Fortsetzungsgeschichte (Teil 2)

Mantis

Heilende Hände
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Crye schaute auf den See, auf die Stelle, in der zuerst Anora, und dann, wenig später, Nebressyl verschwunden waren. Das Wasser lag so ruhig da, als wäre nichts geschehen, als habe dieser sonderbare See nicht gerade eben zwei ihrer Gefährten verschluckt.
Die Halbelfe zögerte. War dies der richtige Weg? So sehr sie auch ihre Augen anstrengte, sie konnte nicht durch die dunkle Flüssigkeit blicken, von der sie noch nicht einmal wusste, ob es Wasser war.
Anora war ohne Zögern in den See hineingetaucht, und sie war schließlich diejenige, die sich hier am besten auskannte. Crye seufzte schicksalsergeben, überprüfte den Sitz ihrer Waffen, warf Ilthiur einen fragenden Blick zu und sprang.
Sofort sank sie, schneller als ihr lieb war, was nicht zuletzt an ihrem Kettenhemd lag. Und doch hatte sie fast den Eindruck, als hätte
irgend etwas sie an ihren Füßen gepackt und zöge sie in die Tiefe. Doch als sie, gegen ihr Gefühl, das sie davor warnte, dieses Wasser in die empfindlichen Augen zu kriegen oder gar zu schlucken, die Augen öffnete, sah sie, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, nichts. Nur Schwärze.
Nie zuvor hatte sie solche Dunkelheit kennen gelernt. Reflexartig griff sie nach ihren Säbeln und hatte sie schon halb gezogen, als ihr bewusst wurde, dass dies kein Feind war, gegen den man mit Waffen wie diesen kämpfen konnte. Sie schob die Klingen zurück und versuchte, die Panik zurückzudrängen, die mehr und mehr von ihr Besitz ergriff. Wie lang würde ihre Luft reichen? Wo war der Grund dieses Sees, und vor allen Dingen – wo waren die anderen? Hatte sie etwas falsch gemacht, etwas nicht beachtet? Das Wasser wurde kälter, je tiefer sie sank, und sie spürte, wie der Luftmangel ihre Sinne benebelte, selbst ihre Panik ließ nach, und auch ihr Wille zu überleben, der sie auch veranlasst hatte, ihre Waffen zu ziehen, begann zu schwinden. Wie einfach es wäre, jetzt aufzugeben, die Augen zu schließen und sich in dieses Schicksal zu ergeben. Wie einfach – und wie sinnlos. Am Rande der Verzweiflung versuchte sie ein paar Schwimmbewegungen, doch dann wurde ihr klar, wie zwecklos dies war. Sie hatte nicht genügend Kraft dafür, und der Sog, oder was immer es war, das sie immer weiter in die Tiefe zerrte, ließ nicht nach, sondern wurde sogar stärker.
Mit dem letzten klaren Gedanken, der ihr noch blieb, fragte sie sich, wie es Nebressyl und Anora ergangen war. War Anora wahnsinnig geworden, sie hierher zu führen, in den sicheren, kalten Tod in diesem verfluchten See? Doch nicht einmal für Zorn hatte sie noch die Kraft, und schließlich, fast so, als schliefe sie ein, verlor sie das Bewusstsein.


Mit einem schmerzhaften Ruck, der durch ihren ganzen Körper ging, wachte sie wieder auf. Einen Moment orientierungslos sperrte sie die Augen weit auf, überrascht darüber, am Leben zu sein, doch noch verwunderter darüber, so etwas wie Licht zu sehen, obwohl auch dieses Licht noch weit entfernt war, unerreichbar, schien es ihr. Sie war noch immer im Wasser, wie sie feststellte, doch dieses Mal, und da konnte kein Zweifel bestehen, trieb sie der Wasseroberfläche entgegen. War sie noch immer im See, oder war dies das, was gemeinhin als das Leben nach dem Tode bezeichnet wurde? Was immer es war – Crye wollte so schnell wie möglich aus diesem verdammten Wasser heraus. Erneut versuchte sie sich an Schwimmbewegungen, doch dadurch wurde ihr Aufsteigen nicht beschleunigt. So blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu fassen, bis sie das Licht erreicht hatte, Zeit, die sie dazu nutzte, sich darüber zu wundern, warum sie noch am Leben war.
Schließlich hatte sie die Wasseroberfläche erreicht, stieß mit dem Kopf ins Freie und atmete tief durch. Ihre Augen tränten, und sie bemerkte, wie sie das Gewicht ihrer Rüstung wieder nach unten zerren wollte, doch dieses Mal hielt sie mit aller Kraft dagegen und tat alles, was ihr richtig erschien, um sich über Wasser zu halten, obwohl sie, so weit sie sich erinnern konnte, nie das Schwimmen gelernt hatte. Langsam klärte sich ihr Blick, und sie konnte einen Rand erkennen. Irgendwie erschien ihr das seltsam, fast lächerlich – sie war in einen großen, beängstigenden, tiefschwarzen See gesprungen, dessen Ausmaße sie nicht einmal erahnen konnte, und wo tauchte sie wieder auf? In einem kleinen Wasserbecken, der vermutlich so etwas wie ein Brunnen war.
Mit einem Male spürte sie Boden unter ihren Füßen, und ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass dies vielleicht eine Falle sein könnte, vielleicht irgendein Untier, das nur darauf wartete, dass sie darauf hereinfiel und der vermeintlichen Sicherheit des Bodens traute, setzte sie ihre Füße auf den Grund und fand einen festen Stand, bei dem es ihr sogar gelang, die Schultern aus dem Wasser zu bringen.
Fragend sah sie sich um, sah die alte Stadt, und erkannte Anora und Nebressyl, die nicht weit entfernt am Rand des Brunnens (oder was auch immer es war) standen, und Erleichterung durchströmte sie. Sie hatte den richtigen Weg gefunden.
 

