Vorsichtig folgte Tamara, die noch immer in den Schutz der Unsichtbarkeit gehüllt war, jene Ritter, denen Sir Golandorian aufgetragen hatte, Frank, Dynaheir und Quorthon abzuführen. Obgleich sie Komplikationen befürchtet hatte, war selbst sie überrascht, wie skrupellos die anderen aus dem Verkehr gezogen worden waren. Und das ärgerlichste war, dass der Vorwurf, einer Drow geholfen zu haben, fanatischen Paladinen genügen würde, um Folter oder noch Schlimmeres mit den Gefangenen anzustellen. Tamara wurde es heiß und kalt, schon wieder war ein Mensch, der ihr nahe stand, in großer Gefahr. Sie hoffte inständig, dass sie Frank eine größere Hilfe seien würde als ihrem Mentor im Druidenzirkel, der beim Angriff der unbekannten Söldner umgekommen war.
Inzwischen stieg sie eine Treppe in die Katakomben der Ordensfestung hinab, nur einige Fackeln erleuchteten spärlich die Dunkelheit, es war feucht, modrig und kühl. Weiter unten hörte sie stimmen. Die Ritter unterhielten sich mit dem Kerkermeister, der offenbar auch ein Ordensmitglied war. Da die Wirkung der Unsichtbarkeit bald nachlassen musste, schlich sie sich in eine dunkle Ecke, von der sie geduckt die Männer beobachten konnte.
„Interessante Gruppe, was wird ihnen vorgeworfen?“ fragte der Kerkermeister. „Verschwörung gegen den Orden. Auf Befehl von Sir Golandorian werden diese Personen, bis auf Weiteres, eingesperrt,“ antwortete einer der Ritter steif. „Aha, ... ich verstehe. Das habe ich schon mal gehört.“ „Was willst Du damit andeuten?“ fragte einer der Ritter scharf. „Nichts,“ sagte der Kerkermeister ruhig. „Dann geben wir unseren Gästen mal ihr Quartier. Nehmt ihnen Waffen und Ausrüstung ab und legt sie hier ab. Ich verstaue sie nachher.“
Kurze Zeit später saßen die Gefangenen in ihren Zellen, der Gnom war kurz nach den anderen heruntergebracht worden. Der Kerkermeister packte gerade die Ausrüstung der Gefährten in einen großen Schrank. Tamara hörte, wie er ein Selbstgespräch führte. „Pah. Ihr würdet euch sogar zum Fenster rausstürzen, wenn Golandorian es befehlen würde. Speichellecker. Verschwörung... noch fadenscheiniger kann eine Beschuldigung schier nicht sein.“ Der Ritter stand noch immer mit dem Rücken zu ihr und prüfte den Inhalt des Schranks, als die inzwischen wieder sichtbare Tamara sich anschlich. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, den Wächter niederzuschlagen aber ihr war nicht klar, wie sie und die anderen dann noch unbemerkt Quayle befreien und aus der Festung verschwinden wollten. Nach dem belauschten Selbstgespräch verwarf sie endgültig diese Idee und ging das Risiko ein, den Mann anzusprechen. Sie hielt ihren Stab für alle Fälle bereit.
„Ihr scheint nicht alles zu billigen, was in dieser Festung vorgeht.“ Überrascht drehte sich der Ritter um, eine Hand lag auf dem Schwertgriff. Er ahnte wohl, dass die Fremde mit ihren Stab schneller zuschlagen könnte als er kampfbereit war und fragte daher nur, wer sie denn sei. „Mein Name ist momentan nicht interessant, sagen wir nur, ich bin eine Verbündete der neuen Gefangenen. Aus euren Worten vorhin wage ich zu schließen, dass ihr nicht jeden Befehl blind verfolgt.“ Der Ritter musterte sie nachdenklich. „Vielleicht. Was wollt ihr?“ „Momentan möchte ich nur, dass ihr mit dem gefangenen Paladin sprecht. Wusstet ihr, dass er als Botschafter hier ist?“ Langsam schüttelte der Kerkermeister den Kopf. „Na gut, wer immer ihr seid, ihr habt mich neugierig gemacht. Dann hören wir uns mal an, was euer Freund zu sagen hat.“
Er führte Tamara durch den Gang und blieb schließlich vor einer Gittertür stehen. In den angrenzenden Verließen schauten Quorthon und Dynaheir neugierig durch die Gitterstäbe, um den Kerkermeister zu beobachten und beide waren sichtlich erstaunt, die Fremde aus dem Elfgesang zu erblicken. Frank war aufgesprungen und zur Tür geeilt, auf seinem Gesicht stand Furcht, offenbar weil er glaubte, dass Tamara ebenfalls gefasst worden war. Als er jedoch sah, dass sie noch ihren Stab trug, beruhigte er sich. Eine Gefangene war sie also nicht aber was wollte der Kerkermeister nun von ihm?
