@ Rote Zora:
Das ist genau mein Punkt: Diese Flüchtlinge sind anders als viele Migranten, die hier einfach nur rumhängen, weil sie zuhause auch keine tollen Perspektiven haben. Aber sie werden behandelt wie Dreck. Das ist echt bitter.
So, wie Ihr es bei Euch im Dorf macht, ist es wohl optimal: Kleine Gruppen (Du schreibst von einer Familie), um deren Integration man sich ernsthaft kümmert. Wenn es sich dann tatsächlich um Flüchtlinge handelt, die "anders als viele Migranten" sind, dann...
Aber was genau für Leute da in ein Flüchtlings-Heim kommen, wissen die Anwohner häufig eben nicht. Und es ist ein Unterschied, ob ein Asylanten-Heim in einer Großstadt wie Berlin in einem sozial schwachen Viertel eingerichtet wird, oder ob einzelne Menschen oder kleine Gruppen in prosperierende ländliche Gebiete kommen.
Das Problem, daß die Integration von Flüchlingen nicht gründlich genug angegangen wird, besteht in Deutschland ja nicht erst, seit in Berlin die NPD mal wieder eine Chance wittert. Das zieht sich eigentlich durch die letzten Jahrzehnte - schon noch zu meiner Schulzeit, die über ein Vierteljahrhundert her ist, wurden Integrationsprobleme von Flüchlingen im Unterricht thematisiert... Es hat sich nicht viel verändert. Abgesehen davon, da ausgerechnet die sozial schwachen "Deutschen" jetzt inzwischen ein Vierteljahrhundert lang die Probleme mit den Flüchtlingen/Ausländern erleben, die es nun mal gerade in bestimmten großstädtischen Regionen so gibt. Da treffen mehrere Faktoren zusammen: erstmal die Angst der Einheimischen, ihnen würden die Zuwendungen, die man den Flüchtlingen zukommen läßt, von "ihrem Anteil" an den Sozialleistungen abgezwackt. Sozialneid ist ja ausgerechnet unter den Armen besonders verbreitet. Zweitens die mangelnde Bildung der betreffenden "Einheimischen" (ich nenne die jetzt mal schön Neudeutsch "White Trash" - Ihr wißt, wie das gemeint ist). Wie sollen ausgerechnet die schön differenzieren können, welche Flüchtlinge "anders sind als andere Migranten"? Für die sind das alles schwarzhaarige, vielkindrige "Kuffnucken", die kein Deutsch können und "unsere Frauen belästigen". Ob Irakischer Kriegsflüchtling oder rumänischer, ungarischer oder bulgarischer Zigeuner (Roma, Sinti...) - wie soll man die voneinander unterscheiden? Der white Trash wird weder darüber aufgeklärt, was genau da jetzt für Asylanten kommen, noch wie die Planung für deren zukünftigen Verbleib (sollen die abgeschoben werden? Sind sie nur auf der "Durchreise" und werden bals als politische Flüchtlinge anerkannt und verschwinden dann wieder?) aussieht.
Drittens hat der white Trash nun mal seit Jahrzehnten mitgekriegt, wie ethnisch geprägte Territorien entstehen, in denen der white Trash selbst zur Minderheit wird. In Berlin kenne ich mich nicht so aus, aber in Wuppertal, Köln oder im Ruhrgebiet gibt es Viertel, in denen Frauen ohne Kopftuch schon die Ausnahme sind und die Gespräche auf der Straße überwiegend nicht-deutsch geführt werden. Die "Angst vor der Überfremdung" ist für den white Trash in solchen Gegenden nicht unbegründet, sondern durch langjährige Erfahrungen zu verstehen. Erfahrungen, sich in seiner Heimat nicht mehr heimisch zu fühlen, weil aus einem deutschen Soziotop ein griechisches, russisches, türkisches oder arabisches Soziotop wurde.
Was der white Trash inzwischen "gelernt" hat, ist die Anwendung des Dammbrucharguments auf den Zuzug von Ausländern. Wenn erstmal eine Wohnung im Block von einer Ausländer-Familie bewohnt ist, dann kommen bald weitere Ausländer-Familien hinzu, dann ist schon bald "kein Halten mehr". Daß dies insbesondere auch mit wirtschaftlichen Gründen (niedrige Mietpreise ziehen bestimmte Gruppen halt besonders an) zu tun hat, weiß der white Trash vielleicht nicht oder vielleicht weiß er es, merkt aber, daß es auf dasselbe hinausläuft.
Es ist einfach, verächtlich auf den white Trash herabzublicken. Aber dessen Existenz hat ja ihre (wirschaftspolitisch und bildungspolitisch) strukturellen Gründe.
Unsere Eliten jedenfalls wohnen nur in denallerseltensten Fällen in Wohnblocks, wo sie links und rechts irakische, libanesische, türkische oder rumänische Großfamilien mit arbeitslosen Eltern und überreichlich Kindern, deren Erziehung das TV übernimmt, als Nachbarn haben.
Gerade bin ich bei meinen Eltern auf dem Lande zu Besuch. Wir haben im Dorf auch drei Familien mit Migrationshintergrund - die einen kommen aus Vietnam, die anderen aus der Türkei und dem Libanon. Mit denen gibt's keine Probleme, im Gegenteil bereichern sie dem klassischen Multikulti-Ideal gemäß die Gegend ein bisserl. Die Väter haben gutbezahlte Jobs, die Kids sprechen besser Deutsch als die Eltern ... Tja, aber bei 3,7 Prozent Arbeitslosigkeit in der Samtgemeinde und geschätzt höchstens 5 Prozent Ausländeranteil in den Schulen ist Integration auch ein Klacks.
Hier gibt's sogar noch Wohnraum, da die niederländische Armee vor ein paar Jahren ihre Garnision schloß und seither händeringend Nachmieter für deren Soldaten gesucht werden... Aber die Asylantenheime werden woanders eingerichtet, warum wohl bloß?