Fragen, die Euch schon immer auf der Seele brannten, Teil 3

Turjan

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@David: Da gab es mal vor einiger Zeit eine Sendung ueber Homoeopathie, die ziemlich unsaeglich war und hier ausfuehrlich besprochen wurde. Ein furchtbares Machwerk. Z.B. wurde eine "Biochemikerin" darin gezeigt (weiteres wurde ueber sie nicht gesagt), die im Prinzip schon seit Jahrzehnten als Pharmareferentin fuer Homoeopathie-Firmen und dann als niedergelassene Homeoepathin taetig war, ohne dies mit einem Wort zu erwaehnen.

@Rink: Die Verabreichung eines Placebos ist erst einmal vorsaetzlicher Betrug. Das mag im Einzelfall berechtigt sein - z.B. wenn es jemand mit psychischen Problem vorbeischaut, der seine Einsamkeit mit Doktorbesuchen auffrischt, aber ansonsten gesund ist - aber ist anderenfalls, ausserhalb von Studien, verwerflich. Ich wuerde das Verschreiben von Homoeopathika durch einen professionell Taetigen sogar als strafrechtlich relevant sehen, da er wider besseres Wissen seine Autoritaet dafuer eingesetzt hat, den Patienten von einer eindeutig unwirksamen Behandlungsmethode zu ueberzeugen. Falls der Patient in Zukunft von sich aus zu Homoeopathika greift, sehe ich diesen Professionellen in der Schuld an irgendwelchen dadurch entstehenden Folgeschaeden.

Bei Homoeopathie schrammte der Placebo-Effekt auch nur gerade mal eben so in die Signifikanz. Und, wie gesagt, Du musst den Patienten ja ueber die Wirksamkeit von Homoeopathie anluegen, damit der Placebo-Effekt eintritt. Und komme nicht wieder mit dem Placebo-Effekt als Homoeopathie-Effekt; das ist keine zulaessige Charakterisierung; der hat mit Homoeopathie nichts zu tun.

Was meinen persoenlichen Umgang mit solchen Dingen angeht, versuche ich mich halt zu informieren. Zu Ritalin findest du viele Studien, hier z.B. eine Meta-Studie der US-Bundesbehoerde zur Forschung und Qualitaetssicherung im Gesundheitswesen. Falls Dich eher die (psychischen und koerperlichen) Nebenwirkungen interessieren, gibt's da auch separate Studien. Die stinknormalen Beipackzettel-Infos gibt's natuerlich auch.

Der wiederholte Hinweis auf Faelschungen in diesem Gewerbe aendert daran erst einmal nichts. Faelschungen gibt es ueberall, und ich habe darauf hingewiesen. Nur warum Du immer mit dem Finger auf solche Faelle zeigst, als ob das etwas an der grundsaetzlichen Aussage aendern wuerde, dass die meisten, etablierten Tatsachen in der Schulmedizin zumindest groesstenteils adaequat sind, bleibt mir ein Raetsel. Sicher, in der Einzelentscheidung weisst Du nie, ob sie richtig ist; die Statistik ist aber auf Deiner Seite. Bei Dingen wie Homoeopathie ist sie das nicht (uebrigens auch unter Einbeziehung des Plazebo-Effekts), weshalb man sie konsequenterweise ablehnen muss.

Dass manche schulmedizinische Arzneien in der Realitaet oft eine weniger als ideale Wirkung haben, liegt haeufig an mangelnder Compliance der Patienten. Je unangenehmer oder komplizierter ein Einnahme-Regime ist, desto schlechter die Compliance. Das ist aber auch nichts Unerwartetes.

Du fragst mich also, was weniger rational zu denken versuchende Buerger machen sollen? Nun, Hilfe kann man halt immer nur bis zu einem gewissen Punkt leisten. Wer sich nicht helfen lassen will, der will halt nicht.