Zhuge Liang

Funky Paladin
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Plötzlich war er allein.
Seine eben gefundenen Gefährten waren alle innerhalb weniger Minuten verschwunden... oder eher von dem See verschluckt worden.
Ilthiur blickte sich eine Weile verwirrt um, zunächst blickte er zum anderen Ufer, welches noch unendlich weit entfernt schien. Die Boote machten auch keine Anzeichen, sich weiter bewegen zu wollen.
Scheinbar war dies das Ziel der Reise, nicht das Ufer, dachte Ilthiur nach einer Weile.
"Und selbst wenn der See sie alle umgebracht hat, was hätte es schon für einen Sinn, weiterzureisen, ohne die anderen besteht ohnehin keine Hoffnung auf Erfolg."

Mit diesen Gedanken sprang auch Ilthiur nun in den See und ließ sich in die Tiefe sinken.
Als er dem weißen Licht näher kam, konnte er die Umrisse von Crye (zumindest glaubte er, dass es ihre Umrisse waren) gerade noch als schwarzen Fleck im sonst makellos weißen Licht erahnen, er wusste aber nicht, ob sie noch lebte, oder bereits tot war.
Langsam ging ihm die Luft aus und die Panik begann in ihm hochzukriechen..."...bloß nicht aufgeben...bald da..."
Er versuchte sich mit aller Gewalt bei Bewusstsein zu halten und sich dem weißen Licht zu nähern, seine einzige Möglichkeit auf Rettung, oder zumindest ein schönerer Friedhof als das triste, alles verschluckende Schwarz um ihn herum.
Kurz bevor ihm die Sinne endgültig schwanden spürte er plötzlich Luft. Erstaunt von dem plötzlichen Vorhandensein von Luft rang er laut nach Luft, konnte aber nur ein bisschen einatmen, ehe er wieder versank. Doch dann spürte er plötzlich Boden unter seinen Füßen und er richtete sich schnell auf. Japsend stand er auf und sah sich nun zum ersten Mal um.

Um ihn herum standen Anora, Crye und Nebressyl, offensichtlich genauso froh noch am Leben zu sein, wie er selbst.

"Eine... interess...ante... Reise..."war alles was er heraubrachte.
 

Anora

Wanderer
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Die Halbelfe war zusammen mit Nebressyl aus dem Brunnen gestiegen und hatte sich an dessen Rand niedergelassen, um wieder Kraft zu schöpfen. Der kurze Moment der Bewusstlosigkeit hatte sie mehr Lebensenergie gekostet, als sie im ersten Moment gedacht hätte. Ihre Bewegungen schienen kraftlos und einzig ihr Wille hielt sie noch davon ab, einfach in sich zusammenzusacken und in einen tiefen, erholsamen Schlaf zu fallen. Sie musste zugeben, dass dieser Gedanke einen gewissen Reiz auf sie ausübte, doch sie durfte es sich nicht erlauben. Hier, in dieser toten Stadt, war sie eine Fremde und sie wusste nicht, welche Gefahren auf sie lauern mochten.
Ihr Blick glitt hinüber zu Nebressyl, der sich neben sie gesetzt hatte. Er hatte Recht gehabt, mit dem, was er sagte. Sie würden nicht lange hier verweilen können, darauf hoffend, dass ihre beiden Gefährten letztendlich doch noch den Weg zu ihnen fanden. Es war schon einige Zeit vergangen, ohne dass der Grund des Brunnens sich ein weiteres mal aufgetan hätte.
Wasser tropfte von Anoras Haar auf ihre Stirn hinunter und bahnte sich wie Tränen einen Weg über ihr Gesicht. So sehr sie sich auch wünschte, auf die Fähigkeiten von Crye und Illthiur vertrauen zu können, so ahnte sie doch, dass die unnatürlichen Gefahren, die am anderen Ufer lauerten, die Kräfte der beiden bei weitem übersteigen würden. Obwohl die beiden erst kürzlich zu ihnen getroffen waren und sie kaum etwas über sie wusste, so wünschte sie sich doch, dass die beiden nicht den Tod fanden. Nicht hier, unter Anin, ihrer geliebten Heimat.
Wie als hätte irgendjemand ihre stille Bitte erhört, teilte sich in diesem Moment das Wasser und eine vor Nässe triefende, aber lebende Crye stieg daraus empor.
Mit einem leisen Aufschrei sprang Anora auf die Beine und wollte schon voller Freude durch das Wasser auf ihre Gefährten zustürzen, als sie sich besann. Crye war schließlich keine alte Freundin, sondern fast noch eine Fremde für sie, und solch ein Gebahren wäre in dieser Situation äußerst unpassend gewesen. So blieb sie also am Rand stehen, ungeduldig auf den Zehen wippend und gespannt darauf wartend, was als nächstes passieren würde.
Und tatsächlich tauchte auch, kaum dass Crye ein Stück beiseite getreten war, der Silberelf aus dem Wasser auf.
Beide schienen unverletzt zu sein, atmeten jedoch schwer, was nach dieser Art von Reise auch nicht sonderlich verwunderlich sein sollte.
Mit Tränen in den Augen und über das ganze Gesicht strahlend blickte Anora ihre Gefährten einen nach dem anderen an. Sie vergaß alles um sie herum, die tote Stadt, die Bedrohnis, die in der Fremde vor ihnen liegen mochte, einfach alles, so erfüllt war sie von einem Gefühl des Glücks, dass alle Gefährten, die mit ihr die Reise über den See angetreten hatten, diese auch mit ihr zu Ende gebracht hatten. Lebendig. Sie hätte sich schuldig gefühlt, wäre es nicht so gewesen...
Ihre Stimme klang etwas rauh, als sie zu sprechen begann:
"Ihr habt also den... Weg gefunden! Ruht Euch einen Moment aus, meine Freunde, dann müssen wir weiterziehen. Diese Stadt... Mit großer Wahrscheinlichkeit ist es die Magierstadt, die wir suchten, und wenn dies der Wahrheit entspricht..."
...dann würden große Gefahren auf sie lauern!
 

