Hm, das liest sich wirklich nicht sehr gut, Ulan.
Und ich weiss wie das ist wenn man sich einerseits von spannenden Herausforderungen magisch angezogen fühlt und andererseits Schmerz empfindet wenn man dabei Schiffbruch erleidet.
Dein Kopf war sich dieser Gefahr natürlich bewusst - ich erinnere mich wie du es damals geschrieben hast. Dein Kopf sagt dir auch jetzt dass es selbstverständlich zu deiner Art zu leben dazu gehört dass solche Dinge geschehen. Du sagst das völlig richtig: wer neugierig und lebensoffen ist und etwas wagt, der läuft nun mal auch Gefahr sich in Bereiche vorzuwagen die weh tun.
Aber sei da realistisch.
Zum einen: Dein Kopf mag das alles überblicken, aber dein Herz schmerzt dennoch. Und es darf schmerzen, es ist menschlich zu leiden auch wenn man alles hätte vorher wissen können und doch eigentlich weiss dass so etwas dazu gehört. Man darf unvernünftige Dinge tun, Ulan, und man darf an ihnen leiden - auch du darfst das.
Und zum andern: Birgt eine andere Art zu leben nicht auch Gefahr? Wenn du nun nicht mehr neugierig, weltoffen und sensibel wärst, wäre es dann besser?
Wer neugierig und weltoffen ist, der lernt die Welt kennen. Er erlebt viele schöne Dinge, aber auch viele weniger schöne. Das eine ist ohne das andre nicht möglich. Wer die Gipfekl erklimmen will muss durch die Täler. Und ist es nicht so, dass die Gipfel sich gerade deshalb so aussergewöhnlich hoch und erhebend anfühlen weil die Täler die man vorher durchschritten hat so ungemein tief waren?
Wer sensibel ist empfindet Leid tiefer, das ist wahr und das schmerzt dich gerade jetzt sehr. Aber empfindet man nicht auch die Freude schöner, wenn man sensibel ist? Und magst du darauf verzichten? Wäre es besser abzustumpfen, Freude weniger intensiv zu empfinden um dafür weniger stark zu leiden? Es sind die zwei Seiten der Medallie "Sensibilität", wer tiefer empfindet nimmt alles intensiver wahr, man kann sich nicht aussuchen was oder was nicht.
Das sind die Dinge die ich mir sage, wenn ich wieder mal abgestürzt bin auf meinem Weg zur Sonne. Sie nehmen einem das Leid nicht, aber sie geben dem Leid einen Sinn und es ist einfacher zu ertragen. Denn dieses Leid ist selbstgewählt und ich entscheide mich stets aufs neue dafür -> Ich will nicht anders sein als ich bin, ich will weiter neugierig und offen und auch sensibel sein und ich will auch nicht anders leben. Dieses andere Leben würde mir nur noch mehr Schmerzen bereiten, ich wäre eingeschränkt, eingeengt, gefangen, nicht mehr ich selbst.
Natürlich, grosse Mädchen, die tun was sie wollen müssen damit leben wenn etwas schief geht. Aber das tust du ja auch. Du lebst ja damit. Es fühlt sich nicht gut an, das ist klar, aber du lebst damit. Und du wirst es überleben - dein Atem wird der längere sein! Das Leid wird vergehen, auch wenn es sich jetzt nicht so anfühlt. Es wird vergehen so wie auch früheres Leid vergangen ist und du wieder lachen konntest und Freude empfinden. Das sollte dir Trost sein, das und dass du mit jedem Mal aufs neue daran wachsen und mehr du selbst werden wirst.
Stell dir vor wie du in einem Jahr auf diese gegenwärtigen Tage zurückblicken wirst. Das Leid wird kleiner sein, du wirst Abstand haben und vielleicht sogar wissen wofür es gut war. Vielleicht wirst du sogar froh und dankbar sein dass es so und nicht anders gekommen ist.