen Traditionen. Sicherlich wird aber nicht jeder einzelne sich als Christ begreifende Mensch Verantwortung übernehmen wollen für alles, was jemals im Namen der christlichen Religion getan oder gelassen wurde. Auch die einzelnen christlichen Kirchen werden sich schön bedanken, wenn man ihnen die Verfehlungen ihrer "Konkurrenten" vorwirft.

Die Frage, die sich mithin stellt: Gibt es Grundsätze, auf die sich alle (oder zumindest eine signifikante Mehrheit der) Christen einigen können? Ich meine zum Beispiel, daß das Glaubensbekenntnis, das Diavo weiter oben anführte, eben nicht so ein gemeinsamer kleinster Nenner ist, auf den man jeden Christen festnageln kann.
Wenn man dann das Christentum auf seine "Essentials" eingedampft hat, kann man sich fragen, inwieweit es da noch irgendeine Originalität zu finden gibt, oder ob man diese Essentials dann getrost wegwerfen kann, weil überhaupt kein geistiger Mehrnährwert mehr darin steckt. Das dürftebeispielsweise, wenn ich ihn richtig verstanden habe, Azariels These sein, welche Sylvana eventuell teilt. :)

@Gimling: Ich schätze mal, daß Dir die meisten Christen widersprechen werden, weil Du nur den konkreten ethischen Nutzen der Religion ins Kalkül ziehst. Aber ich hatte ja schon weiter oben darauf hingewiesen, daß man die Religion nicht auf ihre ethische Funktion reduzieren darf, weil sie offenbar noch andere Bedürfnisse erfüllt. Beispielsweise jenes nach Trost und jenes nach Sinn. Was antwortest Du jemandem, der sagt: "Ich bin nicht allein, Gott ist bei mir und er bejaht mich so wie ich bin! Daher habe ich niemals Angst und verzweifle nicht, egal, wie hart mir das Leben auch zusetzt." ???
 
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Gimling

Mad Scientist
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Ihm antworte ich: "Lerne, aus Deiner eigenen Person Stärke zu schöpfen. Lerne, Dich ebenso zu schätzen, wie Du meinst, von Gott geschätzt zu werden. Erkenne Dich selbst."

Du hast übrigens mit diesem einen Satz meinen Hauptkritikpunkt sehr gut zum Ausdruck gebracht. Es darf keinen Sinn der Ethik geben, wie ihn die Religion umschreibt. Kein wundervolles Nachleben, keine Gottgefälligkeit oder göttliche Intervention. Die Ethik selbst muss der Sinn sein, und die Vorteile, die alle davon haben, wenn sie sich mal ausnahmsweise nicht gegenseitig den Kopf einschlagen - und das ist auf alle Bereiche des Lebens zu beziehen, nicht nur den wörtlichen Akt des Kopf-Einschlagens^^
 

Würfelpech

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@ Chinasky

:D Ja, schlecht formuliert...
Sowohl Religionen als auch Philosophien/Weltanschauungen/ können dazu konstruiert oder benutzt (missbraucht?) werden, andere Gruppen auszuschließen oder schlicht umzubringen. Für Religionen ist das historisch wohl auch der Entstehungsgrund, die von dir erwähnte "Hirtenreligion" sollte ja im "Right or wrong- my people" Stil abgrenzen, Zusammenhalt schaffen, überleben helfen. Religion ist bestimmt das einfachere Transportmittel für Ethik, wie ich zuvor beschrieben habe: Es erzeugt Strukturen, Rituale und Traditionen, die sie quasi zum Selbstläufer machten; Philosophien/Weltanschauungen dagegen müssen *verstanden* werden. Humanismus und Altruismus kann auch erst in einer relativ "gesicherten" Umgebung entstehen, ist also wohlmöglich ein "Luxus"-Konstrukt.
Was hat also mehr Schad-Potential? Ich weiss es nicht.
 
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