Lara-Mira

Jazz-Katze
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„Gar nicht gut! Ganz und gar nicht gut!“ murmelte Lara. Ihr Herz schlug zum Zerbersten. Das Trappeln klang weder menschlich noch tierisch. Es klang vielmehr, als wenn sich übergroße Insektenschwärme auf den Weg zu ihnen machte. „Von wo kommt das?“ Lara drehte sich zum wiederholten Male um die eigene Achse. Die Geräusche schienen aus allen Richtungen auf sie einzustürzen. Auch Firekahn und Uther sahen sich um. „Norden? Süden?....herrje.“ Ein Gefühl der Panik machte sich in ihr breit. Sie sah vor ihrem inneren Augen die aberscheußlichsten Kreaturen erwachen, die sie in einen Kokon spinnen würden, um sie ganz langsam verdauen zu können. Uther legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. Die junge Frau machte einen entsetzten Satz. Trotz der heiklen Situation begann der Ritter zu grinsen. „Lassen sie das!“ fauchte sie. „Nur keine Sorge, sie sind in guten Händen.“ „Ich muss hier raus!“ Lara zappelte. Firekahn schloss eisern seinen Griff um sie. Er wusste. Nur einen Augenblick noch und die junge Frau würde schnurstracks den Weg zurücknehmen.

Er nahm ihr kleines Kurzschwert mit einem raschen Ruck aus der Halterung von ihrem Rücken und drückte es ihr in die Hand. „Ich kann das nicht!“ wehrte sie ab. Sein Druck wurde energisch. „Ich meine gegen Zwei- oder Vierbeiner okay, aber dieses Viechzeugs. Sicher sind die giftig. Ich meine, ich hasse alles, was sich krabbelnd fortbewegt. Ich hasse es.“ Ein panisches Flackern glomm auf, welches urplötzlich einem fasziniertem Entsetzen folgte. Die Ritter folgten ihrem Blick. Gelbe Augen fokussierten die kleine Gruppe. Es waren unendlich viele Augenpaare. Manche blitzten von den entfernten Mauern zu ihnen herüber. Manche von vorne, von hinten, von den Dächern und Vorsprüngen.

Die kleine Gruppe rührte sich nicht. Bis Lara die Stille durchbrach: „Einen Vorteil hat das!“ entfuhr es ihr grimmig. Uther drehte sich ihr zu und öffnete kurz das Visier. „Na, ja. Man kann reinstechen wo man will. Man trifft immer.“ Uthers Visier sackte hinab. „Zeit für Scherze ist nicht gegeben, Lara.“ maßregelte Firekahn sie dumpf. „Konzentration ist gefordert.“ seine ruhige Schärfe machte sie noch nervöser. Es war ihr unmöglich den Mund zu halten. „Wollen wir jetzt warten, bis sie uns beißen, oder sollten wir zum Angriff blasen?!“. „LARA!“ „Wir versuchen beisammen zu bleiben und uns wie ein Katapult fortzubewegen. Kommen Sie unseren Schwertern nicht in die Quere, Lara und bleiben Sie in der Mitte.“ Uther klang viel zu gelassen. Die Waffen wurden gezogen. Die beiden Männer machten einen Schritt vor. Metallisches Knirschen erklang – unberuhigend laut fand Lara. Das Trappeln erstarb, nur um sogleich zu einem tösenden Rauschen anzuschwellen. Lara sog die kalte muffige Luft ein. Sie wusste nun, wie sich reißende Nervenstränge anfühlten. Die Schwerter der Männer beschrieben surrende Kreise, sie wirbelten gleich einem Klingenwall um die junge Frau herum. Wie ein Pflug walkten die Männer voran. Präzise wie ein Uhrwerk. Die junge Frau strengte sich an, um das Aufeinandertreffen von Schwert und Getier nicht zu verpassen, doch aussichtslos. Allein vorbeifliegendes Gedärm, Haare, Gliedmaßen, matte Augäpfel machten ihr gewiss, dass der Kampf begonnen hatte. Ab und an wirbelte ihr Kurzschwert lustig in sich auftuende Lücken. Wann immer ein wütendes Knarzen auf ihr Stechen ertönte, lachte sie grimmig auf. Der Weg durch den krabbelnden Schrecken war ein schier entloser. Erst als Uthers Schwert sacht durch den Sand schnitt und der Ritter sich wachsam von seiner Position löste, wusste sie, dass der Spuk vorbei war. „Na..!“, sie lachte. „so schlimm war’s ja gar nicht!“ sie steckte ihr Schwert ein und sah von Ritter zu Ritter. Uther riss sich den Helm vom Kopf. „Gut gemacht!“ nickte Lara und sah sich auf dem Schlachtfeld um. „Oh, ergebensten Dank!“ seinen ironischen Unterton wischte sie mit einer Handbewegung fort.

„Ob die wohl durch Zauber herbeigerufen waren?“ überlegte sie weiter und kniete neben einem zuckenden Bein nieder. „Glauben Sie mir, die waren real.“ vernahm sie Lightbringer. Sie sah auf seinen bewehrten Schuh, der sich vor ihren Augen auftat. „Das eine, schließt das andere nicht aus!“ sie erhob sich von dem Boden und wollte zu Firekahn. Uther griff nach ihrem Amulett, das beim Niederknien frei von der Kette baumelte . „Ist das....!“ sie ließ es ihn ansehen. „Von...Adun?“ dabei sah er seinen Ordensbruder an. „Kann das sein?“ Firekahn nickte. „Erstaunlich!“ er sah sie an. Lara kniff die Augen leicht zusammen. Was immer er mit diesem Ausruf ausdrücken wollte, es gefiel ihr nicht.
Sie nahm ihm das Amulett aus der Hand und schritt zu Firekahn.
„Ob wir es wirklich wagen sollten, auf diesen Turm zu gehen?“
„Ich verstehe das Unbehagen Lara. Wir werden vorsichtig sein. Doch ist es wichtig, dass wir die Übersicht behalten und uns nicht in den heillosen Gängen verirren. Wir werden von oben einen Plan zeichnen können, so kommen wir rascher und zielgerichteter voran.“ Damit zog er sie sacht mit in Richtung Turm. „Wenn Sie von Adun ein Amulett bekommen haben, so sind Sie sicher vor ärgster Gefahr!“ bemerkte Uther plötzlich. Irgendwie ärgerte es Lara, dass der Kerl in seiner strahlenden Rüstung damit eine stille Behauptung auftat, die ihr gar nicht passte. Sie gab ihm keine Antwort. „Adun hat sie ausgewählt, es ist mehr als ein Schutzamulett!“ ertönte Firekahns blecherne Stimme. Die junge Frau lächelte den schwarzen Ritter an.

