Hi Alvadea,
ich hab mal wieder Lust auf ein
OP gehabt - hoffe, Du hast nix dagegen.
Mir sind ein paar kompositorische/generelle Dinge aufgefallen. Daher hat mein OP vielleicht nicht so sehr viel damit zu tun, was Du eigentlich erreichen wolltest, sondern mehr zu den exemplarischen Dingen, die mir zu Deinem Sonnenscheinportrait einfielen. Das heißt: je nach Geschmack kann man Dein Bild auch so lassen, ich find's also nicht schlecht, sieh also mein OP nicht als negativ-Kritik an diesem Bild sondern eher als Ideensammlung für die nächsten Bilder dieser Art, die Du noch malen wirst.
1. Bei derartig stark an Fotovorlagen angelehnten Bildern würde ich immer zuallererst überlegen, was man will: will man ein Bild kopieren? Falls ja - dann sollte man es
exakt tun, also nicht nur einen Bildausschnitt nehmen und auch keine Details verändern. Das hat mit dem prinzipiellen Sinn von Kopien zu tun: einmal kann man anhand der späteren Abweichungen erkennen, wie präzise das eigene Auge war. Zum anderen übernimmt man eben alle kompositorischen Entscheidungen des Künstlers, der die Vorlage geschaffen hat: und das hat einen ziemlich starken Lerneffekt (Nachmachen ist viel besser und intensiver, als einfach nur hingucken...). Wenn man die Vorlage exakt übernimmt (also auch das Format) - dann fallen Proportionsfehler auch viel eher auf, als wenn man nur einen Ausschnitt nimmt.
2. Wenn man ein Foto nur als Referenz nimmt, die einem ein paar Aufgaben/Entscheidungen abnehmen soll - dann sollte man sich überlegen, welche dies sind. Ist es die Farbidee der Vorlage? Oder vielleicht nur ein Detail im Gesicht? Oder ein interessanter Lichteinfall? Wenn man sich entschieden hat, die Vorlage "frei" zu verwenden, sollte man zuallererst darauf achten, wo man etwas im Vergleich zur Vorlage
besser machen möchte. Diese eine Stelle war für mich beispielsweise der Anlaß, überhaupt ein OP zu malen, denn ich fand in Deinem Bild sofort einen "Fehler" - den Du allerdings von der Fotovorlage übernommen hattest. Und zwar einen kompositorischen Fehler, wie er bei Fotos häufiger vorkommt, aber bei Zeichnungen/Gemälden nicht gemacht werden sollte: Ich meine die Stelle, wo die helle bl Halskontur in das Kinn hineinläuft. In meinem OP habe ich da den Hals extra einen Tick dünner gemacht, um da in der Konturlinie eine klar erkennbare Richtungsänderung zu bekommen, die eindeutig macht, dass das Kinn räumlich vor dem Hals liegt. Solche "Tangenten", also das Ineinanderlaufen von Konturen unterschiedlicher Objekte, sind die am häufigsten gemachten kompositorischen Fehler bei Zeichnern und Malern(auch bei Anora habe ich sowas schon häufiger angesprochen). Wenn man sich Fotos aufmerksam anschaut, sollte man insbesondere auf dieses Tangenten-Problem achten und sich überlegen, wie man solche Stellen in der Zeichnung abändern kann.
3. Die von Dir verwendete Fotovorlage arbeitet mit einer recht dominant eingesetzten (und für die Bildwirkung sehr wichtigen!) Tiefenunschärfe. Schon beim Kopf selbst ist der Tiefenschärfenverlauf zu erkennen - und der Hintergrund ist stark geblurrt. Dieses Wechselspiel zwischen scharfen und unscharfen Regionen im Bild hast Du in Deinem Gemälde nicht übernommen - ich vermute mal, Du hast es nicht einmal besonders beachtet. Das erkennt man insbesondere daran, daß Du für den Hintergrund einen Texturbrush verwendet hast. Dessen unruhige Struktur zieht unnötig Aufmerksamkeit auf sich - die dann dem Gesicht sozusagen weggenommen wird. Ich habe in meinem OP versucht, einerseits diese Tiefenunschärfe des Hintergrunds als kompositorisches Mittel einzusetzen und andererseits auch bei der Frau selbst noch stärker zwischen scharfen und unscharfen Partien zu differenzieren. So habe ich z.B. bei der Haartolle vorn ein paar einzelne Haare hinzugefügt, während ich die Haare hinten stärker zusammengefaßt und an den Rändern geblurrt habe. Außerdem habe ich die Sommersprossen auf ihrem Dekolletee abgemildert - indem Du sie allzu großzügig verteiltest, hast Du den Fokus auf's Gesicht geschwächt.
4. Deine Farbidee war schwächer als die der Fotovorlage (abgesehen davon, daß Du ihre Haare etwas stärker rötlich gefärbt hast - eine gute Idee!). Die erhöhte Sättigung in einzelnen Bildpartien brachte dem Bild insgesamt wenig, da Du eben überall gesättigte Farben einsetztest und zwar überall ins Rötlich-Orangene gehend. Obwohl Du die Augen grüner machtest als in der Fotovorlage, brachte das nicht viel, weil es sich um ein warmes Grün handelt und auch der Rest des Bildes einen warmen Orange-Stich hat. Auch die Kleid-Träger hast Du in's Bräunliche gehen lassen - dabei bieten sich ja gerade Textilien immer als Gelegenheit, genau die Farben in ein Bild zu bringen, die dort noch benötigt werden.
5. Was mir bei Deinem Bild noch auffiel, war, wie die bl Gesichtskontur da hell in den ebenso hellen Hintergrund ausläuft. In der Fotovorlage war das anders gelöst: dort ist der Hinergrund dunkler und auch farblich kühler. Das habe ich also übernommen. Darüber hinaus habe ich den Shape der Frau durch den Hintergrund noch klarer gemacht: man kann das Helldunkel des Hintergrundes ganz gezielt einsetzen, um die gesamte Silhouette klar hervortreten zu lassen. Du hast da an einigen Stellen fast entgegengesetzt gearbeitet, d.h. den Hintergrund just so gemalt, daß der Shape der Frau verunklart wurde. (br. Ohr und br Kleidträger).
6. Bei der Art, wie Du die Kleidträger gemalt hast und deren Schattenwurf auf die Hautoberfläche, wird klar, daß Du da nicht genügend über die eigentlichen Licht- und Raum-Verhältnisse nachgedacht hast. Das Kleid wirft bei Dir sowohl links als auch rechts Schatten auf die Haut. Aber da das Licht von links kommt, dürfen die Schatten nur rechts zu sehen sein! Solche Schatten von Kleidung auf Haut darf man übrigens dort, wo sie direkt neben hell erleuchteten Hautpartien stehen, gern extrem sättigen - hier kommt der Effect des
subsurface scattering zum Tragen (d.h. das Licht dringt durch die Haut bis auf die Blutgefäße und streut dort in die Schattenbereiche hinein, aus denen dann sozusagen rot gefärbe Reflexionen zurückgeworfen werden.) Generell kann man diesen Effekt einsetzen, um Haut lebendiger erscheinen zu lassen, indem man zwischen hellen und schattigen Hautpartien eine Zone mit erhöhter rötlicher Sättigung malt.