@Adriana: Das hat glaube ich aber auch mit der Bezahlstruktur im Gesundheitswesen zu tun. Ich war mal beim Arzt wegen etwas, bei dem ich mir nicht sicher war ob's was Ernstes war oder eine Lappalie, und ich denke mal, er war der Ansicht, das geht von selbst weg (ging es dann auch). Allerdings bestand er darauf, mir etwas zu verschreiben. Dabei hatte ich ihm sogar gesagt, dass ich nichts brauche, wenn er meint, das waer nix Schlimmes. Ich glaube, die Beratung ohne folgende Verschreibung wird einfach nicht genuegend bezahlt, so dass man so quasi zwangsweise zum Hypochonder gemacht wird.
 

Chinasky

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Allerdings bestand er darauf, mir etwas zu verschreiben. Dabei hatte ich ihm sogar gesagt, dass ich nichts brauche, wenn er meint, das waer nix Schlimmes. Ich glaube, die Beratung ohne folgende Verschreibung wird einfach nicht genuegend bezahlt, so dass man so quasi zwangsweise zum Hypochonder gemacht wird.

Zu dem Einzelfall kann ich nix sagen. Ein guter Freund von mir, Allgemeinmediziner mit eigener Praxis auf dem Lande (ja, die gibt's noch... :D ), äußert sich allerdings allgemein genau entgegengesetzt. Er kriegt Probleme bzgl. seiner allgemeinen Krankenkassenzulassung, wenn er ein bestimmtes Gesamtbudget an Verschreibungen pro Quartal überschreitet - und ist also für jeden Patienten dankbar, dem er keine Medikamente verschreiben braucht.
 

Turjan

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@Hank: Gut zu wissen. Vielleicht hatte der Arzt die Beobachtung gemacht, dass die Leute nicht mehr wiederkommen, wenn er ihnen nichts gibt. Das koennte eventuell schwerer wiegen als etwas Papierkram mit der Kasse.

Edit: Und meine Erfahrung diesbezueglich ist schon etwas aelter. Ich glaube, ich war 2002 zum letzten Mal beim Arzt in D-Land, und das mit dem Arzt muss noch davor gewesen sein. Mittlere Steinzeit, sozusagen.
 
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Ysrthgrathe

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@Veldryn
Danke. Deine Aussagen zur Wissenschaft fand ich übrigens klasse.
Du bist Biochemiekerin, Pharmazeutin oder so was, richtig? Warst oder bist du in der Forschung?
Ich bin dir nicht böse, wenn dir das zu persönliche Fragen sind und du lieber nicht antworten willst.
 

Chinasky

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Turjan: Es ist alles mal wieder ziemlich kompliziert. :)

Heute gibt's wohl keine absoluten Obergrenzen mehr, dafür aber Zielvereinbarungen, an die sich die Arztpraxen halten müssen. Mein Freund wurde da mal (ist fünf bis acht Jahre her) vor irgendeine Komission gezerrt, weil er wegen einiger Patienten, die besonders teure Medikamente brauchten, mehrfach über diesen Zielen lag. Die Nerven lagen damals blank bei ihm, denn er hatte Angst, da in Regress genommen zu werden. Zwar geschah das nicht, weil er darlegen konnte, dass die Verschreibung der Medikamente medizinisch einfach geboten gewesen war - aber den ganzen Papierkram und die Zusatzarbeit, die das für ihn bedeutete, hat ihm keiner bezahlt.

Ich erinnerte mich bloß daran, weil wir im Freundeskreis mal eine Diskussion darüber hatten, als jemand anders sich sinngemäß äußerte, dass doch "die Ärzte" viel zu viele unnötige und extrateure Medikamente verschrieben, weil sie von den Pharmareferenten bestimmt "hintenrum" Prozente kriegen würden... Na, das wurde ein lustiger Abend! :D
 

Turjan

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Klingt ja berueckend. Da hat man's als Schwerkranker wohl mittlerweile schwer, einen Arzt zu finden, wenn man wechseln muss, weil man dem die Bilanz vermiest.
 

Veldryn

Strauchdiebin
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@Y: Pharmazeutin bin ich, yo. Und zur Zeit leider nur in der Apotheke tätig, was mich nicht mehr zufriedenstellt. Aber nicht mehr lange. Ich suche einen Job im Raum München für analytisch denkende und pharmazeutisch bewanderte Leute, wenn jemand was hat oder jemanden kennt, immer her damit. :D
 

Kraven

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Nachdem hier ein bisschen Ruhe eingekehrt ist, mal eine andere Frage...