„Erstaunlich!“ wiederholte der Goldene. Lara wusste, beim dritten „erstaunlich“ würde sie den Kerl, ob Ritter oder nicht, eigenhändig von der Brüstung des Turmes stoßen.
Quälend langsam kamen die Männer auf den engen Steinstufen der gewundenen Treppe voran.

Lara schritt zügig voran. Sie behielt mögliche Absonderlichkeiten fest im Auge, um nicht in eine Falle zu treten. Tatsächlich entdeckte sie mehrere verdächtige Mechanismen, die mit Umsicht umschritten oder in einigen Fällen aus sicherer Entfernung ausgelöst werden konnten. Endlich standen sie auf dem obersten Kreisrund des Turmes. Die Luft war kaum merklich kühler, und reiner war sie auch nicht. Während Uther das Zeichnen übernahm und Firekahn aufmerksam Wache ging, untersuchte Lara auf einem nahen Podest ein merkwürdig aussehendes Instrument. Es war aus Metall, schwer, mit schwenkbarem Kopf. Die junge Frau drehte es hin und her und klopfte auf die kleine gläserne Öffnung. Neugierig sah sie herein und ein Keuchen entfuhr ihr. Die Gänge waren zum Anfassen nah. Selbst kleine Ausbuchtungen konnte sie deutlich erkennen.

Firekahn trat heran. „Was ist das?“ „Der Sternenkenner in Auenstein hat ein ähnliches Instrument. Er besieht sich damit nachts das Gestirn. Es ist ein Sichtrohr, wie eine riesige Lupe.“ „Eine Lupe?“ „Ja.“ Sie machte ihm Platz. Etwas umständlich brachte er sein Visier vor die Öffnung und ein überraschter Laut entfuhr ihm. „Das ist faszinierend!“ murmelte er. Rasch entriegelte er das Visier, um sich einen besseren Blick zu verschaffen. Laras Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Nun hob auch Uther den Kopf und trat näher. Firekahn schwenkte das riesige Rohr hin und her. Jetzt nicht mehr aus reiner Faszination heraus, sondern um ganz pragmatisch die Gegend auszukundschaften. Das Rohr bewegte sich langsam von links nach rechts. Doch plötzlich wurde es zurückgerissen. „Anora!“ „Was?“ energisch knuffte sie den Ritter beiseite und brachte ihre Augen vor die Linse. „Wo....Tatsächlich!!“ sie schrie fast. Uther räusperte sich. Aber Lara winkte ab, ohne sich von dem Teleskop zu lösen. „Junge Dame!“ er setzte mehr Autorität in die Stimme. „Es ist schier unglaublich!“ sie lachte. Firekahn hob sie sacht in die Luft und setzte sie auf dem Boden ab. „Danke!“ nickte Lightbringer zu seinem Ordensbruder. Lara drückte er die Zeichnung in die Hände. Flink notierte sie Anoras Position auf der Karte. „Hoffentlich erreichen wir sie bald und kommen über diesen komischen Mauervorsprung.“

Als Lightbringer sich von dem Teleskop löste, hatte er ein ernstes Gesicht. „Verlieren wir keine Zeit mehr.“ Er nahm die Zeichnung an sich und begab sich unverzüglich zur Turmtür.
 

Sir Firekahn

Konservendose
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Das Okular hatte ihnen einen beeindruckenden Einblick in die Stadt gegeben aber dennoch hatte es die beiden Paladine noch mehr beunruhigt als beruhigt, denn viele Orte in der Stadt, so war es ihnen aufgefallen, waren wie tote Flecken auf der Linse die sie nicht erkennen konnten, was auch immer sie versuchten. Diese Stellen die wie künstliche tote Winkel jeglicher Einsicht selbst der mächtigen Magie des Glases trotzten nahmen fast ein Viertel der ganzen Stadt ein und beinhalteten auch sicherlich den alten Regierungs- und Magierbezirk in dem sie ihre Ziel vermuteten, denn so sehr sie auch suchten sie konnten die alten Paläste der Magier nicht zwischen den anderen Ruinen in der Stadt erkennen.

Was sie aber erkannten war gar nicht zum Scherzen. Die Stadt die nun schon seit so langem schlummerte war alles andere als tot. Immer wieder sahen sie in dem zusammengebrochenen Straßengewirr Schatten dahingleiten und aus vielen alten und uneinsehbaren Fenstern glimmte ein bedrohliches, düsteres Rot. Doch was am allerschlimmsten war: Die Stille. Es war so merkwürdig Still in der Stadt wie es an noch keinem Ort den Firekahn, Lara oder Uther jemals betreten hatten je gewesen war. Und noch ein Geheimniss schien die Zinne des Turmes in dem sie sich befanden zu bergen: Denn wenn man auf der Balustrade außen um den Turm herumlief merkte man das er weitaus dicker im Durchmesser war als die kleine Kammer in dem das Glas stand. Sie brauchten nicht lange in der staubigen Düsterniss der Kammer suchen da fanden sie auch schon eine Wand, die offensichtlich nicht zusammen mit dem Rest des Gebäudes entstanden war. Die Mauerstücke schienen einst herausgerissen und dann hastig wieder zusammengesetzt worden sein als ob man etwas hinter ihr zu verbergen versucht hatte. Rostrote Spuren zwischen den Mauerritzen zeugten von nichts Gutem, aber dennoch entschied Uther die Mauer zu öffnen, denn er spürte kein böses Leben dahinter.

