Neulich hab ich entdeckt, dass es auf youtube sämtliche Folgen von "Käpt'n Balu & seine tollkühne Crew" gibt (wenn auch in mieser Qualität) und seither schaue ich mich mit Begeisterung durch diese Kinderserie, die ich früher bis zum Auswendig-Mitsprechen mit meinen Brüdern geguckt hab. Es ist einfach herrlich, weil nämlich politisch durchaus fortschrittlich und fast schon subversiv - lauter Attribute, die solchem Käse wie Family Guy gänzlich abgehen.
Ein paar Beispiele zur Untermauerung meiner These, zur Verdeutlichung vergleiche ich hierbei Balu mit der gegenwärtigen Serie "Spongebob Schwammkopf".
1. Im Gegensatz zu Spongebob, der mit seinem "Ich bin bereit!"-Gesinge so eine Art Mischung aus protestantischer Leistungsethik und dem Wahlspruch der Jungen Pionieren aus der DDR vor sich herträgt, ist Balu derbe faul. In der ersten Folge frönt er einem Boheme-Leben im besten Sinne - d.h. er ist selbstständig, hochverschuldet und arbeitet gerade soviel, dass es für ausgiebiges Feiern reicht.
Nachteil: sein Flugzeug wird gepfändet, was dann unmittelbar zu Punkt Zwei führt:
2. ... seine daraufhin auf den Plan tretende Chefin Rebecca (Frauenquote! Emanzipation!), die im Gegensatz zu Mr. Crabs keine stumpfe, geldgeile Ausbeuterin und Schinderin ist, sondern versucht, als gewiefte Geschäftsfrau überhaupt erst Erfolg zu haben und sich deshalb ständig neue und hoffentlich gewinnbringende Ideen einfallen lässt (Anmerkung: zumindest im Spongebob-Kinofilm wird auch durchaus fortschrittliche Geschlecherpolitik betrieben, indem z.B. hegemoniale Männlichkeit durch aufgeklebte Schnurrbärte erst lächerlich und dann obsolet gemacht wird, aber egal...).
3. Während Spongebob als willfähriger Bulletenbräter weniger als den Mindestlohn kassiert, dabei aber immer fröhlich bleibt und also keinerlei Kritik formuliert werden kann, werden die unmittelbaren Folgen des gesellschaftlichen Konkurrenzprinzips bei Balu immer wieder offensiv dargestellt - etwa dann, wenn Rebeccas' wunderbar funktionierende Idee der fliegenden Tankstelle den Inselrastplatz/Strandbar/Tankstelle/Partymeile von Balus' Busenkumpel Louie zu ruinieren droht, was deren Freundschaft arg belastet. Oder in der genialen Folge mit den Robotorpiloten, die die widersprüchlichen Folgen der Automatisierung begreiflich macht (Zuverlässigkeit und geringe Kosten vs. Arbeitslosigkeit und drohende Armut).
4. Es gibt keinerlei funktionale bürgerliche Kleinfamilie (bei Spongebob auch nicht, aber dort wird's gar nicht thematisiert). Kit wird von Balu quasi am Amt vorbei adoptiert und war vorher einfach Vollwaise; Rebecca hat zwar eine Tochter (Molly), aber keinen Mann oder Ersatzvater; Balu ist (vor allem im Gespann mit Louie) ständig hinter Frauen her, die aber immer clever genug sind, nicht drauf reinzufallen - Patchwork lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab!
5. Im Gegensatz zu Bikini Bottom, das kaum mehr ist als eine Häuseransammlung um einen Burgerladen, ist Cap Suzette eine nette Variation einer modernen Metropole, die zeitlich am ehesten in die 30er oder 40er Jahre passen würde - auch vom technischen Stand her (Zeppeline, Propellerflugzeuge, Oldtimer, sich langsam massenhaft vollziehende Durchsetzung technischer Neuerungen...). Regiert (und militärisch verteidigt!) wird die Stadt nicht von einem Bürgermeister, sondern einem rätselhaften, sich in seinem Wolkenkratzer verschanzenden Industrietycoon - Orson Welles lässt grüßen.
6. ... wie man sieht, ist in der kapitalistischen Welt von Cap Suzette längst nicht alles eitel Sonnenschein (organisiertes Verbrechen, Finanzbosse an der Macht usw.) - die Gegenspieler in Gestalt der "Trübanier", einer kaum getarnten Persiflage der Sowjetunion, werden ebenso genüsslich durch den Kakao gezogen, etwa wenn Oberst Kübel beim Besuch in Cap Suzette wehmütig die Exekutionskommandos vermisst. Spongebob hingegen existiert am Ende der Geschichte, ohne jede Systemkonkurrenz und also in der besten aller möglichen Welten.
Nun addiere man noch einiges an Wortwitz und auch im Erwachsenenalter noch lustigen Dialogen dazu (die oft genug an Bud Spencer/Terrence Hill-Klamotten erinnern: "Apropos Orte: waren Sie schonmal in Fausthausen?!"
), einen schönen, detailverliebten Zeichenstil und Abwechslung zwischen den Folgen dazu - schon muss man anerkennen, dass es sich bei "Balu & seine tollkühne Crew" um die beste Zeichentrickserie aller Zeiten handelt (zumindest aus dem Hause Disney).
Wenn ihr eure Kinder fernsehen lassen müsst, setzt sie vor Käpt'n Balu, ohne jeden bemühten reformpädagogischen Krempel gibt's da einiges über das gute Leben im falschen zu lernen.