Intrauterinpessare sind diese großartigen Verhütungsmittel, die der Frau in die Gebärmutter eingelegt werden und somit eine Schwangerschaft verhindern. In T-Form, in Ringform, was sich halt so findet.

Zitat aus Wikipedia:
Das Wirkprinzip ist nicht bis in alle Einzelheiten geklärt[...]

Okay... das bringt mich zu der Frage, wie, um alles in der Welt, das herausgefunden wurde. Prinzipiell klingt das wie eine "Traust du dich"-Geschichte einer Gruppe von piercingbegeisterten Medizinstudentinnen, aber der Gräfenberg-Ring wurde um 1928 herum entwickelt, und zu der Zeit waren diese glaube ich in einer starken Minderheit.

Also... wie um alles in der Welt kam man auf die Idee? Laut Wikipedia konnte Gräfenberg 1929 eine Studie zu dem Thema vorlegen, in der 1.100 Frauen involviert waren. Wie... woher hat er die hergenommen? Was war da der Ansatz?
"In Ordnung, ich werde jetzt dieses Teil hier Ihre Scheide hochschieben und anschließend schauen, was passiert. For Science!"

Wenn das wirklich die Art und Weise ist, wie damals Wissenschaft betrieben wurde, bin ich gerade im Zwiespalt, ob ich begeistert oder entsetzt sein soll :D
 
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Rhonwen

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Da können möglicherweise die Erinnerungen meiner Adoptivoma helfen:
Schon lange wusste man, dass das Sperma eine Schwangerschaft verursacht. Also wurde diverse Sachen in den Scheidenkanal gestopft, um das Sperma am Durchkommen zu hindern. Oma erzählte von essiggetränkten Tüchern, Moos, Papier, ...
Von da aus zum Pessar war wohl nur ein Schritt, der ein paar Frauen brauchte, die ein unsicheres gegen ein anderes unsicheres Verhütungsmittel zu tauschen bereit waren.
Zwei meiner Omas gehörten zur "Wir nehmen Moos"-Gruppe, mal klappte es, mal musste schnell geheiratet werden.
 

Sir Darian

Ritter des Helm
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Hmmm... *grübel*

Wobei das Wirkprinzip hierbei ja nicht darin besteht, dass das Sperma daran gehindert werden soll, über die Scheide Richtung Uterus zu gelangen, sondern das IUP soll verhindern, dass sich das Ei in die Unterusschleimhaut einnistet.

Nachtrag:

Okay, der Wikipedia Artikel gibt für IUPs auch eine spermizide Wirkung an.
Ich muss zugeben, das höre ich zum ersten mal. Gelernt habe ich das anders. :hae: :wunder:

Und dass ein IUP ein unsicheres Verhütungsmittel sein soll, wäre mir neu. :hae: ;)
 
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Kraven

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Die sind glaub ich sogar die sichersten, weil Anwendungsfehler durch die jeweiligen Sexualpartner vermieden werden (aka der Hauptgrund, warum andere Verhütungsmittel versagen).

Aber genau das mein ich ja: Reguläre Pessare sind seit grauer Vorzeit in Verwendung und operieren nach einem verständlichen Prinzip: Wenn die Spermien nicht durchkommen, gibt es keine Babies. Soweit alles klar.

Intrauterinpessare sind... naja, Kupferspiralen. Die halten von der reinen Konstruktion her absolut nichts auf, die sind nur einfach da und wirken irgendeine düstere Anti-Baby-Magie. Der Gräfenberg-Ring war ein Seidenring, um den ein Silberdraht gewoben war. Das ist keine Medizin, das ist verdammte Alchemie.

"Und so möge um Mitternacht im Lichte des Vollmondes, am dreizehnten Tage eines Monats, an einer Wegkreuzung ein Ring eingesetzt werden, gewoben aus Seide, umfasst von zartem Silber, besprenkelt mit dem Blut einer Ziege und den Tränen eines Schwans..."