"Beiseite" Sprach Firekahn nur tonlos und als sie seinem Befehl folgte leisteten stecke er die Klinge seines kleineren Bastardschwertes, das er relativ selten verwendete, in die größte Ritze die er in der Wand erkannte. Wie mit einem Hebel versuchte er die Steine aus ihr herauszubrechen und nach einiger Anstrengung gab die Konstruktion dann auch nach... Staub wirbelte auf und es wurde Dunkel um sie...
Als sie langsam wieder etwas erkannten stellten sich Laras Nackenhaare fast schon hörbar zu Berge, denn in der winzigen Kammer die sich vor ihnen offenbarte lag ein Krieger in einer prächtigen Rüstung in fast schon mumifizierten Zustand vor ihnen. Seine Axt hatte er sich offenbar selber in panischer Angst, die selbst heute noch auf seinen verrotteten Zügen lag, in den Schädel gerammt. Über ihm war mit seinem eigenen Blut die gesammte Wand in einer fremden Sprache vollgeschrieben... Firekahn las sie vor... Er las sie in einer Sprache die vor Furcht und Hass beinahe zu schäumen schien, einer uralten und bösen Sprache zudem.

"Ak... Chemalur Ak... Prekulariuu Ak chemalutur... drhje kriaos przaaa ak... prciepp nor ak... ortos a ak... roror prciepp"
Er übersetzte...
"Dunkelheit... Undurchsichtige Dunkelheit... Fortschreitene Dunkelheit die alles frisst... Meine Kameraden wurden von der Dunkelheit verschlungen... Ich, der Herrscher werde nicht in die Dunkelheit gehen... Ich höre die Dunkelheit... Sie kommt mich zu holen."
Ein kalter Schauer lief wieder über ihren Rücken als sie diese Worte vernahmen, doch Uther machte eine Entdeckung und zeigte in die Stadt hinaus.
"Ich sehe nun den Regierungsbezirk, aber die Stellen an der Stadt in die man einfach nicht einsehen kann sind größer geworden... Und... Sie bewegen sich..."
 
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Anora

Wanderer
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Platsch... Platsch... Platsch... Bei jedem Schritt, den sie tat, klatschte ihr der vor Nässe triefende Umhang gegen die Waden. Der grobe Stoff hatte sich derart mit Wasser vollgezogen, dass er mehr als sonst an ihrem Hals zerrte und ihr das Atmen erschwerte. Auch der Rest ihrer Kleidung war ihr mehr und mehr zum Hindernis geworden: Der nasse Stoff klebte unangenehm an ihr und kühlte ihren Körper langsam aber sicher aus. Trotzdem schritt sie, ohne das Tempo zu verlangsamen, weiter. Ihren drei Gefährten würde es wohl kaum besser gehen, doch keiner von ihnen wagte, um eine weitere Pause zu bitten. Sie alle fühlten sich nicht wohl an diesem unheimlichen Ort, so dass sie nicht länger als unbedingt nötig an einer Stelle verweilen wollten. Anora krallte ihre klammen Finger noch ein wenig fester um ihre Hellebarde, die sie vor sich trug, als könne sie damit alles abschrecken, was sich ihnen in den Weg zu stellen gedachte.
Nach einer kurzen Rast am Brunnen, die sie nach all der Aufregung dringend gebraucht hatten, hatten sie beraten, wie sie weiter vorgehen sollten. Es war klar, dass sie nicht einfach sitzen bleiben konnten, auch wenn jedes der müden Gesichter im Stillen darum flehte. Wie lange war es her, dass sie die Oberfläche, Anin, verlassen hatten? Die Frage blieb unbeantwortet. Vom Brunnen aus, der scheinbar auf einer Art Platz errichtet worden war, führten vier breite Straßen in alle Himmelsrichtungen, was ihnen die Entscheidung, aufzubrechen, noch zusätzlich erschwerte. Wohin sollten sie sich wenden? Die vier Straßen hatten keine nennenswerten Unterschiede an sich. Sie alle waren von Reihen seltsamer Häuser einer fremden Bauart gesäumt und erstreckten sich in gerader Linie in die Ferne, einem unbekannten Ziel zu. Es gab mehrere, kleinere Seitenstraßen, die die vier Hauptstraßen miteinander verbanden und somit den Eindruck erweckten, der Brunnen befände sich in der Mitte eines gewaltigen Spinnennetzes. Anora fröstelte.
Schließlich war es Ilthiur gewesen, der als erster aufgestanden war und sich einige Meter von den anderen entfernt hatte. Ein Ruck ging durch die kleine Gruppe, und einer nach dem anderen folgte seinem Beispiel. Sie alle hatten das Gefühl, dass es besser wäre, sich nicht allzu weit von einander zu entfernen. Sie hatten sich wahllos in eine Richtung gewandt, und auf die Frage Cryes hin, woher sie denn wussten, dass dies der richtige Weg sei, hatte Anora nur mit den Schultern gezuckt. Diese Straße war nicht besser als alle anderen, und da es hier weder Sonne noch Sterne noch Mond gab, an denen sie sich hätte orientieren können, war die Wahl tatsächlich völlig willkürlich.
Und nun gingen sie also dicht aneinander gedrängt die gepflasterte Straße entlang, den Blick geradeaus gerichtet, als könnten sie damit die hinter den Fenstern vorbeihuschenden Schatten ignorieren. Doch es gelang ihnen nicht. Die Furcht ist der größte Feind des Kriegers und selbst ein noch so tapferes Herz wird schwach, wenn es seinen Gegner nicht sehen kann. Anora wusste, dass die Gänsehaut, die ihren Körper überzog, nicht allein von der Kälte ihrer Kleidung kam.
An einer Abzweigung bedeutete Anora den anderen zu warten und schlich, nachdem sie sich vergewisstert hatte, dass keine unangenehmen Überraschungen auf sie lauerten, ein Stück weit in eine der Seitenstraßen hinein. Der Boden war dort nicht gepflastert, sondern bestand aus festgetretener Erde und Staub, der sich über Jahrhunderte hinweg angesammelt hatte. Die Waldläuferin kniete darin nieder und beugte sich dicht über die Oberfläche. So verharrte sie einen Augenblick lang, dann richtete sie sich wieder auf und kehrte zu den anderen zurück, die ihr fragend entgegensahen. Anora dagegen war schneeweiß im Gesicht geworden, bleicher noch als sonst.

