Politik Thread 2. Edition

David

Moderner Nomade
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Bei der iranischen Bombe könnte man in eine ganz ähnliche Situation kommen: Israel wird das definitiv nicht akzeptieren, und soweit ich weiß, gibt es auch Verträge bzw. Absprachen zwischen Israel und den USA, die Israel auch alleine die Initiative zugestehen, wenn die USA nichts machen wollen.

Ich bin sicher, das Israel zumindest schonmal an Plänen für einen theoretischen Alleingang arbeitet, um das iranische Atomprogramm soweit wie möglich zurückzuwerfen.

Und wenn das passiert, gehts nicht mehr darum, ob man mit Dänemark solidarisch ist wegen nen paar Comics, sondern darum, ob man mit Israel trotz eines solchen Angriffs solidarisch ist.
Und da das Existenzrecht Israels außer Frage steht, wird man sich auch im Falle eines Angriffs nicht ganz von Israel lösen können, da es auf sich alleine gestellt weder militärisch noch wirtschaftlich überleben könnte.

Andererseits werden ein paar böse Worte ala "das war nicht nett, das ihr den Iran angegriffen habt" den Mullahs ganz bestimmt nicht reichen, und wir sitzen so oder so mit Israel in einem Boot.

Deshalb gibt es eigentlich kaum einen anderen Weg als die iranische Bombe um so ziemlich jeden Preis zu verhindern, weil sonst Israel das für uns übernehmen wird. Die Frage, wie wir selbst darüber denken (Israelis würden sagen: in halbwegs sicherer Entfernung) spielt also eigentlich gar keine Rolle.

Höchstens insofern, als das ein Militärschlag der gesamten westlichen Welt wenigstens mehr Aussicht auf dauerhaften Erfolg hätte als ein rein israelischer.

Insgesamt keine schönen Aussichten. :(

Ich muss mir nur mal den allerschlimmsten Fall vorstellen:
-Angriffe auf Iran
-Verbündung Irans mit Pakistan->Atombombe ist da
-Militärputsch zugunsten der Extremisten in der Türkei
->Bedrohung direkt vor unserer Tür
-Umsturz in Saudi Arabien->Ölhahn abgedreht
Und dazu wahrscheinlich auch interne Unruhen wie in Frankreich.

Ich hoff, das es nicht soweit kommt, aber die Lage scheint mir doch recht bedrohlich zu sein.

Im schlimmsten Fall schaffen wirs mit religiösen Beleidigungen die verstrittenen arabischen Länder zu einen, was die größte Gfahr wäre. Noch ists natürlich weit davon entfernt, und es sind nur Randgruppen, die groß rauskommen, indem sie etwas randalieren. Aber man darf es auch nicht unterschätzen.
 
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Erian

Anla'Shok
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@Hank
Also soweit ich das hier in diesem Thread gelesen habe (hattest du es nicht selbst dargelegt?), hat JP bewusst eskaliert.

Ansonsten Medien im Allgemeinen: Ja, Medien tragen ganz massiv zur politischen Meinungsbildung bei. Meiner Meinung nach sind Medien an einigen Missständen wenigstens mitschuld, weil sie ihre Macht nicht ge- sondern missbrauchen. Medien haben ganz besonders in einer Demokratie ganz spezielle Pflichten und Verantwortungen. Und - Marktwirtschaft hin oder her - zu diesen gehört nicht Auflagenoptimierung.

Wer bestimmt, was statthaft ist?
Natürlich ist es hier fraglich, wo man Grenzen zieht. Aber die erwähnten freiwilligen Selbstverpflichtungen sind auf jeden Fall ein wirklich guter Anfang. Und davon abgesehen: Wenn ich genau weiß, dass ich jemanden mit dem, was ich sagen will, beleidige, dann sollte ich mir vorher genau überlegen: Warum sage ich das? Was für ein Ziel verfolge ich?
Wenn wir anfangen, Beleidigungen und Provokationen einen Freibrief unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung auszustellen, dann besiegeln wir das Ende von unserem sozialen Zusammenleben.



Findet ihr eigentlich die diversen Aktionen von Stefan Raab auch in Ordnung, wenn er da so seine freie Meinung äußert?
 

Dathor

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@Hank

ich versuch mal ein paar Puzzle-Stücke zur Antwort auf Deine Frage "Was tun?" beizutragen. Es gibt auf jeden Fall kein Patentrezept.

Gestern war Sabine Christiansen ausnahmsweise mal wirklich interessant. Konnte es leider nicht zuende sehen, weil meine Frau aus ihrer Familiengeschichte heraus eine sehr verständliche tiefsitzende Empfindlichkeit gegenüber Arabern hat. Aber immerhin hab ich den Vertreter der dänischen Zeitung gehört, der das Zustandekommen der Karikaturen dargestellt hat. Der Ausgangspunkt war ein der Redaktion bekannter Autor, der ein Kinderbuch über den Islam schreiben wollte. Der Autor hat sich lange vergeblich bemüht, Illustrationen für sein Buch zu bekommen. Der Redaktion wurde das unheimlich: sie vermutete heftige Selbstzensur. Daraufhin schrieb sie 40 Zeichner an und bat sie um Zeichnungen. 12 (!) haben eine Zeichnung beigesteuert. Diese waren (wegen dieser Vorgeschichte?) nun teilweise recht scharf, eine Zeichnung veräppelte auch die Zeitung selbst. Die Zeitung hat alle eingegangenen Zeichnungen veröffentlicht. Monatelang ist offensichtlich kaum etwas passiert.

