Karn und der kleine Kauz führten immer noch eine angeregte Unterhaltung in der Schmiede. Mittlerweile dampfte das Wildbret auf den Tellern, und Kalifa nahm ein paar Bissen zu sich.
Es war zwar unhöflich, aber sie hatte seit 2 Tagen nichts richtiges mehr zu sich genommen.
Sie setzte sich an den Tisch, und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Sie brauchte dringend eine Pause. Die letzten zwei Nächte hatten sie doch ziemlich mitgenommen. Soviel war geschehen, erst mit Karn und dann mit ihrer Mutter. Besonders mit ihrer Mutter. Noch einmal gingen ihre letzten Worte durch den Kopf:
"Geh nach Aknethon, such deine Gefährten, die dich schon begleitet haben und frage dort nach einer Elfe namens Anora. Sie wird die etwas geben, was dir auf deiner Suche weiterhelfen wird. Und du wirst wissen, was du zu tun hast."
Und dann wusste die junge Frau, was sie zu tun hatte. Und sie wusste auch, dass sie es alleine tun musste. Sie blickte auf die Keule, die Karn angefertigt hatte, betrachtete den zerrissenen Schleier, den sie über die Stuhllehne gelegt hatte ....... und wieder gingen ihr die Worte der Mutter durch den Kopf:
"Du kannst es schaffen, wenn du die Kraft der Liebe einsetzt. Wenn es jemanden gibt, den du wirklich und wahrhaft liebst, von ganzen Herzen und mit ganzer Seele, wird dir nichts geschehen. Und wenn du liebst, wirst du es wissen!"
Ja, sie liebte ihn, den Schmied! Sie hatte ihn schon als kleines Mädchen geliebt, es sich aber nie zugestanden. Aber er war nicht mehr derselbe. Die Jahre der Trennung waren ja auch nicht unbemerkt an ihm vorüber gegangen, und das was sie vor einer Weile draußen am Fenster gesehen hatte - wie er seine Magie einsetzte, und die Art und Weise, wie er das Katana geschwungen hatte - es beunruhigte sie irgendwie. Er musste einem großen Meister begegnet sein, der ihm das beigebracht hatte, jemand der über große Kräfte verfügte. Sie wusste auch, das Mortex sie immer noch verfolgen würde und das, wenn Karn und sie zusammen aufbrachen, auch er wieder in Gefahr war.
Abrupt stand Kalifa plötzlich auf, ging in die Schmiede und holte die Kristallkugel vom dem Dreifuss. Er hatte sich verändert. Als sie ihn dann genauer betrachtete, bemerkte die junge Frau, das die Kugel nun die Form eines Schädels angenommen hatte, dem der Unterkiefer fehlte. Die Bilder schossen ihr durch den Kopf, die sie in der Höhle mit dem Altar gesehen hatte. Sollte die Kugel etwa ein Schlüssel sein? In diesem Moment leuchtete der Schädel der Schädel kurz auf, und die junge Frau blickte hinein. Und sah sich selber, wie sie der Elfe Anora begegnete, die ihr dann ein zweites Kristallstück gab, dass sich dann als der fehlende Unterkiefer entpuppte.
Kalifa sah auf, und betrachtete Karn, der ein wenig Ordnung in der Werkstatt schaffte.
BuBo saß auf einen Balken und schien zu schlafen. Sie überlegte nicht lange, verließ leise die Werkstatt und ging wieder in die Küche. Ihre Bündel lagen noch so da, wie sie vor 2 Tagen angekommen war. Als sie einen der Beutel ergriff, die sie auf den Tisch abgelegt hatte, knisterte es leise darin. Kalifa öffnete ihn und fand darin den Brief, den BuBo unter seinem Flügel hatte, als er sie gefunden hatte - die Nachricht von Sir Firekahn, dem schwarzen Ritter. Die junge Frau betrachtete ihn nachdenklich; auch der Ritter und die anderen Gefährten waren in Aknethon. Warum zögerte sie eigentlich noch? Was hinderte sie noch, in diese Stadt zu gehen, in diese Wirtschaft "Zum Weinfass", um dort nach den Gefährten zu fragen? Kohnad Lizur hieß also der Wirt, von dem sie weitere Informationen bekommen würde, falls die Gefährten nicht da waren. Und dann war da auch diese riesige Festung, von der ihr schon Jon'Dalar erzählt hatte - Stratholm. Sollte es etwa sein, das der schwarze Ritter..........., nun ja, es würde sich herausstellen. Er war ihr ja immerhin noch eine Erklärung schuldig.
Sie beschloss, unverzüglich aufzubrechen. Um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, nahm sie den zerrissenen Schleier vom Stuhl, legte diesen auf den Tisch und den Brief des schwarzen Ritters darauf. Sie hatte keine Zeit, dem Schmied große Erklärungen zu geben, warum sie so eilig weiter musste, aber Karn sollte wenigsten wissen, in welche Richtung er zu gehen hatte, wenn er beschloss, ihr zu folgen. Sie ergriff ihre Bündel und die fertige Mandrake Root, ging zum Stall, sattelte Selis und wies ihn an nicht zu wiehern, um sie nicht zu verraten. Über einer Latte hingen ein paar alte Lappen. Die junge Frau nahm diese an sich und umwickelte die Hufe des Einhorns damit. Dann schlüpfte sie aus der Waldläuferkleidung, legte ihre blauschimmernde Rüstung an, schnallte die Bündel am Sattel fest und führte das Tier leise aus dem Stall, in Richtung des angrenzenden Waldes. Dort saß sie auf, blickte noch einmal zurück, atmete tief ein und preschte dann durch den Wald in Richtung der Stadt Aknethon.