„Nun Paladin, diese Frau sagt, ihr seid ein Botschafter aus Atkatla. Stimmt das?“ Bevor er die Frage bejahte und sich vorstellte, holte Frank das entsprechende Medaillon hervor und zeigte es seinem Gegenüber. Dieser atmete tief aus. „Mein Name ist Gerald, Sir Frank. Weshalb seid ihr hier?“ Frank erzählte nun dem Wächter kurz von der Entführung Quayles und seinem Zusammentreffen mit Quorthon, Sir Dave und der weiteren Reise. Als er schließlich geendet hatte, wirkte Sir Gerald angespannt.
„Was ihr erzählt ist eine weitere Reihe von merkwürdigen Vorgängen, die seit einiger Zeit hier im Orden geschehen. Das meiste geschah nach dem mysteriösen Zusammenbruch von Lord Demnad Duke, als Sir Golandorian kommissarisch das Amt des Prälaten übernahm. Wisset, ihr seid nicht die ersten, die in letzter Zeit unter dem Vorwurf der Verschwörung eingesperrt worden sind. Die meisten Gefangenen sind jedoch ... verschwunden ... aber wohl nicht entflohen, falls ihr das glaubt.“ Gerald hielt einen Moment inne und schloss die Augen, als ob er über etwas konzentriert nachdachte. „Sir Frank, ich spüre, dass ihr kein gefallener Paladin seid und ich glaube euch. Nicht alle von uns sind Golandorian treu ergebeben, die meisten akzeptieren nur seine Position als Prälat, würden sich aber gegen ihn stellen, wenn es handfeste Beweise geben würde, dass er die Prinzipien des Ordens verrät. Das Problem ist nur, dass ich im Interesse jener, die verdeckt gegen Golandorian arbeiten, euch und eure Gefährten nicht freilassen kann.“ Er blickte Tamara an.
Sie begriff sofort. „Also liegt es an mir, euch Beweise zu liefern?“ Gerald nickte. „Bisher ist es keinem gelungen, unbemerkt Golandorians Gemach zu durchsuchen. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Da ihr es bis hierher geschafft habt, ohne aufzufallen, glaube ich, dass ihr sogar in Golandorians Gemach eindringen könntet. Findet irgendetwas, womit wir die anderen Ordensritter wachrütteln können.“ Tamara legte die Stirn in Falten. „Und im Gegenzug werden die Gefangenen freigelassen?“ „Ja, ich denke, ich kann für Sir William, den Anführer des Widerstands sprechen und euch dies zusichern. Das geht aber nur, wenn ihr brauchbare Beweise findet.“ Sie nickte. „Ich habe keine Ahnung, wie ihr das vollbringen wollt aber ihr solltet in jedem Fall auf die Fanfaren am Abend warten, die das Ende des Tagesdienstes signalisieren. Die meisten Ritter, außer die mit Sonderdienst, so wie ich, gehen dann zum Essen in die Versammlungshalle, auch Sir Golandorian. Die Gänge der Festung sind dann relativ verwaist.“
„Wo liegt Golandorians Gemach, ich meine, von außen gesehen?“ fragte Tamara. „Nördliche Seite, nahe des Turms im dritten Stock. Es gibt zwar ein offenes Fensterchen, aber verzeiht, so schlank seit nicht mal ihr, dass ihr da durchpassen würdet. Außerdem würde es den Wachen bestimmt auffallen, wenn jemand an der Fassade heraufklettert. Nein, ihr müsst es schon innen probieren. Wenn ihr wollt, könnt ihr gerne hier unten auf die Fanfaren warten, hier kommt kaum jemand runter. Ihr habt Zeit bis morgen Mittag, dann werde ich abgelöst. Sollte es länger dauern wird es wesentlich schwieriger für euch, mich zu treffen, also beeilt euch. Viel Glück, ihr werdet es brauchen.“
Die Zeit bis zum Abend verging nur langsam aber Tamara nutzte die Zeit, um sich einen Plan für ihr gefährliches Unterfangen zurechtzulegen. Sie hatte nicht umsonst gefragt, wo sich Golandorians Zimmer befand. Natürlich war ihr klar, dass sie nicht von außen hineinklettern könnte, zumindest nicht als Mensch. Wie schon gesagt, Größe ist nicht alles... . Genau das hatte der Erzdruide Cheros ihr gesagt, als sie ihm sagte, dass sie sich gerade mal in eine Katze verwandeln könnte. Im freundlichen Arm hatte sie sich dafür geschämt, immerhin brachten es erfahrene Druiden zu Bärengestalt oder ähnliches. Aber nun war ihr eingefallen, dass sich diese zunächst unscheinbare Fähigkeit als nützlich erweisen würde. Als Katze könnte sie ohne weitere Schwierigkeiten die Außenwand bis zu Golandorians Gemach emporklettern und niemand würde sich daran stören. Dennoch war ihr ziemlich mulmig zu Mute. Sie hatte nun die Verantwortung für alle anderen und durfte sich keine Fehler leisten. Sie holte das unscheinbare Amulett hervor, zu dessen Hüterin sie nach der Vernichtung des Hains ernannt worden war. Der „Stern des Waldes“ wirkte nach wie vor wie ein schlichtes Schmuckstück, dass wohl jeder Adlige zum Fenster hinauswerfen würde. „Was immer du vermagst, bring mir Glück“ flüsterte sie und küsste das Amulett, bevor sie es wieder unter ihrem Gewand verschwinden ließ.
