@Chib: Nimm es mir nicht böse, aber wenn man dein Posting so liest, wede ich dich eh schwer überzeugt bekommen. Denn scheinbar hälst du von den Leistungen unseres Berufstandes nicht viel. In einigen Absätzen schaffst du uns eigentlich direkt ab.
Dabei wichtig, da in Foren immer schwer: Deinen letzten Absatz
Ich mag die Pharmazeuten aus dem Forum, und mir ist sehr wohl bewusst, dass es viele Berufsgruppen gibt die weniger sinnvolle Arbeit für mehr Geld machen...
habe ich registriert und auch so verstanden. Habe aber den Eindruck, deine Meinung bildet sich aus Erfahrungswissen und Hörensagen. Wie sind deine Kenntnisse über das deutsche Gesundheitswesen? Daher fühle ich mich ein wenig verpflichtet, den Kollegen aus der öffentlichen Apotheke beizustehen.
Immer, wenn man eine Preisbindung abschafft, profitieren vor allem die Kunden. Für die Anbieter, die effizienter arbeiten, ist es eher ein Nullsummenspiel. Mit Preisbindung haben sie höhere Margen, ohne größere Marktanteile. [...]Warum jetzt eine bestimmte Berufsgruppe allen anderen vorgezogen und durch Preisbindung geschützt werden muss, offenbart sich mir nicht so richtig.
Es ist immer wieder schön, wie sich über die Sonderstellung oder das Privilig gegenüber anderen Verkäufern aufgeregt wird. Apotheker sind aber Kaufmann und Heilberufler. Man kann sie also mit dem Schuhverkäufer, aber auch mit dem Arzt vergleichen. Und auch die Ärzte arbeiten mit festen Sätzen für Ihre Dienstleistung. Die Krankenhäuser haben ein festes Abrechnungssystem. Auch dort gibt es nur einen sehr eingeschränkten Wettbewerb aufgrund des Gutes Gesundheitsdienstleistung. Das dieses Gut etwas anderes darstellt als Gummibärchen, ist glaube ich die Intention hinter Galas Aussage. Und da wir Heilberufler sind, ist unser System streng reguliert. Witzig das uns immer nur die Preisregulation als besonderes Privileg vorgeworfen wird, alle anderen gesetzlichen Pflichten (Arzneimittelgesetz, Apothekengesetz, Betäubungsmittelgesetz, Sozialgesetzbuch), die uns vom Schuhverkäufer unterscheiden, aber nie mit in die Waagschaale geworfen werden.
Und jetzt kommt ein wichtiger Punkt des EUGH-Urteils: Die Preisbindung in Deutschland wurde durch das Urteil nicht abgeschafft! Sie wurde lediglich für ausländische Versandapotheken abgeschafft. Während die also jetzt deutsches Recht umgehen dürfen, muss die deutsche Apotheke sich weiterhin daran halten. Lustigerweise sind die Versandapotheken gerade auch die, die am wenigsten Pflichten aus den oben genannten Gesetzgebungen übernehmen (ein paar kleine Beispiele: Herstellung von individuellen Rezepturen, Notdienst, gesetzliche Vorratshaltung wichtiger Arzneimittel zur Versorgung der Bevölkerung, etc.). Von diesen gesetzlichen Vorgaben profitiert die Qualität für den Patienten, ist für den Apotheker allerdings ein Minus-Geschäft. Kommt das Geld an anderer Stelle wieder herein, klappt es Dank Mischkalkulation trotzdem. Die ausländischen Versandhändler halten sich bewusst aus diesen personalintensiven Pflichten heraus und werden jetzt den Markt mit ihrem Preiskampf -der für die inländischen Kollegen wohlgemerkt verboten ist- ordentlich aufmischen. Dies ist marktwirtschaftlich enorm effizient, ob es auch eine Effizienzsteigerung in Punkto Behandlungsqualität bedeutet, sei einmal dahingestellt.
Punkt: Behandlungsqualität, hier hagelt es ja von deiner Seite viel Kritik. Natürlich darf man das Apothekensystem kritisieren. Da gibt es einiges. Du kritisierst aber sehr einseitig.
Die Beratung übernimmt meiner Erfahrung nach ausschließlich der Arzt, ev. in Kombination mit dem Beipackzettel.
Genau, die Hausärzte fallen total durch ihre umfassende Beratung zu Arzneimitteln auf. Deswegen wissen auch alle Patienten so gut Bescheid, aus welchen Grund sie welches Arzneimittel nehmen. Dies soll allerdings keine Kritik an deren Kompetenz sein, ich möchte mich eigentlich solidarisch zu den Hausärzten stellen. Aber für die paar Minuten, die sich ein Hausarzt pro Patient Zeit nehmen kann, ist sowas leider nicht immer drin. Denn die Beratungsleistung wird leider kaum finanziell honoriert. Beipackzettel schreibt der pharmazeutische Unternehmer nicht für die Patienten, sondern für seine rechtliche Absicherung. Die Dinger muss man lesen können. Wir Pharmazeuten können die Zettel nicht auswendig, können sie aber sehr gut interpretieren (was viel wichtiger ist!). Entscheidend ist, die für den Patienten wichtigen Informationen herauszufiltern. Natürlich ist es nicht immer leicht, den Beratungsbedarf der Person vor uns herauszufinden. Viele Patienten reagieren gereizt, wenn man ihnen die Beratung aufzwängt. Bedeutet Fingerspitzengefühl. Hier hat unser Berufsstand auch noch großen Verbesserungsbedarf. Aber soviel sein gesagt: Auch bei uns gibt es engagierte Kollegen, die gerne und viel beraten. Hin und wieder ist es lohnenswert, als Patient dies auch zu signalisieren.