Erste Schlußfolgerung: es gibt offenbar bereits in Europa bei vielen Menschen eine gewisse übertriebene Vorsicht, bestimmte Merkmale anderer Kulturen zu kritisieren, weil man dann schnell im Verdacht der Arroganz/ Eurozentriertheit/ Imperialismus etc. steht.

Das darf so nicht bleiben. Wir müssen vordemokratische, autoritäre Aspekte anderer Kulturen beim Namen nennen können. Auch wenn es Religionen betrifft. Genauso wie wir unsere eigenen Gesellschaften und Religionen kritisieren und auch veräppeln dürfen.

Dieses Recht (bzw. die Trennung von Staat und Religion) hat sich in Europa nach den blutigen Religionskriegen der frühen Neuzeit entwickelt, nach dem viele der Überlebenden die Schnauze voll von religiösen Begründungen für Massaker hatten.

Es gibt autoritäre Tendenzen auch in unseren Gesellschaften: ich hatte diese "Kreationisten" genannt, die Darwin aus den Schulen rausschmeißen wollen (in Deutschland übrigens unterstützt vom CDU-Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Althaus). Aktuell gibt es den Fall des baden-württembergischen Sozialministers Andreas Renner (CDU). Renner war der CDU-Rechten bereits unangenehm aufgefallen, weil er für den Christopher-Street-Day in Stuttgart die Schirmherrschaft übernommen hatte. Eine Schwulen-Veranstaltung, igitt... Manche Pressevertreter schienen sich danach vor allem dafür zu interessieren, daß Renner einen Ring im Ohr trug. Nun hat sich Renner einen weiteren "Tritt in den Fettnapf" geleistet. Einem katholischen Bischof, der ihm als Sozialminister etwas über Familien erzählen wollte, hat er ungefähr gesagt: "Kriegen Sie selber erst mal Kinder, bevor sie was über Familienplanung erzählen" (Renner selbst hat Frau und Kinder). Auch hier ist erstmal nicht viel passiert, aber vor ein paar Wochen, als der Landtagswahlkampf anfing, hat die CDU-Rechte die Gelegenheit genutzt, gegen Renner zu mobilisieren, und machte ihn für den CDU-Ministerpräsidenten zu einer Last. Renner mußte zurücktreten.

Und außerdem können wir derzeit manche Christen beobachten, wie sie die günstige Gelegenheit des Karikaturenstreits nutzen wollen, um generell in unserer Gesellschaft wieder eine stärkere Position zu bekommen, indem sie ihre Glaubensinhalte als öffentlich "unantastbar" erklären wollen. Man solle das, was anderen Menschen "heilig" sei, öffentlich nicht "beleidigen" (was auch immer das genau sein soll) dürfen.

Zweite Schlußfolgerung: es geht nicht nur um Meinungsfreiheit bzw. Kulturkonflikte nach "außen", sondern auch innerhalb der europäischen Gesellschaften gibt es eine "Heimatfront" mit autoritären Anti-Modernisierern, auf die wir sensibel achten sollten.

Kennt jemand von Euch das Buch "Die gekaufte Braut" von der deutsch-türkischen Soziologin Necla Kelek? Ich fand es sehr interessant. In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, was sie zum Thema "Respekt" gesagt hat. Sie meinte, in der autoritären türkischen Kultur habe das Wort eine ganz andere Bedeutung als in Europa. Während in Europa "Respekt" eine Beziehung zwischen gleichrangigen Menschen bedeute, sei in autoritären Kulturen mit der Forderung nach "Respekt" die Forderung nach Unterordnung gemeint.

Dritte Schlußfolgerung: keinerlei Entschuldigung für die Karikaturen, eine gewisse Härte muß sein. Wenn wir den kindischen und aufgehetzten Reaktionen aus der arabischen bzw. moslemischen Welt nachgeben, signalisieren wir: diese Methode ist erfolgreich. Wir Europäer sind ja oft bereit, wegen unserer kolonialen Vergangenheit Asche auf unser Haupt zu streuen. Manchmal sehen wir vor lauter Asche dann nicht mehr deutlich...

Und nun zum eigentlichen Kern der Sache. Wir sind uns ja einig, Hank, daß der Karikaturenstreit nur die Spitze des Eisbergs ist. Hier kommen tiefgehende globale Konflikte zum Ausdruck. Und meiner Meinung nach ist das erst der Anfang. Wir haben die globale Ausbeutung von Menschen und Natur in historisch neue Dimensionen vorangetrieben. Zwar wächst gleichzeitig die Einsicht, daß wir uns damit selbst schaden und uns begrenzen müssen; aber wächst diese Einsicht schnell genug? Jared Diamond hat in seinem neuen Buch Kollaps z.B. herausgearbeitet, daß der Völkermord der Hutu an den Tutsi in Ruanda als einen wesentlichen Faktor die Umweltzerstörung in diesem Land hatte: die Ressourcen wurden knapp.

