@ Hank
Dazu hab ich jetzt aber keine Lust mehr, denn Du unterstellst mir hier Rassismus mit dieser "überleg dir mal"-Aufforderung, und ich werde den Deibel tun, mich dagegen zu verteidigen.
Zunächst einmal: es hat schon seinen Grund, weshalb ich Sarrazin und den kurzen Rassismus-Exkurs in zwei getrennte Posts gepackt habe - um sie getrennt auszuhandeln und ich eben
nicht davon ausgehe, dass jeder, der in Sarrazins' Aussagen etwas Richtiges erkennt (das schaffe sogar ich) der gleichen Denkrichtung zuzuordnen wäre. Zweitens: an einem "überleg dir mal" führt kein Weg dran vorbei, nicht nur, weil das Beispiel, das du selber anführtest, aus deinem persönlichen Leben stammte, sondern weil es um (automatisierte) Denkprozesse geht, die einem selber gar nicht bewusst sind. Und eben weil das der Fall ist kommt es im weißen Bewusstsein auch erstmal nicht vor, dass gewisse Fragen und Vorschläge strukturell rassistisch sind, ohne das derjenige, der sie äußert, rassistisch sein möchte oder sich selbst so bezeichnen würde. Von den Weißen, die ich kenne und die sich ansatzweise mit (ihrem)
Weißsein beschäftigt haben, war niemand dabei, der nicht derartige unbewusste Prozesse bei sich festgestellt hätte. Und ich komme eher aus der Ecke, in der ein unbedingter Antirassismus zum Mindeststandard gehört...
Die Bahn-Geschichte, die du zum Besten gegeben hast, entspricht in Teilen einfach der prototypischen Unterhaltung von weißen und schwarzen Deutschen. Logischerweise kenne ich nicht das gesamte Gespräch; eben deshalb die Aufforderung mal kurz Nachzudenken - meinen Absatz, den ich vorausahnend zur Entschärfung eingefügt habe, hast du offenbar übersehen. Ansonsten hättest du wohl nicht so reagiert, wie du reagiert hast.
Es geht halt um Gespräche wie sowas hier:
Weiß: Und wo kommen Sie her?
Schwarz: Aus Bergisch-Gladbach.
W: Nein, ich meine: wo kommen Sie wirklich her? Wo sind sie geboren?
S: Ich wurde in Bergisch-Gladbach geboren.
W: *verwirrt* Ach, tatsächlich? Aber ihre Mutter oder ihr Vater, die sind nicht von hier, oder?
S: *genervt* Nein, man Vater kommt aus Kenia.
W: Und, waren Sie denn schon in Kenia?
S: Nein, wieso?
W: Na, ich dachte so... halt mal die eigene Kultur und die Familie kennenlernen.
S: Ich habe keinen Kontakt zur Familie meines Vaters.
Menschen, die sowas äußern, würden sich vermutlich nie als rassistisch bezeichnen. Sie sind ja bloß höflich-neugierig. Aber es stecken genügend Grundannahmen drin, die rassistisch sind:
- der Mensch ist schwarz, er*sie kann also kein*e Deutsche*r sein
- es ist völlig okay, wildfremde Menschen nach Eltern und Großeltern auszufragen (wer macht das bei Weißen?)
- wessen Vater/Mutter aus einem afrikanischen Land kommt, fühlt sich selber dort wohler, versteht die dortige Mentalität und mag deren Kultur --> er*sie passt nicht in die deutsche Kultur
- es ist selbstverständlich, dass Schwarze Deutsche "ihren eigenen Leuten da unten" helfen wollen & sollen; jeder soll ja erstmal vor der eigenen Tür kehren...
Ich weiß nicht, wieviele Umwelt- und Energietechnikstudenten du so in der Bahn triffst, und mit wie vielen davon du dich über deren Berufsaussichten unterhälst und ob sie nicht Interesse an technischer Aufbauhilfe hätten. Wenn du das bei allen so machst, wunderbar, dann hätte ich mir die Posts auch sparen können. Wenn du aber, wie die allermeisten Weißen, feststellst, dass bei Fragen, die du geäußert hast, der Anknüpfungspunkt oder Auslöser ganz klar die Hautfarbe war, ist die Frage erlaubt und notwendig, ob das nicht strukturell rassistisch und übergriffig war. Es ist davon auszugehen, dass Schwarze Deutsche selber von derartigen Fragen genervt sind, denn es stempelt sie immer als
Andere ab, die
irgendwie hier doch fremd oder unpassend sind.
Sofern das am eigenen Stolz als offener, toleranter, rassismus-verurteilender Mensch kratzt: das ist kein persönlicher Angriff, sondern eine Infragestellung von Denkkategorien, die man sich als Weißer angewöhnt hat, ohne das zu merken. Wie gesagt, es geht um die Sichtbarmachung eines Bewusstseins und der Umstände, die dieses Bewusstsein hervorbringen. Und daran anschließend an die Sichtbarmachung der zahlreichen Privilegien, die Weiße so genießen.
Ein paar Links:
Weißsein bei wikipedia
Der Braune Mob
Deutschland Schwarz-Weiß
Kanak Attak