Das ist der Gedanke, der mich so fertig macht. Wo kam dieser Gedanke her? Was war da der Ansatz, dass Gräfenberg eines Nachts aufblickte und sagte: "Das ist es! Seidenringe! Nein, keine Seidendeckel! Ringe!"
Und in welcher Opiumhöhle auch immer dieser Gedanke geboren wurde, er muss einflussreiche Gesellschaft gehabt haben, weil scheinbar irgendwer neben ihm, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, sofort wusste, wo man elfhundert Frauen hernimmt, um diese Theorie zu testen.

Denn diese elfhundert Frauen machen mich fast noch mehr fertig als die Grundidee. Elfhundert Frauen, das klingt so, als hätten die Leute damals "Seidenringe!" gehört, und das für vollkommen einleuchtend gehalten. Klar, Seidenringe! Das ist es! Wir müssen das sofort ausprobieren!

Ich bin mir sicher, dass es dazu irgendwo ein detailliertes Buch gibt, aber zumindest auf die Schnelle hab ich dazu nichts gefunden.
 

Ysrthgrathe

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@Veldryn
Da hab ich leider keine Kontakte. Viel Glück bei der Suche! :up:


@Kraven
Finde ich auch interessant.
Über die englische Wiki bin ich auf folgende Veröffentlichung gestoßen:
<a href="http://web.archive.org/web/20060820044102/http://www.contrel.be/Articles%20and%20videos/Pioneers%20of%20the%20intrauterine%20device.pdf">Thiery, Michel (March 1997). "Pioneers of the intrauterine device"</a>

Intrauterine devices (IUDs) were derived from what Marie Stopes (1924) called the interuterine devices, conceived for therapeutic purposes and used in later years for providing contraception.
(IUD = Intrauterinpessar)
Anscheinend hat man zu therapeutischen Zwecken sogenannte "interuterine devices" eingesetzt und dann gemerkt, dass die Dinger auch die Empfängnis verhüten.

Solche "interuterine devices" waren
for example, the metal wishbone spring pessary patented by Dr Carl Hollweg (1902) and the cervico-uterine pessary made of silkworm gut attached to a cervical glass button described by Dr Karl Pust.
Dafür wurde also auch schon Seide verwendet.

Das erste Intrauterinpessar (IUD) war ebenfalls aus Seide:
The device described by Dr Richter was the first genuine IUD. It consisted of two strands of coarse silkworm gut (crin de Florence) wound in a particular pattern

Gräfenberg hat dann wohl Silber eingesetzt, weil es ohne nicht richtig geklappt hat:
Initially, he used star-shaped devices and coils of silkworm gut (1924). Because they were expelled too readily, he conceived the Ring IUD, made of helicoidally wound silver filaments, which still bears his name.
Wie er auf Silber kam? Weil es ein Edelmetall ist, also korrosionsbeständig und außerdem bezahlbarer als Gold oder Platin?

Elfhundert Frauen zu finden war wahrscheinlich kein besonderes Problem. Es gab ja schlicht noch überhaupt kein funktionierendes Empfängnisverhütungsmittel, ausprobieren konnte also nichts schaden.
 
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Turjan

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Bei Silber und Kupfer in dem sauren Milieu der weiblichen Scheide wuerde ich einen Sperma-abtoetenden Effekt durch freiwerdende Ionen vermuten.
 

Falk

ChickenWizzardwing
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@Veldryn: Auch in der Krankenhauspharmazie ist nicht alles heile Welt. Ich beschwere mich zwar häufig, bereue bis jetzt aber noch kein bisschen, diesen Schritt getan zu haben. Hinzu kommt, dass gerade München oder der Süden generell auch stark wissentschaftlich in dortigen Bereichen aktiv ist.

@Rink:
Ich habe immer noch keine klare Aussage von Dir, wie Du die Glaubwürdigkeit einer Quelle im Alltag prüfst z.B., wie Du Wissenschaftlichkeit genau identifizierst, geschweige denn, wie das die vielleicht weniger wissenschaftlich verankerten Bevölkerungsteile (welche englische hochwissenschaftliche Dokumente vielleicht nicht verstehen) tun sollen

Sehr berechtigte Frage. Meines Erachtens bleibt die korrekte und entgültige wissenschaftliche Bewertung den Heilberuflern überlassen. Hier bin ich auch anderer Meinung als Turjan. Die korrekte Auswertung wissenschaftlichen Materials erfordert einiges an Fachwissen. Ich selbst fühle mich in meinem eigenen pharmazeutischen Bereich immer noch als Lernender, über andere Fachgebiete kompetent zu urteilen, übersteigt ganz sicherlich in den meisten Fällen meine Kompetenzen. Insgesamt bleibt es also bei den Ärzten und Apothekern, den Patienten die Chancen und Risiken einer Therapie verständlich zu erläutern, damit Sie zusammen mit dem Patienten eine Entscheidung treffen können (Utopia,ich weiss, aber man wird noch träumen dürfen* ;)).