Die Industrieländer haben im ewigen Konkurrenzkampf der Menschen die Nase vorn und nutzen das brutal aus. 80% der natürlichen Ressourcen werden hier verbraucht. Andere Länder wollen unseren verschwenderischen Wirtschafts- und Lebensstil nachmachen, siehe derzeit v.a. die rasante Entwicklung von China und teils auch Indien. Deren Entwicklung treibt bereits jetzt die Öl- und Gaspreise hoch. Wenn die den gleichen Mist machen wie wir: das verkraftet die ökologische Nische der Spezies Mensch nicht. Wenn die Ressourcen knapper werden, werden die Konflikte drastisch zunehmen.

Vierte Schlußfolgerung: wir müssen uns um die sechs Siebtel des Eisbergs kümmern, die UNTER Wasser sind.

Heißt: wir müssen selbst auf eine sozial- und umweltverträgliche Wirtschaftsweise umstellen. Und wir müssen das von allen Gesellschaften auf diesem Planeten verlangen - UND ihnen gleichzeitig deutlich mehr Wohlstand ermöglichen. Es braucht eine kulturelle, soziale und ökologische Modernisierung. Im theoretischen Rahmen formuliert, den ich im letzten post angedeutet habe: wir müssen den langfristigen ungeplanten Zivilisierungsprozeß besser verstehen und beschleunigen.

Wie das gehen kann, dafür gibt es viele Vorschläge. Einer der interessantesten ist für mich der "Global Marshall Plan". Kernpunkt: Industrieländer verlangen nicht nur ökologische und soziale Standards von den "Entwicklungs"ländern, sondern leisten auch einen finanziellen Ausgleich für die dadurch entstehenden Wettbewerbsnachteile.

Gestern bei Christiansen sagte einer ihrer Gäste, der Grüne Ströbele, zum Thema Atomwaffen/Iran was Interessantes, was in diese Richtung geht: der Konflikt ließe sich lösen, wenn die USA, die ja seit Jahren dem Öl-Land Iran mit Krieg drohen, gemeinsam mit Europa bzw. der UNO dem Iran Sicherheitsgarantien geben, daß er nicht überfallen wird. Im Gegenzug verzichtet der Iran kontrollierbar auf Atomwaffen.

Hierbei ist das Muster ähnlich wie beim Global Marshall Plan: eine Vereinbarung mit ordentlicher Gegenleistung.

Ich fürchte nur, daß sich das erst durchsetzen läßt, wenn sich das globale Machtgefüge soweit verschoben hat, daß die USA wieder an Macht verliert. Das halte ich für wahrscheinlich, aber es wird wohl eine Zeit dauern, bis wir vom "unipolaren" System wieder zu einem "multipolaren" System kommen.

Kürzlich las ich einen interessanten Spiegel-Artikel: die schwerreiche Elite in den USA, also die Leute, die wirklich massiv Kohle und strategischen Überblick haben, bereiten ihre Kinder auf die Zukunft vor, indem sie ... chinesische Kindermädchen einstellen. Illustriert wurde das am Beispiel eines Freundes des Spekulanten George Soros. Der geht davon aus, daß etwa bis 2040 China die USA überholt haben wird. Und dann soll seine kleine Tochter perfekt chinesisch sprechen... und nicht irgendeins, etwa kantonesisch, nein, sondern Mandarin, die Sprache der chinesischen Elite.

Aber ob wir bis 2040 warten können?
 
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Chinasky

Dirty old man
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Dathor: Erstmal danke für Deine Ausführungen. Die kann ich so - auch von der Tendenz in die Zukunft her - voll und ganz und ohne Vorbehalte unterstreichen und unterschreiben. Ist schon fast witzig, wie Du haargenau das schreibst, was ich auch meine.
Deswegen nur einige kleine Anmerkungen. Bezüglich der Karrikaturen in der Jyllands Posten. Hat der Redakteur auch gesagt, was für die Karrikaturen gezahlt wurde? Meines Wissens hat jeder Karrikaturist 107,- Euro für seinen Beitrag bekommen. Als ich diese Zahl irgendwo las, wurde mir schlagartig klar, warum diese Zeichnungen alle so grottig schlecht sind: Kein selbstbewußter Künstler arbeitet für so einen Hungerlohn für eine doch als rechtspopulistisch bekannte Zeitschrift. Es war übrigens nicht nur eine Zeichnung dabei, welche die jyllands Posten-Redakteure veräppelte: zwei weitere machten sich auch darüber lustig, daß dies nur eine Werbekampagne für den Kinderbuchautoren und dessen Werk sei. Sie spekulierten - und ganz unlogisch ist das wohl kaum - darüber, daß hier nur etwas Aufregung künstlich erregt werden solle, damit das Buch sich besser verkaufe. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich und auf jeden Fall noch kein "Beweis" für in Dänemark herrschende Selbstzensur, wenn von 40 angefragten Illustratoren nur 12 Beiträge leisteten. Denn erstens sind Illustratoren wie alle Künstler tendenziell eher links orientiert (also rein statistisch gesehen, es gibt selbstverständlich auch genügend rechtsorientierte Künstler), zweitens wurde lächerlich gering bezahlt, drittens konnte durchaus angenommen werden, man solle hier nur beim Verkauf eines Kinderbuches Schützenhilfe leisten.
Interessant ist noch für mich, daß ich mir inzwischen wirklich kein Bild mehr über den Kinderbuchautor machen kann. Die einen sagen, er habe ein Buch geschrieben, mit welchem er Kindern den Islam erklären wollte, er sei ein netter Kerl mit aufklärerischem Selbstverständnis. Die anderen sagen, er sei eher fremdenfeindlich und islamkritisch eingestellt, und habe nicht "lustige" Illustrationen für sein Buch haben wollen im Sinne von: "für Kinder lustig". Sondern eben schon eher lustig im Sinne von "veräppelnd". Dazu sagt die eine Seite dies, die andere Seite das. Außerdem wird einmal erzählt, er habe keinen Illlustrator gefunden, dann wieder, der Illustrator habe lediglich anonym arbeiten wollen. Das sind nur Nuancen, denn es kommt am Ende immer noch darauf raus, daß er scheinbar keinen Illustrator fand, der offen für ihn arbeiten wollte. Aber interessant und bedenkenswert finde ich schon, wie verschieden selbst so kleine Details erzählt werden.
Daß der Typ von Jyllands Posten bei Sabine Christiansen beispielsweise gern verschwieg, wie wenig für die Karrikaturen geboten wurde, kann ich mir gut vorstellen. ;)