"Irgendetwas... lebt hier. Es gibt Spuren im Staub, die nicht allzu alt sein können, doch ich weiß nicht, von was... Und es sind viele."
Einerseits hatte sie sich gefreut, hier, in dieser unterirdischen Stadt, ihre Fähigkeiten zum Einsatz bringen zu können, doch das Resultat war keineswegs befriedigender als das, was sie vorher gewusst hatten. Im Gegenteil. Das Gefühl, beobachtet zu werden, nahm nur noch weiter zu.
Inzwischen war es dunkler geworden. Man konnte nicht von Nacht sprechen, denn wo es keinen Himmel gab, konnte es auch nicht Nacht werden, doch Anora vermutete, dass die Magier, die hier einst gelebt hatten, mit Hilfe ihrer mächtigen Zauber eine Art Tageszeitenrhythmus erschaffen hatten, so dass sich ihr Leben unter der Erde nicht viel von dem auf der Oberfläche unterschied. Die Schwärze der Nacht der Oberwelt blieb jedoch aus. Statt dessen verwandelten sich die Farben immer mehr zu einem einheitlichen Grau und die Konturen der Gegenstände verschmolzen langsam mit den Schatten. Und das machte es für sie nur noch umso schlimmer. Sie konnten keine Fackeln entzünden, da auch diese ihrer Unterseereise zum Opfer gefallen waren und selbst dann nicht brennen würden, wenn sie eine Möglichkeit gefunden hätten, ein Feuer zu entfachen.
Sie wollten gerade weiter die Straße entlang gehen, als Anora die Gefährten ein weiteres mal zurückhielt.

"Wartet!", sagte sie mit gesenkter Stimme. Ihr Blick war starr auf ein Fenster des Hauses, das direkt an der Ecke zwischen Haupt- und Seitenstraße stand, gerichtet. Ein rotes Glimmen drang aus dem Inneren zu ihnen hinaus, das dann kurzzeitig verschwand und sogleich wieder aufleuchtete. Anora band ihre Hellebarde auf ihrem Rücken fest und zog ihren Krummsäbel.
"Was ist, wollen wir weiter die Gejagten spielen? Oder findet Ihr nicht auch, dass es langsam an der Zeit ist, den Spuk zu beenden?"
Denn die Ungewissheit nährte die Angst, und das durften sie auf keinen Fall zulassen.
 

Zhuge Liang

Funky Paladin
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Er war als Erster losmarschiert, weil er der beklemmenden Unsicherheit und Ratlosigkeit entkommen wollte. Umso mehr freute es ihn, als Anora ihre Waffe zog und zu dem Haus, in dem das Leuchten erschienen war gehen wollte. So furchteinflößend dieser Ort auch sein mochte, Ilthiurs Neugier war erwacht und er wollte herausfinden, was es mit dem Leuchten auf sich hatte."Worauf warten wir noch, sehen wir uns das Leuchten an, das ist besser, als planlos durch diese Stadt zu irren."
Er blickte fragend in die Runde, lächelte kurz und drehte sich dann um und ging dann in Richtung des Hauses.
 

Mantis

Heilende Hände
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Crye schüttelte verächtlich den Kopf. Wie naiv es war, blind loszumarschieren, einem Unheil entgegen, von dem man noch nicht einmal wusste, was es mit ihnen anstellen konnte. Wie konnten ihre Gefährten übersehen, dass es sich hierbei einfach um eine Falle handeln musste?
Sie seufzte, als Ilthiur vorausging und Anora ihm folgte. Wie es aussah, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen – im Endeffekt spielte es auch keine Rolle, ob sie von irgendeinem rätselhaften Monster in dessen Behausung getötet wurde, oder durch die verwirrenden Straßen und Gassen dieser fremden Stadt irrte, bis der Wahnsinn vollends Besitz von ihr ergriff. Sterben würde sie ohnehin, früher oder später.
Sie legte ihre Hände auf die Griffe ihrer Säbel und folgte, noch immer kopfschüttelnd, den anderen auf das Haus zu, in dem das Leuchten war.
 