Die Patienten selbst sind aber auch nicht ganz hilflos und unschuldig. Wir müssen weg vom Denken der risikolosen Heilung. Jede Therapieform bietet Chancen und Risiken!! Insgesamt hat sich diesbezüglich eine stark selektive Skepsis herausgebildet, richtige oder scheinbare Naturheilverfahren werden kritiklos akzeptiert und gezielt vom Patienten gefordert, bei synthetisch hergestellten Arzneistoffen werden Risiken gezielt gesucht oder künstlich eskaliert. Entscheidend ist, dass es diesbezüglich keinen Unterschied gibt. Wer dies als Patient akzeptiert und auch seinem Heilberufler gegenüber deutlich macht, kann gezielter Fragen stellen und wesentlich besser ein Gespräch auf Augenhöhe führen. Abseits von Studien kann ich mich über Patienteninformationsdienste schonmal über die Grundlagen der Erkrankung informieren. Diese Grundlagen sind sicherlich auch nicht immer richtig oder frei von gezielter Irreführung, aber allemal besser, als jeden Mist in diversen Foren im Internet zu glauben. Auch dies erhöht wieder meine Chancen, von meinem Heilberufler als gleichberechtigter Gesprächspartner akzeptiert zu werden. Therapieformen wie unkritische Placebotherapie oder noch schlimmer, als richtige Therapie getarnte Placebotherapien wie die Homöopathie untergraben gezielt dieses Verständnis der Nutzen/Risikokorrelation. Damit gaukeln sie Patienten vor, es gäbe tatsächlich eine Heilung zum Nulltarif (und damit meine ich nicht die Bezahlung der Therapie in Euro)

*Interessante Ansätze dazu bietet das Buch "Das Einmaleins der Skepsis" von Gerd Gigerenzer, so als Literaturtipp.
 

Kraven

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@Y: Das ist irgendwo naheliegend. Man hat das Zeug halt anderweitig benutzt, und die Verhütung war ein Nebeneffekt. Das klingt einleuchtend.

Natürlich könnte man jetzt die Frage in den Raum werfen, warum um alles in der Welt vaginale Seidenringe für therapeutische Zwecke benutzt wurden, aber... herrje, angesichts der horrenden Ignoranz bezüglich des weiblichen Körpers zu dieser Zeit ist es sowieso ein Wunder, dass sich die Menschen damals überhaupt fortpflanzen konnten. Wenn ich mir überlege, dass klitoriale Stimulanz da als ganz großer medizinischer Durchbruch zur Bekämpfung von Hysterie gefeiert wurde... *facepalm* :rolleyes:

Und in die Gedankenschule passen sowas wie Seidenringe super rein. "Depressive Verstimmungen? Schieben sie einfach diesen Seidenring ihren Geburtskanal hoch!" Ich seh das vor mir. Das passt perfekt in mein Bild von der damaligen Zeit :D
 

Rhonwen

Forumsköchin
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Ich habe für mein Post das Pessar (Diaphragma) und das IUP verwechselt.
Das Diapragma wird noch mit Spermientötender Salbe eingestrichen, das IUP (früher Spirale) aus Kupfer gab Ionen (oder sonstwas) ab, die zusätzlich zur Reibungswirkung das Einnisten des Eis verhinderten.
Diese Info kommt von einer 75 jährigen Bekannten, die lange im Sanitäts-Bereich gearbeitet hat und hinter der hand früher auch nach "sowas" gefragt wurde.
 

