<b>Grenze zu Schwarz-Tobrien; Irgendwo im Hügelgebiet südlich der Misa</b>
Der Morgen kroch zögerlich über die Gras bewachsenen Hänge der Hügel. Man hatte den Eindruck, als fürchtete Praios den Anblick, der sich ihm böte, wenn er sein Schild weiter westwärts richtete.
In einer kleinen Senke erkalteten langsam die Überreste eines kleinen Feuers, an dem sich zwei Wanderer zur Nacht niedergelegt hatten.
Während der Eine fest in seine Decke eingerollt dalag, ein Schwert und einen dreiklingigen Dolch neben sich liegend, lehnte der Andere an einem kleinen Baum, eine große Doppelaxt auf den Knien, über deren Blatt er versonnen einen Schleifstein zog.
Thorin war sich sicher, dass er die Axt noch vor Ablauf des nächsten Tages brauchen würde - es war bisher immer so gewesen, wenn er in die Schwarzen Lande gegangen war.
Doch diesmal war es anders. Bisher sollte er nur kleine Gruppen von Zwölfgöttergläubigen Kämpen in die Überreste dessen bringen, was einst das Herzogtum Tobrien gewesen war. Kurze Komandounternehmen, schnell rein, schnell zuschlagen und wieder raus, das war bisher ihre Taktik gewesen aber das hier...
Vor nichtmal vier Tagen hatte er noch in Perainefurthen gesessen und seinen Sold in Bier angelegt, doch dann war dieser... dieser... Gecke aufgetaucht.
Kurz darauf hatten sie ihn zum Kanzler Delo von Gernotsborn gerufen. Dieser hatte ihn ohne großes Federlesen von seinen bisherigen Aufgaben entbunden und ihm diesen...diesen... <i>Kavalier</i> zur Zeite gestellt. Auf seine Frage, was denn das Ganze solle, hatte er ihm wortlos ein Schreiben überreicht, das Siegel von Hochkönig Albrax persönlich zierte es und dieser verlangte ausdrücklich, dass Thorin Felshammer, ehemals Weibel der Kor - Knaben bei der Schlacht an der Trollpforte, den Brillantzwergen Calaman, Sohn des Athax, in die Ruinen von Lorgolosch geleite und ihn heil wieder aus Tobrien herausführte.
Alles hatte nach einem etwas ungewöhnlichen aber nichts desto trotz verhältnismäßig einfachen Auftrag angehört - bis er den ersten Tag mit Calaman verbracht hatte.
Thorin seufzte, als er auf den schlafenden Stutzer blickte; wenigstens hatte er ihm diese völlig hirnverbrannte Tuchrüstung ausreden und ihn in ein vernünftiges Kettenhemd stecken können.
Es stimmte was die Alten im Amboss sich erzählten, ein Jahr im Lieblichen Feld machte sogar aus dem hartgesottensten Zwergen ein Würstchen! Und Calaman hatte mehr als fünf Jahre dort unten verbracht!
Wenigstens konnte er mit seinen Waffen umgehen.
Thorin legt des Felsspalter beiseite, den er in jugendlichem Überschwang 'Thorins Zorn' getauft hatte und ergriff die große Armbrust, die er feinsäuberlich zerlegte, reinigte und wieder zusammen setzte, während der Praiosschild langsam über die Hügelkuppe kroch.
Gerade hatte er die schwere Armbrust wieder an den Baum gelehnt und sich erhoben, um Calaman zu wecken, da drang ein leises Geräusch an seine Ohren.
Lauschend hielt er inne, war da nicht das Rumpeln eines Wagens gewesen?
Richtig, auf der anderen Seite knarrte es leise und ein Pferd wieherte kurz.
<i>"Ah, Sire, ist es an der Zeit, aufzustehen?"</i>
Thorin zuckte bei den Worten Calamans zusammen, das Gesieze ging ihm schrecklich auf die Nerven.
<i>"Schsch! Sei ruhig, auf der anderen Seite des Hügels ist jemand!"</i>
Sofort war der andere Zwerg hellwach, ohne ein Geräusch zu verursachen, glitt er aus dem Kettenhemd, hatte die schweren Stiefel abgestriffen und war lautlos wie eine Natter den Hügel hinauf geglitten.
<i>"Hmm, scheint, als wäre der Junge doch nicht so unfähig..."</i>, brummte Thorin, als er Felsspalter und Armbrust ergriff und auf die Rückkehr des Gefährten wartete, während er einen Bolzen in die Armbrust lud.
Nach etwa fünf Minuten kam Calaman von seinem Spähgang zurück. Er grinste bis über beide Ohren.
<i>"Sagt Thorin, seid ihr bereit, euren Heldenmut und die List des Krieges zu beweisen?"
"Junge, ich sag dir das nicht nochmal, du sollst mich duzen!"
"Wie ih...du wünschst, Sire!"</i>
Thorin seufzte: <i>"Also, was hast du gesehen?"
"Nun, es sind wenigstens drei Dutzend dieser dreckigen Dungsammler, die in Diensten des schleimigen Haufens Auswurf namens Galotta stehen. Sie haben eine junge Lady bei sich, offensichtlich gefangen, denn sie schmachtet in Ketten geschlagen in ihrem rumpelnden Gefährt dahin und harrt ihrer Befreiung!"</i>
Thorin kratzte sich an seinem Bart: <i>"Es sind also 40 Söldner mit einem Wagen und einer Gefangenen? Frage mich, was an einer einzelnen Frau so wichtig ist, dass sie Dreckfresser gleich ein ganzes Banner losschicken, um sie zu holen?!"
"Soll ich hinüber gehen und fragen? Oder wollen wir sie ihnen abnehmen und selbst nachsehen, was so wichtig an der holden Maid ist?"
"Gegen 40? Das sind selbst mir ein oder zwei Gegner zuviel!"
"Nunja, sie scheinen nicht sehr diszipliniert zu sein, sie marschieren in einem langgezogenen Pulk und die Kutsche fährt fast ganz vorn an der Spitze des Trupps...und..."
"Und was?"
"Und sie haben keine Pferde!"
"Keine Pferde und die Kutsche ganz vorn?! Nun, das ändert die Sache gewaltig!"</i>
Calaman grinste erneut.
<i>"Schnapp dir dein Zeug Junge, nicht weit von hier gibt es eine Stelle, wo wir über sie herfallen können, ohne dass die hinten Kommenden das sofort mitbekommen. Wir schnappen uns die Kutsche und dann gehts ab durch die Mitte!"</i>
Leise kichernd zog Calaman seinen Federbewehrten Schlapphut und machte eine Verbeugung vor Thorin.
<i>"Ihr seid ein Ausbund an Schläue und Gerissenheit, tapferer Felshammer!"</i>
Noch während sie zu ihrem Hinterhalt eilten, überlegte Thorin, ob das Letzte eine Beleidigung gewesen war.