Endlich war es soweit, aus dem Exerzierhof erklangen laute Fanfarenklänge. Die Zeit war gekommen, das Grübeln hatte ein Ende. Tamara stand an der Tür zum Kerkergeölbe und lauschte. Von überall in der Festung waren Schritte zu hören, vielfältiges Stimmengewirr und hier und da ein Lachen ließen keinen Zweifel daran, dass die Paladine sich nach dem Tagesdienst nun beim Abendessen ein wenig entspannen wollten. Manchmal waren die Geräusche gefährlich nah und Tamara wich einige Stufen ins Dunkel des Kerkers zurück aber niemand kam herein. Das wäre unangenehm gewesen, denn ihren Stab konnte sie nicht mitnehmen. Kleidung und Rucksack würde sie bei der Verwandlung bei sich tragen können, aber auf etwas sperriges wie ihren Stab würde der Zauber nicht wirken. Schließlich war es wieder still auf dem Gang und Tamara wagte sich nach draußen. Nun muss ich nur ein offenes Fenster finden., dachte sie und horchte an einer Tür, nicht weit vom Zugang zum Kerker. Nachdem sie keinen Mucks gehört hatte, fasste sie sich ein Herz und öffnete sie sie und betrat den angrenzenden Raum. Es war ein schlichter Raum mit nur einem Tisch und ein paar Stühlen darin, möglicherweise ein Verhörzimmer. Aber es war Tamara egal, sie interessierte sich nur für das Fenster an der Außenwand. Vorsichtig wagte sie einen Blick nach draußen und war erleichtert, dass niemand zu sehen war. Nachdem sie das Fenster geöffnet hatte, zog sie sich in eine Ecke des Zimmers zurück und konzentrierte sich. Sie murmelte die Worte der Verwandlung und ließ die Kräfte der Natur sich in ihren Körper entfalten. Sanftes, grünes Licht umfing sie und als es wieder nachließ, schien die Welt ganz anders geworden zu sein. Die Zimmerdecke wirkte viel höher, ebenso der Fenstersims. Ein paar Augenblicke waren nötig, bis sie sich daran gewöhnt hatte, eine Katze zu sein. Und los geht’s...
Mit einem Satz war Tamara zum Fenster hinausgesprungen. Das Zimmer war ebenerdig, so dass sie weich im Gras landete. Sie befand sich in einem Innenhof, der zum Exerzierplatz führte. Ein Blick zum Himmel eröffnete ihr auf der rechten Seite die sinkende Sonne, sie befand sich daher auf der Südseite des Ordenskomplexes. Der Antrittsplatz war in östlicher Richtung und schien der schnellste Weg auf die Rückseite der Festung zu sein. Sie lief an der Außenwand entlang als plötzlich dicht neben ihr ein Stein landete. Jemand lachte und machte einen Katzenlaut nach. Ein Wachposten hatte sich offenbar einen Scherz erlaubt und mit einem kleinen Stein nach ihr geworfen, was sie mit einem verärgerten Fauchen kommentierte und einen Zahn zulegte. Ich verstehe ja, dass dir langweilig ist, aber musst du deshalb auf ein kleines Kätzchen werfen? Schnell hatte sie den kleinen Zwischenfall vergessen, denn sie war um eine weitere Ecke gebogen und nun auf der Nordseite in der Nähe des Turms angekommen. Weit über ihr erspähte Tamara die Öffnung, von der Sir Gerald berichtet hatte. Wenn der wüsste, dass ich doch durch dieses Fensterchen einsteigen würde... Das Mauerwerk war rau und wies genügend Spalten, Risse und Fugen auf, um sich einzukrallen. In Windeseile war die Katze Tamara die Wand hinaufgeklettert und stand in der Öffnung. Sir Golandorian war nicht anwesend. Offenbar war auch er beim Abendessen, wie Gerald es gehofft hatte. Eine echte Katze hätte es kaum besser gemacht freute sich Tamara. Nun denn, schauen wir uns mal um. Erneut versank sie in tiefe Konzentration und stand wenige Augenblicke später wieder als junge Frau in Golandorians Gemach.