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Anora

Wanderer
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Anora starrte einige Sekunden lang auf den Rücken des Silberelfen, bevor er durch die halbgeöffnete Tür des Hauses verschwand. Zum zweiten mal während ihres Aufenthalts in der Magierstadt hatte er bewiesen, dass er großen Mut und einen starken Willen besaß - Eigenschaften, die sie durchaus zu schätzen wusste, da das Meistern schwieriger Situationen das Vorhandensein beider erforderten. Obwohl er ihre Reise erst seit kurzer Zeit begleitete und sie kaum etwas über seine wahren Beweggründe, geschweige denn seine Vergangenheit wusste, begann sie doch langsam zu glauben, dass sie mit Ilthiur einen fähigen und zuverlässigen Verbündeten gewonnen hatten. Er hatte offensichtlich sofort verstanden, worum es ihr ging, als sie die anderen dazu aufgefordert hatte, mit ihr gemeinsam das vor ihnen liegende Eckhaus zu erkunden. Er war ohne zu zögern losmarschiert, was vielleicht ein wenig unvorsichtig war, aber zumindest ihre Unsicherheit, was sie weiterhin tun sollten, verbannte. Anora hoffte nur, dass sein Vorgehen auch den anderen Zuversicht gab und ihre Angst zumindest teilweise vertrieb.
Der Holzboden des Gebäudes ächzte laut, als die Halbelfe ihren Fuß darauf setzte. Tatsächlich deutete eine dicke, unberührte Staubschicht darauf hin, dass das Haus schon seit langem nicht mehr betreten worden war - Und doch war sie sich sicher, dass Ilthiur und sie nicht die einzigen Lebewesen darin waren. Schaudernd blieb sie einen Augenblick stehen und sah sich um. Sie befand sich offensichtlich in einem schmalen Eingangsflur, der nur einen einzigen Weg zuließ. Trotzdem zögerte sie, diesem zu folgen, denn aus dem türlosen Zimmer, in das der Flur endete, drang ein rötliches Glimmen zu ihr vor. Die Lichtquelle musste sich ganz in ihrer Nähe befinden, doch im Moment versperrte ihr die Wand noch die Sicht. Von Ilthiur war nichts mehr zu sehen, was bedeuten musste, dass er den Raum bereits betreten hatte. Anora holte noch einmal tief Luft und tat es ihm dann gleich.
Scheinbar handelte es sich bei dem Zimmer um eine Art Wohnraum, oder zumindest ließen ein Tisch mit mehreren Stühlen, eine kleine Feuerstelle, einige Schränke und mehrere Regale das vermuten. Anoras Aufmerksamkeit war jedoch gebannt von einem seltsamen, offensichtlich magischen Stein, der über der Mitte des Rundtisches schwebte und die Quelle des roten Lichtes zu sein schien. Vorsichtig trat die Halbelfe ein paar Schritte näher darauf zu, um das Gebilde genauer betrachten zu können. Der Stein drehte sich in langsamem Tempo beständig um sich selbst und verströmte dabei diese roten Funken, die sie bereits durch das Fenster gesehen hatte. Dass das Licht dabei jedoch niemals unterbrochen wurde, bestätigte ihre Vermutung, dass sich hier drin irgendetwas oder –jemand befinden musste, da sie sich sicher war, es vorhin für einen Moment erloschen gesehen zu haben. Mit einem unguten Gefühl im Magen wandte sie sich von dem Stein ab und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Rest des Zimmers. Noch immer war von dem Silberelfen nichts zu sehen, doch eine Spur im Staub führte sie zu einer Wendeltreppe in einer dunklen Ecke des Raumes. Seltsamerweise knarrten die Treppenstufen kein bisschen, als sie darauf trat, was auch erklärte, warum sie von Ilthiur kein Geräusch mehr vernommen hatte, seit sie das Haus betreten hatte. Im oberen Stockwerk war es deutlich dunkler als im Unteren, da hier auch die schwache Lichtquelle des Steines gänzlich fehlte. Trotzdem konnten ihre scharfen Augen schemenhaft die Umrisse des Silberelfen ausmachen, der mit dem Rücken zu ihr über einen kleinen Tisch am anderen Ende des Raumes gebeugt war und ganz vertieft in etwas zu sein schien. Anora ging zwischen den Reihen von Regalen mit vergilbten Schriftrollen und zerfledderten Büchern entlang auf Ilthiur zu und machte ihn, kurz bevor sie ihn erreicht hatte, mit einem leisen Räuspern auf sich aufmerksam. Sichtbar erschrocken zuckte der Elf zusammen und drehte sich mit weit aufgerissenen Augen zu ihr um. Die Anspannung war ihm deutlich anzusehen. Als er sie erkannte, beruhigte er sich jedoch sofort wieder und wandte sich dann erneut dem Tisch zu. Neugierig lugte Anora über seine Schulter hinunter auf das, was er da so interessiert studierte. Doch sie wurde enttäuscht. Es handelte sich bloß um mehrere Pergamente, auf denen mit roter Tinte Worte einer ihr nicht bekannten Sprache geschrieben waren.

„Versteht Ihr, was dort steht?“, fragte sie leise und nickte auf das Pergament hinab.
„Nur teilweise., antwortete Ilthiur genauso leise, ohne aufzusehen. „Aber vielleicht finden wir hier ja etwas, das wir verstehen… Und das uns weiterhilft.“
Anora nickte, obwohl der Silberelf diese Geste nicht sehen konnte, und machte sich daran, die umliegenden Regale zu durchstöbern. Sie stieß auf mehrere verblasste Skizzen von seltsamen Instrumenten und Maschinen, auf Schriftrollen mit alten, elfischen Runen, die sie zwar lesen konnte, aber deren Inhalt für sie von keinerlei Bedeutung waren – scheinbar handelte es sich hier um Zaubersprüche und ähnliches – und auf unendlich viele Bücher, die in ihren Händen zu Staub zerfielen. Auch Ilthiur hatte nun begonnen, die gegenüberliegende Regalreihe zu durchsuchen, und so standen sie Rücken an Rücken da und deckten sich gegenseitig mit Staub ein.
„Von woher kommt Ihr, Ilthiur?“, fragte Anora plötzlich und durchbrach so die Stille, die seither zwischen ihnen geherrscht hatte. Sie sah ihn nicht direkt an, doch sie spürte förmlich, wie er einen Moment inne hielt, vermutlich verwundert darüber, dass sie auf einmal Interesse an seiner Geschichte zeigte. Denn tatsächlich hoffte die Halbelfe darauf, zumindest einige Antworten auf die vielen Fragen, die sich ihr stellten, zu finden.
 

Zhuge Liang

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Ilthiur lächelte in der Dunkelheit

"Nicht gerade ein idealer Ort oder Zeitpunkt für so eine Unterhaltung, oder?
Aber andererseits, wer weiß, ob es überhaupt nochmal bald einen solchen Zeitpunkt geben wird...
Er machte eine kurze Pause und fing dann an leise zu erzählen

Ich kam hierher, um den Mörder von Xeridal und Rya zu finden... ich weiß nicht, ob ihr sie kennt, aber die beiden haben früher hier gelebt und mir oft von diesem Ort erzählt... sie sind.... waren so etwas wie Stiefeltern für mich, meine richtigen eltern starben bereits als ich noch ein Kleinkind war bei einem Überfall auf ihre Handelskarawane... Xeridal und Rya fanden mich bei einem ihren Ausflüge in die Wildnis und nahmen mich auf."
Er hielt kurz inne und untersuchte den Inhalt eines Buches genauer, was ihm dank der elfischen Infravision auch in dieser Dunkelheit gelang. Er überflog einige Seiten und stellte das Buch dann wieder in das Regal zurück.
"Sie lehrten mich viel und ermöglichten mir, die Kriegerakademie zu besuchen und so ein talentierter Kämpfer zu werden. Während ich diese Ausbildung machte, brachen die beiden nach Anin auf, doch kehrten sie am Ende meiner Ausbildung wieder zurück, mit ihrem richtigen Kind, Junan. Am Tage meines Abschlusses an der Akademie gab mir Xeridal mein jetziges Schwert, er selbst hat es verzaubert und magisch verstärkt.
Nun, nachdem ich fertig mit der Ausbildung zum Krieger war, gaben mir die beiden einige Lektionen in der Magie der Menschen, scheinbar scheine ich dafür ein Talent zu besitzen, zumindest waren die beiden oft über meine Fähigkeiten erstaunt... auch wenn ich nicht viel mehr kann, als eine kleine Lichtkugel zu beschwören.
Mehr konnten sie mir nicht beibringen, weil Xeridal und Rya dann von ihrem eigenen Sohn ermordet wurden..."
Ilthiur atmete laut ein, als er an den schlimmsten Tag seines Lebens dachte
"Ich... weiß nicht genau, was an diesem Tag passierte, meine Erinnerungen sind an diesem Tag sehr ... schwammig...
Ich weiß eigentlich nur noch, dass ich die beiden fand und Rya mir mit ihren letzten Worten sagte, dass ich nach Anin sollte und dort ihren Mörder, nämlich ihren eigenen Sohn finden würde... sie beschrieb mir auch noch, wo Anin liegt, dann starb sie ....