Was jetzt diese ganz andere Sache mit dem Iran angeht, so gehe ich da mit Ströbele konform. Mein Problem ist nur: über die konkreten Angebote und Forderungen beider Seiten bekommt man in den Medien so verdammt wenig mit. Was genau wird dem Iran angeboten, was genau fordert er? Ich hatte mal von einem "Fachmann" im Radio gehört, der Westen habe sich selbst nicht entsprechend nach den Verpflichtungen durch den Atomwaffensperrvertrag gerichtet. Denn in jenem stehe, daß den Nicht-Atommächten durch die Atommächte technologische Hilfe bei der zivilen Nutzung der Atomkraft geholfen werde. Nun kann ich mir allerdings gut vorstellen, daß die USA einen Deibel tun werden, dem Iran technologische Atomtechnik-Hilfe zu leisten. Sooo lange ist es noch nicht her, daß die US-Botschaft in Theheran zur Geiselzelle umgewandelt wurde.
Die Frage ist also z.B.: Inwieweit haben die Euroäer dem Iran da Hilfe angeboten und auch geleistet?
Genauso bezüglich des Nichtangriffspaktes: Sicherheitsgarantien sollen den Iranern schon gemacht worden sein. Nur: welche genau? Und wie sehen die genauen Forderungen des Iran aus? Beide Seiten behaupten von der jeweils anderen Seite, sich nicht an die Vereinbarungen zu halten. Wer lügt? Lügen beide Seiten? Anzunehmen. Wer lügt aber mehr?...

Bezüglich des CDU-Abgeordneten noch kurz: Wenn ein CDU-Abgeordneter sich über die Kirche/einen Bischof ereifert, wundert es mich nicht, daß man ihn absägt. Er ist ja nicht vor Gericht gelandet seiner Äußerungen wegen, sondern er ist freiwillig zurückgetreten. Weil man als CDU-Mann es sich halt nicht mit der Kirche verdirbt. Das hatte also parteitaktische Gründe, ich sehe da die Meinungsfreiheit in der Gesellschaft nicht bedroht. Wenn ich als Angelvereinsmitglied anfange, öffentlich gegen die grausame Behandlung der Karpfen durch die Angler zu protestieren, fliege ich schließlich auch aus dem Verein... Wer sich für Schwulenparaden und gegen die seltsame katholische Sexualethik engagiert, ist besser bei den Grünen oder der FDP als in der CDU aufgehoben.


@Erian: Ich bin jetzt Deinem Stefan Raab-Link nicht gefolgt. Habe keinen Bock, mich mit dem zu beschäftigen, als nicht-TV-Glotzer habe ich ihn nur ganz selten mal bei anderen Leuten auf der Mattscheibe erlebt. Ich mag seine ganze Art nicht, ich mag diese ganze Art der Unterhaltung, für welche er steht, nicht. Das ist mein Geschmack. Wenn er Leute vorsätzlich beleidigt und Lügen verbreitet hat, dann sollen sie ihn verklagen, und dann bekommen sie hoffentlich auch vor Gericht ihr Recht zugesprochen. Aber gerade der Umstand, daß man hierzulande ja vor Gericht klagen kann, wenn man sich beleidigt und von Rufmordkampagnen getroffen fühlt, zeigt, daß hier die Meinungsfreiheit eben nicht alle Miesheiten abdeckt, sondern dort, wo sie's übertreibt, durchaus Grenzen aufgezeigt bekommt.
 
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Doc Sternau

Chefzwerg
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@Dathor: Kleine Anmerkung, Dieter Althaus ist Ministerpräsident von Thüringen. Der von Meck-Pom heißt Ringstorff.

