@Chib: Genau, endlich geht es den Apothekern mal an die Pfründe
Um vielleicht einmal für Aufklärung zu sorgen:
Es geht um die Preisbindung für verschreibungspflichtige(!) Medikamente. Hier gilt die Arzneimittelpreis-Verordnung in Deutschland. Dank dem Urteil jetzt übrigens nur noch für die inländischen Apotheken, die ausländischen Versandapotheken sind ausgenommen. Laut Preisverodnung bekommt der Apotheker immer 3% des Apotheken-Einkaufpreises plus 8,35€ Beratungsleistung + 0,16 € Notdienstfond. Bei gesetzlich Versicherten Patienten gibt es noch einmal einen Abschlag zu Gunsten der gesetzlichen Krankenkasse von 1,77 €. Was dies für unterschiedlich teure Arzneimittel bedeutet, zeigen zwei
Rechenbeispiele der GKV.
Nehmen wir einmal das teure Krebsmedikament Glivec (eines der Mittel, über das sich die Krankenkasse so arg beschweren).
10.109 € kostet das Präparat, Hersteller und Pharmagroßhandel bekommen davon 8239€ (81%), der Apotheker 254€ (=2,5%). Gevatter Staat kassiert 19% Mehrwertsteuer. Den Apotheker für die hohen Ausgaben der Krankenkassen verantwortlich zu machen, ist leider stark lächerlich, aber ein typisches Klischee. Jetzt könnte man sagen, 254 € ist ja ganz schon viel, um einmal die Schublade aufzumachen. Der eigentliche Vorgang (Beratung und Abgabe in der Apotheke) wird über die immer gleichen 8,35 - 1,77€ abgedeckt. Die 3% sind hauptsächlich für das unternehmerische Risiko vorgesehen. Wenn der Patient sein Rezept einreicht, bestellt die Apotheke zu eigenen Kosten für 8239€ das Präparat. Das Geld bekommt sie erst, wenn das Rezept über ein Abrechnungszentrum mit der Krankenkasse abgerechnet worden ist (ein bis zweimal im Monat). Somit geht der Unternehmer manchmal für einen halben Monat in Vorleistung. Bei Formfehlern auf den Rezepten verweigern die Kassen die Zahlung in der Regel komplett.
Dafür hält der Apotheker seine Apotheke inkl. akademischen Personal vor. Das Präparat wird sogar noch auf Wunsch bis an die Haustür geliefert (Auto, Benzin und Fahrer wollen auch bezahlt werden). Ein besonderer Hohn ist, dass die Apotheker dafür auch noch eines der effektivsten, aber Patienten-unfreundlichsten Sparmaßnahmen der GKV an der Front durchprügeln müssen: Die Rabattverträge.
Über die Meinung mancher Medien, dieses Urteil lässt die GKV-Beitragssätze sinken, kann ich nur herzhaft lachen.
Das waren die Krankenkassen, jetzt kommen die Patienten: In der Presse steht ja jetzt, dass chronische Patienten entlastet werden. Versandapotheken versprechen mindestens 2 € bis maximal 12€ Bonus auf das Rezept. Nicht jeder hat das Geld locker sitzen, daher möchte ich niemanden verurteilen, der bei einer Versandapotheke bestellt. Viele chronische Patienten sind aber sowieso von der Zuzahlung befreit. D.h. sie verdienen diesen Rabatt dann dazu. Dafür helfen vor Ort-Strukturen gerade chronischen Patienten, da sie mit ihrer Erkrankung sowohl beim Apothekenpersonal wie auch beim behandelnden Arzt um die Ecke bekannt sind. Chroniker benötigen nicht bei jeder Rezepteinreichung eine Beratung, da sie für die chronische Erkrankung immer die gleichen Präparate bekommen. Kommen Medikamente hinzu oder wird dringend ein Präparat benötigt, kann man aber meist schneller helfen, als jede Versandapotheke.
Es ist also eine Diskussion wie bei so vielen anderen Themen auch. Möchte ich es billig billig (Geiz ist halt geil!) oder bin ich bereit, für eine Leistung auch zu bezahlen. Der deutsche Verbraucher möchte sein Fleisch für 2,30€ beim Discounter kaufen, echauffiert sich dafür über jeden Lebensmittelskandal. Man geht in den Fachhandel, lässt sich dort beraten und kauft anschließend im Internet beim billigsten Anbieter, natürlich mit Cash-Back. Nachdem die ärztliche Versorgung auf dem Land bereits gefährdet ist, ist es ja nur konsequent, mit den Apotheken weiterzumachen.
Im Grunde kann es mir selbst fast egal sein, denn ich habe mich schon längst gegen die Arbeit in einer öffentlichen Apotheke entschieden (obwohl es eigentlich ein sehr schöner Beruf ist). Der Großteil der mir bekannten Apotheker macht es genauso. Wir selbst benötigen übrigens keine pharmazeutische Beratung. Die Bereitschaft unter den Pharmazeuten, als Unternehmer in ländlicher Region eine Apotheke zu übernehmen, Steuern zu zahlen und gleichzeitig 10-15 Arbeitsplätze zu schaffen ist so gering wie nie. Wie ein Hausarzt findet ein Apothekeninhaber kurz vor der Rente kaum noch einen Nachfolger. Wenn es das ist, was du als Patient möchtest, bitte sehr!