Ysrthgrathe

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@Kraven
Na ja, tatsächlich hat man damit wohl Gebärmuttervorfälle behandelt. ;)
Dürfte das Bild hier links oben sein?
http://en.wikipedia.org/wiki/Pessary#/media/File:Pessary.png

Heute verwendet man dabei die Materialien Silikon oder Kunststoff. Das gab es damals natürlich noch nicht. "silkworm gut" übersetzt das Wörterbuch als Seidendarm [chirurgisches Nahtmaterial]. Ist doch recht naheliegend, dass man dann so etwas benutzt hat.
 

Kraven

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Aber mein Weltbild! :D

Nee, ist okay, wieder was gelernt. Ist nicht ganz so cool wie die opiumsüchtigen Fachärzte, aber allen Ernstes sehr lehrreich. Danke :)
 

Rink

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@Falk Du hast natürlich absolut recht, einerseits müssen medizinische Fachpersonen Aufklärung bieten und andererseits müssen sich Personen selber informieren.
Mein Problem ist genau das, was sich in der von Ritalin-Studie auf der letzten Seite zeigt: Medizinpersonen sollten sich mit solchen Artikel informieren. Dieser kommt zum Schluss, dass Ritalin nur eine niedrige Effektstärke hat und Other subgroups, interventions, and long-term outcomes were under-researched. Evidence regarding large-scale patterns of diagnosis and treatment compared with endemic rates of disorder was inconclusive.
Mal davon abgesehen, dass die Stichproben aus statistischer Sicht zu klein sind, sagt der Artikel halt, dass es offenbar nicht genug Forschung zu diesem Medikament gibt, welches jedenfalls hier in der Schweiz breit eingesetzt wird. Und warum wird es breit eingesetzt, wenn dies der medizinische Konsens wäre und alle Mediziner sich so informieren?

Ich finde halt, Informationen über Wirksamkeit gehören (als Pflicht) auf die Verpackung von Medikamenten. Das würde auch die Transparenz bezüglich Placebos gewährleisten, weil dann sieht man, was im Regal ein Placebo ist und welche Medikamente welche Wahrscheinlichkeit auf eine Wirksamkeit aufweisen. Aber für das braucht es halt grosse Studien und diese müssen unabhängig gemacht werden und danach öffentlich zugänglich sein, weil "inconclusive" Wirksamkeit finde ich persönlich einfach nicht genügend.
 

Falk

ChickenWizzardwing
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@Rink: Um eine Zulassung für ein Arzneimittel zu bekommen, musst du die Wirksamkeit zwingend in Studien nachweisen! Somit musst du es nicht auf die Packung schreiben, da dies mit dem Wort Arzneimittel bereits geschehen ist. Nur die Homöopathika haben es irgendwie geschafft, den Wirksamkeitnachweis durch diverse Ausnahmeparagraphen im Arzneimittelgesetz nicht erbringen zu müssen. Dann muss nach Vorgabe des Gesetzes zwingend auf der Packung stehen: "Registriertes Homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer Indikation". Denn eine Wirksamkeit bei irgendeiner Indikation konnte bis jetzt keiner der Hersteller nachweisen. Somit ist deine Forderung nach Wirksamkeit auf der Packung seit Jahren gesetzliche Realität, es interessiert aber irgendwie keinen, weder die Patienten, noch viele Heilberufler. Denn nach dem Wort Homöopathisch ist ja irgendwie alles cool Anti-Pharma, natürlich, sanft und weiss was ich nicht noch, wen interessiert dann noch die zweite Hälfte des Satzes, ein Wirksamkeitnachweis ist dann wirklich spießig. :rolleyes:
Edit: Dem Gesetzgeber kann man es also nicht anlasten (bis darauf, dass es die Ausnahmeparagraphen überhaupt im Gesetz gelandet sind). Es bleibt also weiterhin bei der Verantwortung der anderen Akteure: Heilberufler, Patienten und Krankenkasse. Von letzteren bekomme ich keine halbwegs vernünftige Zahnfüllung komplett bezahlt, Homöopathie wird aber mittlerweile in den Leistungskatalog übernommen, um auf Kundenfang zu gehen.

Falls du mit Wirksamkeit einen Nutzen oder Zusatznutzen meinst, schwer umzusetzen. Über diese Themen streiten sich die Experten über Jahre, wie möchtest du das auf eine Packung bekommen. ;)
 
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