Zum Kampf um Ressourcen, der mit dem Deckmantel des Kulturenkonflikts geführt wird, kann ich dir nur zustimmen - wobei diese Erkenntnis nicht wirklich so neu ist. :)
 

Wiz

Alter Schwede
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Demonstranten verbrennen Schweizer Flagge

http://michellemalkin.com/archives/images/swiss.jpg

"Schweiz? Dänemark? Ist doch alles das selbe Gesocks!"
oder
"Moment mal, welches war noch mal die dänische Flagge... die mit dem dicken, kleinen Kreuz oder die mit dem langen, dünnen???" :rolleyes:
 

David

Moderner Nomade
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Ist mir auch aufgefallen, aber mal ehrlich, das kann doch die PISA-Generation auch nicht auseinanderhalten. :fies:

Nicht schlecht fand ich auch diesen Staatsbesuch wo die DDR-Flagge aufgezogen wurde statt die der BRD. :D
 

Doc Sternau

Chefzwerg
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@Wiz: Tatsächlich wird der imperialistische Westen nicht großartig differenziert im Nahen Osten - genau wie das für uns eh alles nur Moslems, Araber oder schlicht DIE DA UNTEN sind. :rolleyes:
 
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Eowil

Skeptiker
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Stefan Raab ist derbe und geschmacklos, aber manchmal halt richtig witzig- ein Harald Schmidt für den Pöbel! :) In der modernen Medienlandschaft absolut notwendig, wenn gleichzeitig Talkshows und Dusselland sucht den Superdeppen laufen dürfen. Ich gucks vielleicht einmal im Monat und selten ganz.


Sabine Christiansen! Ich fands auch beeindruckend gestern.

Ralph GIORDANO (jüdischer Publizist)
Richard PERLE (Erzfalke, US-Sicherheitsexperte)
VS.
Bahman NIRUMAND (Publizist, Exil-Iraner)
Hans-Christian STRÖBELE (Vize-Fraktionschef, Die Grünen)

In der Mitte: Friedbert PFLÜGER (Verteidigungssekräter, CDU)

So drastisch muss man die Polaritäten sehen. Wie Dathor berichtete, war das Hauptthema Iran. Ströbele und Nirumand sahen die USA/Israel-Kombo als die Bösen, die überall Krieg verbreiten und unbedingt die Atombombe benutzen wollen- Perle und Giordano sahen dies (überraschenderweise!) beim Iran. Den waren Atombomben-Willigen, Frankreich, hat niemand genannt!! :D Der einzige vernünftige war Pflüger. Wie dem auch sei. Ein sehr interessante Konfrontation. Die für mich wichtigste Konsequenz, die die Sendung informativ machte:
Wenn Iran nicht auf den russichen Kompromis eingeht, wird Israel zwangsläufig angreifen. I
 
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Erian

Anla'Shok
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Stefan Raab habe ich nur angebracht um zu zeigen, dass dieses "absolute Recht" auf freie Meinungsäußerung irgendwo Grenzen haben muss, spätestens da, wo ich auf anderen Menschen rumtrampel. Aber das sollte eigentlich auch nur so am Rande sein...
 

Bragan Benigaris

Korsar und Kavalier
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Zu der Frage, was statthaft ist, und was nicht.

Natürlich ist diese Frage wieder abhängig von gesellschaftlicher Ordnung sowie kulturellem Umfeld, teilweise sogar von individuellen Moral- und Wertvorstellungen. Aber man könnte ja einem erwachsenen Menschen so viel Grips zutrauen, daß er abwägen kann, ob seine wie auch immer geartete Äußerung nun für sein Gegenüber beleidigend ist oder nicht.

Ich selber sehe die Sache halt einfach so:

Dumme Karrikaturen --> völlige Überreaktion/sinnlose Gewalt als sichtbarster Protest--> Großes "Geschrei" um die Pressefreiheit wegen -- ? ;) :D

Der Anlaß gibt für keine Seite, außer den an den extremen Rändern befindlichen Gruppen, einen wirklich guten Grund, sich derart aufzuregen.


@ Dathors Ausführungen

Zum größten Teil gehe ich mit diesen konform, zwei Dinge möchte ich aber kurz ansprechen:

1.) In dem ersten Post zum Thema hieß es:

Die Moslems sind nach dem, was ich den Medien und wissenschaftlichen Untersuchungen über ihre Wertvorstellungen entnehmen kann, in ihrer Mehrheit recht eindeutig dort, wo wir vor der Aufklärung bzw. Demokratisierung waren. Also politisch-kulturell-ökonomisch (im Durchschnitt) irgendwo zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert. Also bestenfalls in Scheindemokratien, ohne die Trennung von Staat und Religion, mit recht kindlichen Vorstellungen von Natur und Gesellschaft usw.

Auf welche "Moslems" bezieht sich diese Aussage?
Ich selbst habe dies im ersten Moment auf die "üblichen Verdächtigen" (Iran, Irak, Syrien usw.) bezogen, auch wenn ich sie generell so nicht formulieren würde (speziell die "kindlichen Vorstellungen von Natir und Gesellschaft" stören mich). Nun ist aber das bevölkerungsreichste islamische Land Malaysia und ein großer Teil Indonesiens und des südostasischen Raumes wird meines Wissen ebenfalls von Muslimen bewohnt. Bezieht sich die Aussage auch auf diese Gruppen? Ich frage aus Neugier, da ich mich zwar mit dem arabisch-islamischen Raum einigermaßen auskenne, aber alles was weiter östlich liegt, bin ich zugegebenermaßen etwas blank.


