In den bayrischen Asylbewerber<s>lagern</s>heimen sind 200 Flüchtlinge in den Hungerstreik getreten. Lesen wir, wie sich die zuständige bayrische
Sozialministerin Haderthauer dazu äußert:
SZ: 400 Flüchtlinge verweigern Essenspakete, 200 davon sind im Hungerstreik. Besorgt sie das überhaupt nicht?
Haderthauer: Für mich gibt es keinen objektiven Grund für diesen Protest. Er könnte aber etwas damit zu tun haben, dass der Bayerische Flüchtlingsrat dazu aufgerufen hat, Geld zu spenden. Das hat die Wirkung, dass diejenigen, die die Essenspakete ablehnen, Bargeld erhalten. Inwieweit das einen Anreiz zum Boykott darstellt, stelle ich anheim.
Hungern für Bargeld? In der Logik von Frau Haderthauer schon. Und angenommen, es gäbe tatsächlich Geld vom Flüchtlingsrat, wenn die Essenspakete verweigert werden - warum dann noch hungern, statt einfach Essen zu kaufen? Das weiß Frau Haderthauer natürlich nicht, sie weiß dafür aber ganz bestimmt, dass der Hungerstreik unbegründet ist, denn: ein "objektiver Grund" ist für sie nicht zu sehen. Wie das angehen soll, den subjektiven Leidensdruck objektiv zu bestimmen, bleibt unklar. Immerhin bleibt die Gewissheit: wann zukünftig gehungert werden darf, bestimmt Frau Haderthauer.
Die, die kein Bleiberecht haben und bei denen kein Abschiebehindernis besteht, kann ich nicht aus Unterkünften ausziehen lassen und mit Bargeld versorgen. Das sind keine Flüchtlinge, auch nicht nach den Standards von Menschenrechtsorganisationen.
Den Standards von Menschenrechtsorganisationen? Wenn man die Abschiebebehörden als Menschenrechtsorganisationen bezeichnen will, ist der Satz nicht gelogen. Denn klar ist, dass über Bleiberecht und "Abschiebehindernisse" eben jene Behörden nach
deutschem Asylrecht entscheiden, die auch die Abschiebung von Roma zurück in die Müllkippen oder ihre inzwischen enteigneten Häuser für eine humane "Rückführungspraxis" halten.
SZ: Sie sagen sogar, der überwiegende Teil der Antragsteller missbrauche die Gastfreundschaft, die der Freistaat Bayern den Flüchtlingen gewährt.
Haderthauer: Ich habe harte Zahlen für diese Behauptung. Mehr als zwei Drittel der Antragsteller missbrauchen unser Gastrecht.
Von Sarrazin lernen heißt siegen lernen; der Stammtisch wird's goutieren. Woraus sich diese Zahlen speisen, wird natürlich nicht gesagt, und der*die Interviewer*in traut sich auch nicht weiter nachzufragen. Also reines Ressentiment. Was hängen bleibt ist: zwei Drittel, harte Zahlen. Dem Dummdeutschen reicht das völlig.
Immerhin muss sich Frau Haderthauer in ihrer Haltung nicht allein fühlen. Die christlich-abendländischen Werte beweisen sich an Flüchtlingen durchaus
europaweit.
Noch ein Nachsatz, weil sich die üblichen Kasper landauf und landab mal wieder den Mund fusselig reden über den angeblichen "Fachkräftemangel" in der deutschen Wirtschaft und damit - wenn sie gerade nicht leutselig nach mehr Bildung, also der Unterordnung der Köpfe unter die Kapitalinteressen, verlangen - einen höheren Bedarf an ausländischen Spitzenkräften verbinden: die kommen nicht. Wer seine fünf Sinne beieinander und nicht von der schieren Not getrieben wird, hält sich von diesem schönen Land fern. Undenkbar für diese geistfreien Kreise, dass das etwas mit der Ausländer- und Unterschichtshetze zu tun haben könnte, vom hilflosen Versuch der Etablierung von Leitkulturen, von neuerdings "christlich-jüdischer Geschichte", die freilich und vergessen hauptsächlich aus Pogromen, Mord und Totschlag bestand, mit der Flüchtlingspolitik, mit der Abschiebung auch jener Menschen, die auch dem liberalen Feuilletonleser und Helmut-Schmidt-Fan als "vorbildhaft integriert" gelten. Mehr noch: die besser ausgebildeten Deutschtürken der dritten Generation verlassen Deutschland und versprechen sich in der Türkei eine bessere Zukunft.
Gewünscht hingegen ist der Import von gut ausgebildetem Humankapital, denn für die Kosten dieser Ausbildung und womöglich noch die des Nachwuchses möchte man lieber nicht aufkommen. Man sucht den Fertig-Ausländer, der sich integrieren lässt wie das Zahnrad in die Maschine. Mit was will man solche Leute also anlocken?
Um zum Schluss mal Ignatz Bubis zu zitieren: "Wir Juden gehen schlimmstenfalls nach Israel. Die Türken gehen in die Türkei. Aber wo gehen die Deutschen hin?"