An der Einrichtung erkannte sie sofort, dass wohl kein Laufbursche oder Knappe in diesem Quartier lebte. Ein Himmelbett mit weichem Kissen und flauschiger Decke lud zum erholsamen Schlaf ein, die Stühle wirkten fast wie Sessel, der prächtiger Kamin spendete behagliche Wärme. Auch der Schreibtisch, die Schränke und Kommoden waren aus edlen Hölzern gefertigt und schienen von exzellenter handwerklicher Machart zu sein. Auf den ersten Blick wirkte das Zimmer nur pompös aber nicht weiter verdächtig. Sir Golandorian schien ein ordentlicher Mann zu sein, nur wenige Papiere lagen auf dem Schreibtisch aber außer uninteressanter Korrespondenz und Routinebefehlen war nichts zu erkennen. Hm..., wo würde ich etwas verstecken, ein Tagebuch vielleicht? überlegte Tamara. Die Schreibtischschubladen erschienen ihr zu naheliegend, also versuchte sie es zunächst am Nachttisch, ohne Erfolg. In einem der Schränke befanden sich Golandorians Prunkrüstung und seine Privatwaffen, in einem anderen bequemere Kleidung. Verdammt, wo könnte es sein? Sie schob die Hosen zur Seite und tastete weiter in den Schrank hinein. Sie berührte Metall und zog eine kleine Truhe hervor, natürlich abgeschlossen. „Großartig, nun brauche ich den Schlüssel,“ fluchte sie leise. „Moment mal, wo ist denn überhaupt das Schlüsselloch?“ Wie sie die Truhe auf drehte, nirgends befand sich eine Öffnung, auf der Vorderseite war nur eine merkwürdige kreisförmige Vertiefung. Die Vertiefung war nicht homogen, sondern zeigte bei genauerer Betrachtung in der Mitte einen Vogel. Tamara stutzte, irgendwo hatte sie das Zeichen doch schon mal gesehen... Natürlich! Sie holte das Amulett des Söldners aus ihrer Tasche und studierte es. Kein Zweifel, es glich haargenau der Vertiefung auf der Truhe. Ihr Herz schlug schneller, als sie das Amulett in die Vertiefung einsetzte, es passte. Ein leises Summen innerhalb der Truhe signalisierte ihr, das irgendwas passiert war. Rasch hob sie den Deckel ... und merkte zu spät, dass sie voreilig gehandelt hatte.
Ein schwarzer Strahl schoss aus dem Inneren der Truhe auf sie zu. Reflexartig hob sie die Hände schützend vor ihr Gesicht und verwünschte ihre Eile. Nun hatte sie wer weiß was für eine teuflische Falle ausgelöst und war gescheitert. Womöglich würde sie die schwarze Magie gleich vernichten. Doch sie spürte keine Schmerzen, alles um herum blieb still. Bin ich etwa tot und habe es nicht gemerkt? Langsam öffnete sie ihre Augen und fand sich immer noch in Golandorians Quartier, vor der kleinen Truhe kniend, die nun offen und ungefährlich war. Ihre Brust fühlte sich plötzlich heiß an. Tamara fasste unter ihr Wams und berührte den „Stern des Waldes“. Von ihm schien die Hitze auszugehen, nicht von einer Verletzung durch den schwarzen Strahl. „Offenbar hat das Medaillon die schwarze Magie aufgesaugt. Oh, Mächte der Natur, ich danke Euch!“ Unendlich erleichtert widmete sie sich wieder der Truhe. Im Inneren befanden sich eine Glaskugel, sonstiges Zauberergerümpel und ein paar kleine Bücher. Tamara grinste triumphierend und schlug eines der Bücher auf. Doch das Lächeln verschwand schnell, als sie die Einträge in Golandorians Tagebuch überflog. Sie hatte es ausgerechnet auf der Seite aufgemacht, wo dieser den Auftrag einer Söldnergruppe beschrieb, einen Druidenzirkel auf der Suche nach mächtigen Artefakten zu überfallen. Doch der Eintrag war einige Monate zurück. Hatte er noch mehr Druiden auf dem Gewissen? Golandorian beschrieb auch die Aktivitäten des Kults der Krähen, wie dieser irgendwo tief unter der Festung im geheimen operierte und den Orden unterwanderte.