2.) Zu der übertriebenen Vorsicht bzw. der Angst vor dem Vorwurf des Imperialismus:

Daß man Mißstände beim Namen nennen und verurteilen muß, ja teilweise unter Sanktionen stellen sollte, verstehe ich als Wahrung der Grundrechte ALLER Menschen.
Es ist aber leider, leider so, daß sich die westliche Welt, allen voran die Amerikaner aber auch die Europäer NACH dem 2. Weltkrieg (und damit eigentlich nach Ende des Kolonialismus) durch ihre Handlungen und Politik in der arabisch-islamischen Welt selbst die Galubwürdigkeit genommen hat. Ich lasse hier den Nahostkonflikt bewußt beiseite, obwohl er das Geschehen unterschwellig beeinflußt, und gehe nur kurz auf die Geschichte Irans nach dem WK II ein.

1953 ging der Schah Mohammad Reza Pahlavi in das amerikanische, da er sich dem Ansinnen des Regierungschefs Mohammed Mossadeghs und des gewählten Parlamentes widersetzte, die iranischen Ölquellen gänzlich (und nicht nur 50%) unter staatliche Kontrolle zu stellen. Mit militärischer(!), logistischer und finanzieller Hilfe sowie politischer Rückendeckung der USA putschte sich der General Fazlollah Zahedi an die Macht und setzte den Schah wieder in Amt und Würden. Als dank erhielten die amerikanischen Firmen exklusive Verträge zur Nutzung der Ölquellen.
Getragen wurde diese Revolution von 1953, welche zur Abdankung des Schahs führte, von oppositionellen Gruppen, v.a. bürgerlicher und intelektueller Kreise. Durchgesetzt wurde sie mit politischen Mitteln des damaligen parlamentarischen Systems. Wichtig ist aber, daß m.W. die Bevölkerung eigentlich hinter ihrer damaligen Regierung stand. Erst nachdem diese Revolution gescheitert war, blieben als einzige einflußreiche Opposition gegen den Schah die klerikalen Kräfte, unter deren Führung schließlich die Revolution von 1979 stattfand.

Nach der Gründung der islamischen Republik unterstützten die USA den Erzefeind Irans, den Irak (welcher vorher Verbündeter der UdSSR gewesen war) und trieben die beiden Länder in den ersten blutigen Golfkrieg, welcher beide Staaten wirtschaftlich ruinierte und ca. 1 Million Menschenleben kostete. Und, der Krieg gestattete es den radikalen islamischen Kräften innerhalb des iranischen Klerus (Achtung Differenzierung!), seine Macht zu festigen und andere politische (oppositionelle) Gruppen auszuschalten.

Vor dem Hintergrund derartiger Aktionen kann ich verstehen, daß sich die Leute leichter von extremistischen Gruppen einspannen lassen und auf derart plumpe Aktionen überreagieren. Hier liegt es vielleicht doch an uns, mit einem kühlen Kopf und etwas diplomatischem Geschick an die Sache ranzugehen. Gleiches gilt übrigens auch für Palästina: Die Hamas beherbergt Terroristen und ist für zahllose Anschläge verantwortlich, gleichzeitig ist sie eine demokratisch gewählte Partei. Sollen jetzt die Palästinenser so lange wählen, bis es uns paßt? Oder verlangen wir lieber gleich deren Absetzung und bestimmen einen Führer, der uns genehm ist? Wir werden wohl oder übel mit der neuen Regierung in Palästina den Dialog aufnehmen müssen. Das Daseinsrecht Israels ist unantastbar, aber dafür sind wohl oder übel Gegenleistungen fällig. Und man sollte nicht vergessen: Mit der Sinn Fein saß auch der politische Arm der IRA im nordirischen Parlament (auch wenn die Situation nicht ganz vergleichbar ist) und erst im Dialog ließ sich der Konflikt auflösen.
 

Dathor

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@Hank
interessant, danke für die Hintergrundinfos zu Dänemark *grübel*

Was Du zum Iran-Thema sagst, scheint mir sehr plausibel. "Wer lügt mehr?" *rofl*

@Bragan
lese ich noch! "Essen ist fertig" tönt es grade :)
 

Miriamel

Irrlicht
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Ohne jetzt ganz in die Diskussion einsteigen zu wollen (ich habe noch nicht alles bisher gesagte nachgelesen) wollte ich kurz eine Information aufschreiben, die ich vor ein paar Minuten auf arte gesehen habe.

In einem Bericht über die Reaktionen auf die Karrikaturen in der arabischen Welt wurde über einen (einheimischen) Journalisten in Jornadien berichtet, der in einer Zeitung die Frage gestellt hat, ob es schlimmer sei, im Namen des Propheten eine Hochzeitsgesellschaft in die Luft zu sprengen oder Zeichnungen in seinem Namen anzufertigen. Der Mann sitzt jetzt im Gefängnis.

Ich bin entsetzt.
 

Lisra

Schmusekater
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@Miriamel
Pst, es heißt Jordanien ;)

Aber ansonsten... man sieht, dass sebst in einem für die Verhältnisse liberalem Land wie Jordanien sowas wie Pressefreiheit quasi nicht existiert.
 

Arvin

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Der Unterschied zwischen im Namen des Propheten zeichnen und den Propheten (verspottend) abbilden ist evident. Der Journalist hat polemisiert. Ihn deswegen einzusperren entzieht dem Staat Jordanien aber zumindest die demokratische Legitimation. Das Problem ist nur, dass das dort weniger interessiert. Hauptsache, Gott legitimiert den Staat, der Rest kommt später.
 