Lieferungen kommen heutzutage bereits am Folgetag an. Und warum sollen die gängigsten Medikamente nicht auch gleich vom Arzt ausgegeben werden?
Genau, die freuen sich, weil sie ja jetzt schon so viel Zeit für ihre Patienten haben. Wie lange dauert ein Arztgespräch bei dir, eine Stunde weil er sonst so viel Langeweile hat? Ich erwähnte in meinem vorherigen Post die Rabattverträge. Glaubst du die Krankenkassen lassen einen noch die Medikamente nach freiem Gutdünken herausgeben. Ist nicht so wie das Wunschhemd. Eine ärgerliche und kostspielige Pflicht, die einem die Gesetzgebung aufgezwungen hat. Mittlerweile nur noch mit Computerprogrammen zu bewältigen. Die aktuell zu halten kostet Geld. Einspareffekt für die Kassen enorm (sagen sie selbst). Aber wir sind ja so teuer für das Gesundheitswesen
Lieferung am Folgetag klingt gut, die öffentliche Apotheke bietet aber Lieferung am gleichen Tag bis vor die Haustür an (eine Stunde vor Ladenschluss mal ausgenommen). Inkl. 24 Stunden Notdienst. Preiseffizienter ist natürlich die Versandapotheke. Notdienst macht die aber keinen. Im Sinne der gesetzlichen vorgschriebenen(!) Arzneimittelversorgung handelt also die Vorort-Apotheke.
Echte Notfälle werden in aller Regel von Krankenhäusern versorgt. Dauermedikamente kann man ein par Tage früher bestellen.
Hier muss ich leider sehr sarkastisch werden: Realistischer Vorschlag. Natürlich bestellt jeder Patient seine Dauermedikation immer mehrere Tage im Voraus. Wir gehen schließlich alle total strukturiert und geplant durch unseren Alltag. Die Notfallambulanzen im Krankenhaus werden sich natürlich freuen, wenn plötzlich noch mehr Leute dort aufkreuzen, weil sie vergessen haben, ihr Rezept einzureichen. Dann bleibt noch richtig viel Zeit für die echten Notfälle.
Was ist außerdem ein echter Notfall für dich? Der chronische Schmerzpatient stirbt vielleicht nicht, wenn er kein Schmerzpflaster am Freiag abend mehr hat, dafür wird das Wochenende sehr unangenehm. Das zu verhindern, gehört auch zur Versorgungsqualität, die nicht von zwingend von einer Notfallambulanz geleistet werden kann und soll.
Über den Verdienst schreibe ich jetzt besser nicht zu viel, sonst bin ich nachher wieder schlecht gelaunt. Nur so viel: Den Stundenlohn einer Friseurin für eine Minute Schublade aufmachen ist schon nicht schlecht, zumal das unternehmerische Risiko ja über die Marge abgegolten sein dürfte. Summiert sich halt. Und dann verdienen die Medikamentenverkäufer plätzlich doppelt- oder dreimal so viel wie die, die sie entwickeln.
Natürlich kosten wir als Dienstleister Geld. Als akademischer Dienstleister mehr als eine Friseurin. Wenn du dieses System umkrempeln möchtest, viel Erfolg, dann bitte aber nicht nur bei den Apothekern. Ich kann dir versichern, dass wir nicht dreimal so viel verdienen, wie pharmazeutische Industrie. Hier bedienst du meines Erachtens Klischees.
@Matthew:
Ohne die Preisbindung wird es bald keine Filialapotheken mehr geben. Denn die Krankenkassen werden dann ihre Patienten verpflichten, ihre Medikamente bei Online Apotheken zu bestellen, die Vertraege mit den Krankenkassen haben.
Etwas falsch. Ziel ist es, die inhabergeführte Apotheke zu schwächen. Es ist gerade das Ziel der ausländischen Unternehmen, ein Fillialapothekensystem mit einer Kapitalgesellschaft als Inhaber in Deutschland zu etablieren. Da dies derzeit verboten ist, versucht man es jetzt über die Schiene Versandapotheke. Das Verbot einer Apothekenkette wurde übrigens vor einigen Jahren vom EUGH bestätigt, daher mein Post an Gala, dass der EUGH nicht immer gegen die Nationalstaaten entscheidet.
@Darghand:
Wie groß ist denn der Anteil der verschreibungspflichtigen Medikamente, die von der Kasse komplett übernommen werden?
Die Frage ist für die Thematik irrelevant. Du sparst als Patient mit dem Urteil immer. Denn du bekommst immer den gleichen Rabatt. Bei der FSME-Impfe wird er dir vom ganzen Preis abgezogen. Übernimmt die Kasse das Präparat, bekommst du den Rabatt auf deine fünf Euro Zuzahlung. Musst du keine Zuzahlung leisten (weil du z.B. befreit bist), machst du sogar Gewinn.