Obgleich sie die grausige Lektüre fesselte, riss sich Tamara los und stopfte das Tagebuch in ihre Hose. Sie durfte keine Zeit verlieren. Schnell schloss sie die Truhe und zog das Amulett aus der Vertiefung. Anschließend stellte sie die Truhe in ihr Schrankversteck zurück und schob die Kleidung so zurecht, wie sie sie vorgefunden hatte. Ein letzter Blick durch das Gemach... ja, sie würde es verlassen, ohne Spuren zu hinterlassen. Rasch verwandelte sie sich wieder in ihre Katzengestalt und verschwand auf gleichem Wege aus dem Quartier des Prälaten, wie sie auch schon gekommen war.
Der Rückweg verlief ohne Komplikationen, es war inzwischen leicht dämmrig. Sogar das Fenster in dem vermeintlichen Verhörzimmer war noch offen, anscheinend hatte niemand den Raum betreten. So dauerte es keine fünf Minuten, bis Tamara wieder im Kerker war und auf Sir Gerald traf. „Schon wieder zurück?“
„Ich habe, was ihr wollt. Ein Tagebuch aus Sir Golandorians Feder. Doch zunächst, sagt euch der Kult der Krähen etwas?“
Sir Geralds Mine verfinsterte sich. „Das ist ein sehr unangenehmes Kapitel für unseren Orden gewesen. Es war ein ziemlicher Kampf, bis der Kult damals zurückgeschlagen werden konnte. Er operierte im Dunklen und wollte die Kontrolle über Tiefwasser und das umgebende Land erlangen.“
Tamara nickte grimmig. „Sieht so aus, als gäbe es eine Fortsetzung. Bitte seht selbst, ziemlich unschön, was euer Prälat so im Schatten treibt.“
„Das ist zweifellos Golandorians Handschrift,“ murmelte Sir Gerald. Ein paar Einträge genügten, um ihn zu erschüttern. „Ich muss sofort zu Sir William, wartet hier.“
„Könnt ihr denn einfach euren Posten verlassen?“ widersprach Tamara. „Nun, auch ein Wachposten im Kerker darf sich eine Stärkung holen. Ich bin sofort zurück.“
Kurze Zeit später kehrte Sir Gerald mit einem weiteren Paladin zurück. Dieser wirkte deutlich älter und würdevoller. Er hatte schwarze Haare, in denen sich hier und dort auch schon ein Graues befand. Sein Gesicht zeigte einige Falten, doch die Augen wirkten entschlossen. Er nahm das Tagebuch entgegen und auch bei ihm verfehlte es nicht seine Wirkung. „Sir William, das ist die Frau, die das Tagebuch besorgt hat.“
„Gräfin Tamara von Schneefels, sehr erfreut, Sir William, Sir Gerald.“ Der ältere Paladin schüttelte ihr die Hand. „Das sind wahrlich beängstigende Neuigkeiten aber vielleicht bietet sich uns jetzt die Möglichkeit, eine offene Rebellion gegen Sir Golandorian zu organisieren. Sir Gerald hat euch in meinem Namen die Freiheit eurer Kameraden zugesichert. Ich werde im Dienstplan eine Änderung vornehmen, sodass zumindest morgen noch einmal einer von unserer Widerstandsgruppe die Kerkerwache übernimmt. Meistens lässt Golandorian die Gefangenen eine Weile schmoren, bevor er sich ihnen widmet. So wird es zumindest nicht gleich auffallen, wenn die Zellen leer sind. Die Sache kommt ins Rollen, die nächsten Tage und Stunden werden entscheidend sein.“
Gleich darauf wurden Frank, Dynaheir und Quorthon freigelassen und standen dankbar zusammen mit Sir Gerald, Tamara und Sir William um den Tisch der Kerkerwache versammelt, gespannt, wie es nun weitergehen würde. Doch was war das? Dynaheir folgte noch ein kleines Wesen... ein Kreischling.