Dathor

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@Bragan
Danke für die interessanten Ausführungen!

zu Frage 1: wer ist gemeint?
Ich meinte die vorderasiatischen/ nordafrikanischen Gesellschaften, über die asiatischen Muslims kann ich wenig sagen. Ich vermute aber, daß die Unterschiede nicht allzu groß sind. Und auch über die angesprochenen Gesellschaften bin ich kein Spezialist. Meine Quellen sind weder umfassend noch systematisch. Es sind einzelne sozialwissenschaftliche Untersuchungen, historische Kenntnisse, Presse-Lektüre, meine persönliche Erfahrungen mit dem syrischen Stiefvater meiner Frau sowie ihre Erzählungen über ihre jahrzehntelange Erfahrungen mit diesem Stiefvater und seinem in Deutschland lebenden moslemischen Bekanntenkreis, dazu zwei Syrienreisen meiner Frau, eine davon zu der Familie des Stiefvaters.

Und wen meine ich innerhalb dieser Gesellschaften? Ich wollte meinen post nicht noch länger machen, als er schon ist (es kommt ja vor, daß sich Leute über die Länge beschweren). Deshalb habe ich die Kurzformel "im Durchschnitt" gewählt. Will heißen: wesentlich mehr Menschen in islamischen Gesellschaften vertreten autoritäre und patriarchale Werte, als dies in europäischen Gesellschaften der Fall ist. Eine interessante Quelle dafür ist der European Values Survey, hier ausgewertet in Bezug auf einen Vergleich Türkei - Europa.

Diese (und andere) empirischen Ergebnisse interpretiere ich mit Hilfe der Zivilisierungstheorie von Norbert Elias, die mir ausgesprochen hilfreich dafür scheint.

Generell scheint mir wichtig, nicht von "den Moslems" auszugehen, sondern, wie Du nahelegst, zwischen den verschiedenen Gesellschaften zu unterscheiden, die bei aller Ähnlichkeit doch jeweils spezifische Geschichten/ kollektive Lebenswege hinter sich haben. Und außerdem jeweils in diesen Gesellschaften nach Klassen/ Schichten/ Milieus/ politischen/ "religiösen" Strömungen zu differenzieren.


Zu Frage zwei: Imperialismusverdacht

Ich hoffe, es ist unterhalb der von Dir zitierten Stelle deutlich geworden, daß Imperialismus für mich eine Tatsache ist. Und zwar eine uralte. Der von den USA unterstützte Putsch gegen die Regierung Mossadegh reiht sich ein in viele derartige (subtile oder härtere) Aktivitäten der USA. Bekannt ist beispielsweise der Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung Allende 1973 in Chile, der bekanntermaßen vom CIA unterstützt wurde. Das russische Imperium hat sich (unabhängig von der vorübergehend, also von 1917-1989, anderen ideologischen Legitimierung seiner Elite) nicht viel anders verhalten. Überhaupt haben sich alle Imperien (oder auch Mittelmächte) in der Geschichte ähnlich verhalten. Was ein Grund ist, nicht mit Schaum vor dem Mund gegen die USA zu schimpfen (nicht daß ich Dir das unterstelle!), die "zufällig" derzeit die Spitze der globalen Machtpyramide einnehmen. Sondern die Energie in eine Analyse des zugrundeliegenden historischen Prozesses zu investieren.

Eine Grundtatsache der biologischen Evolution ist die Konkurrenz nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Arten. Sowohl Gruppen als auch Individuen konkurrieren miteinander. Neben der Konkurrenz gibt es auch immer ein Mindestmaß von Kooperation. Bei den Arten, die in Gesellschaften leben, ist es besonders hoch. Beides, Konkurrenz und Kooperation, sind Verhaltensweisen, die es gibt, weil sie sich im Evolutionsspiel bewährt haben: um zu überleben und v.a. sich fortzupflanzen. Und beide Verhaltensweisen haben wir von unseren Vorfahren, den Tieren, geerbt. Das spannende bei uns: unsere einzigartige biologische Ausstattung ermöglicht uns neben der biologischen Evolution als einziger Tierart auch eine kulturelle Evolution. Dabei werden Konkurrenzverhalten und kooperatives Verhalten vielfältig variiert und umgeformt - in eine bestimmte Richtung. Je mehr wir können, desto mehr sind die Mitglieder einer Gesellschaft voneinander abhängig - die technische Entwicklung steigert die Kooperationszwänge. Das ist in aller Kürze das, was dem Zivilisierungsprozeß zugrundeliegt.

Bereits auf der Stufe der Jäger und Sammler haben Menschengruppen um natürliche Ressourcen konkurriert.

Seit es nennenswerte Produktion von Wirtschaftsgütern (über das Überleben hinaus) gibt, also seit der Entwicklung der Landwirtschaft, und beschleunigt seit den Anfängen der Metallbearbeitung (seit es also wesentlich mehr gibt, um das man konkurrieren kann), haben Menschen in diesem ewigen Konkurrenzkampf versucht, die Mitglieder ihrer Gruppe zu unterwerfen. Und seit es Unterschiede im Tempo der Entwicklung gibt (also ebenfalls seit der Entwicklung der Landwirtschaft), haben Menschengruppen (und insbesondere ihre Eliten) ihre Entwicklungsvorsprünge in Vorherrschaft über andere Menschengruppen umzusetzen versucht.

So, das alles :) nur um sicherzustellen, daß Du weißt, daß ich Dir darin zustimme, daß es Imperialismus gibt, und welche Rolle die Europäer bzw. europäisch geprägten Gesellschaften darin haben... *g* Sie waren halt (aus angebbaren Gründen) die schnelleren und deshalb mächtigeren.


Nun zu meiner Entgegnung: ja, es gibt Imperialismus, aber es gibt viele Menschen in den Industrieländern, die daraus die falschen Schlußfolgerungen ziehen. Viele Linke kritisieren einseitig die Eliten, die gerade an der Spitze der globalen Machtpyramide stehen, und verharmlosen die Aktivitäten und gesellschaftlichen Zustände in den machtschwächeren Gesellschaften. Ich vermute, daß hier die allgemeine menschliche Neigung zu Vereinfachung und Vereinseitigung eine Rolle spielt, dazu auch das schlechte Gewissen der relativ wohlhabenden Mittelschichtangehörigen der Industrieländer. In Deutschland ist wegen der besonders gewalttätigen Vergangenheit das schlechte Gewissen besonders hoch. Mit der Folge womöglich besonders großer Einseitigkeiten und Verharmlosungen. Und auf solche Einseitigkeiten war die Textstelle bezogen, die Du gemeint hast. Natürlich haben konservative bzw. sozialdemokratische Eliten, die in ihrer Geschichte das globale Gefälle im Interesse ihrer Klientel genutzt haben, ein Glaubwürdigkeitsproblem. Aber viele Linke und (gesellschaftspolitisch) Liberale haben ein Verharmlosungsproblem. Die trauen sich schlichtweg nicht, die brutalen Seiten der langsameren Gesellschaften (z.B. "Ehren"morde, Zwangsheiraten, Witwenverbrennungen, Mitgiftmorde, selektive Abtreibung weiblicher Embryos, weibliche Genitalverstümmelung etc.) deutlich beim Namen zu nennen und eine Zivilisierung dieser Verhaltensweisen bei MigrantInnen zu fordern. Es fällt Ihnen schwer, beide Seiten, die stärkeren UND die schwächeren Akteure im globalen Konkurrenzkampf, gleichermaßen kritisch zu analysieren.

*sinnier* Gleichgewicht zu halten scheint uns Menschen schwer zu fallen...

Dem, was Du über den Palästina-Konflikt sagst, kann ich zustimmen. Ich würde auch vermuten, daß diese Haltung in Berlin mehrheitsfähig ist (vgl. auch das, was Eowil oben über Pflüger angedeutet hat). Ich selbst würde auch vermuten, daß es für den Zivilisierungs- und Pazifizierungsprozeß in Palästina das Beste ist, daß die Hamas jetzt gewählt wurde. Nun spüren sie die Abhängigkeiten und Kompetenz-Ansprüche des Regierungsamtes, machen neue Erfahrungen, weiten ihren Horizont etwas aus. Außerdem werden sie sich in den Augen ihrer WählerInnen sehr bald entzaubern durch Korruption (endlich an der Futterkrippe...) und anderes. Wenn eines der wesentlichen Merkmale der Demokratie der Regierungswechsel ohne Blutvergießen ist, dann ist allein diese Wahl in sich schon ein Fortschritt. Ein israelischer Intellektueller hat in einem Interview gemeint, die Palästinenser wären die einzige arabische Gesellschaft auf dem Weg zur Demokratie.
 
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Miriamel

Irrlicht
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@ Lisra

Womit bewiesen wäre, daß man entweder fernsehen oder schreiben sollte, nicht aber beides. Ich hoffe mir wird verziehen, wenn ich das jetzt nicht ausbessere.
 

Chinasky

Dirty old man
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Dathor: Auch wenn Deine Antwort nicht an mich ging, sage ich dennoch mal DANKE dafür! Du hast da sehr schön eine Mente Stoff zusammengefaßt und herausgearbeitet, daß sowohl die "Eliten" als auch die "Elitenkritiker" immer teilweise recht haben, teilweise sich in ihren Ansichten irren.
 

Dathor

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@Miri

tja, so ähnlich wie heute in Jordanien war es bei uns vor 100 oder 200 Jahren auch... Heinrich Heine (hey, schau Dir das Portrait an, gut als Avatar geeignet *g*) z.B. ist vor der Zensur oder schlimmerem nach Frankreich ausgewandert... wie viele andere.

Wenn wir dabei sind, der Barbarei allmählich zu entkommen, gibt es also Grund zur Hoffnung, daß auch Jordanien sich allmählich zivilisiert...

/edit

@Hank

*sich verneig* immer gern zu Diensten, Mylord :)
 
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Miriamel

Irrlicht
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@ Dathor

Da magst Du recht haben, aber ich denke das Problem ist, daß zu Heines Zeiten die Welt noch nicht so "vernetzt" war und Staaten nicht die militärischen Optionen hatten, die sie heute haben. :)

[edit]

Und man braucht gar nicht bis Heine zurückgehen, Frank Wedekind wurde 1898 wegen Majestätsbeleidigung angeklagt (er hatte ein Gedicht im Simplicissimus über die Palästina Reise von Wilhelm II geschrieben), floh ins Ausland und kam nach seiner Ergreifung für ein halbes Jahr in Festungshaft.
 
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