Nun... und kurz darauf kam ich hierher....

Der Silberelf wartete kurz ab
"Nun kennt Ihr meine Geschichte, aber ich kenne Eure immer noch nicht... ich weiß eigentlich fast gar nichts über diese Gruppe, außer, dass ihr scheinbar das selbe Ziel wie ich habt."
 
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Nebressyl

Knuddeliger Incubus
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Eine Mischung aus Erleichterung und Verwunderung durchströmte das engelsgleiche Geschöpf. Nun sollten sie bald diesen offenen Ort ohne Schutz verlassen können. Wären sie unterwegs, so wären sie ein schwereres Ziel für vermeindlich lauernde Gefahren. Sein strategisches Denken hatte er sich schon als Dämon bei diversen Angriffen und Überfallen angeeignet. Jetzt war er froh über so manche Betrachtungsweisen. Auch wenn er sein altes Leben verfluchte. Es lag nie in seiner Macht über seine Abstammung zu entscheiden. Doch zu spät hatte er erkannt, daß er völlig falsch gehandelt hatte. In dem Moment, als das Lebenslicht seiner Hoffnung und Liebe aus ihrem Körper fuhr vielen ihm alle Schatten von den Augen. Jetzt hatte er die Macht zur Wiedergutmachung - und mit Sicherheit würde er alles tun um diesen Fluch und damit der Verdammnis zu entkommen. Seine innere Stimme warnte ihn. Sie sollten weitergehen. Lange wären sie hier nicht mehr alleine!
Instinktiv griff er zum Anderthalbhänder, der ihm in dem unterirdischen Gang auf äusserst merkwürdige Weise zugekommen war. Er spürte eine wahrhaft positive Kraft die Klinge und den Griff durchströmen.
Während Anora die beiden Neuankömmlinge begrüsste, mit einer offensichtlichen Ergriffenheit in ihrer Stimme, spreizte er seine Flügel zu voller Grösse aus. Das silber der Federn schimmerte leicht in dem künstlichen Licht der Stadt. Er schüttelte sie heftig, um die Feuchtigkeit von ihnen zu verbannen. Gerade als er sie ermahnen sollte nicht länger am Brunnen zu verweilen ergriff die Halbelfe die Initiative und schlug eine willkürliche Richtung ein. Von dem Gedanken ergriffen, daß sie nicht alleine waren liess er den anderen den Vortritt und bildete das Schlußlicht - mit der Hand am Griff des grossen Schwertes.

Die Augen des Schutzengels wanderten von Haus zu Haus, von Fenster zu Fenster. Jede mögliche Nische, jede Ecke, die sich für einen Hinterhalt eignen würde nahm er besonders in Augenschein. Sein Unbehagen und seine innere Vorahnung nahmen nicht ab. Etwas beobachtete sie unentwegt ohne Unterlass. An sein Ohr drangen zwischendurch Geräusche eines Kampfes. Er hörte Waffengeklirr und Lärm von Mord und Totschlag. Des Klanges nach hätten es die beiden Paladine sein müssen. Waren die rothaarige Frau und die beiden Kämpfer noch am Leben? Die ganze Zeit hatte er den Gedanken ausser acht gelassen. Doch nun keimte in ihm wieder ein Funken Hoffnung. Hatten sie offensichtlich auf einem anderen Weg in diese Stadt gefunden. Doch wo waren sie?
Er konnte sie hören - aber dennoch hatte er keinen blassen Schimmer wo sie waren. Jedoch traf er den Entschluss den anderen nichts von seiner 'Entdeckung' mitzuteilen, bevor er sich nicht absolut sicher wäre. Durch diese Ablenkung bekam er nicht mit, daß die anderen drei vor ihm anhielten und konnte nur knapp abbremsen, sonst hätte er die junge Crye über den Haufen gerannt. Ein wenig beschämt stellte er den Abstand zu der jungen Frau wieder her. Erst jetzt bemerkte er das Verhalten der Waldläuferin. Sie untersuchte offensichtlich eine äusserst rätselhafte Seitengasse. Doch bevor er seine Bedenken diesbezüglich und ihrer Entdeckung entsprechend kundtun konnte gingen sie schon wieder weiter. Aber etwas war hinter ihnen. Das stand für ihn fest. Gerade als er vorwärts schreiten wollte hielten sie schon wieder.

Was war nun los?
Irritiert versuchte er die Gedanken seiner Gefährten zu ergründen. Doch sein Blick wurde gewissermassen von dem Grund angezogen - ein rotes Glimmen in einem der Fenster. Plötzlich war es weg. Da war es wieder. Er hörte Anoras Stimme, aber die Worte vernahm sein Verstand nicht. Das Licht war rot! Das gefiel ihm gar nicht. Eine innere Vorahnung breitete sich in ihm aus. Aber diesesmal kam jegliche Warnung zu spät. Bevor er sich gefangen hatte waren der Silberelf und Anora bereits in der Tür verschwunden. Die junge Frau, von der er gerade mal den Namen kannte, war drauf und dran ebenfalls das Gebäude zu betreten.

"So ein Leichtsinn!" zischte er zu sich.
Mit einem leisen metallischen Klirren zog er den Anderhalbhänder aus der Scheide. Zum ersten Mal betrachtete er die fein gearbeiteten Schriftzeichen auf der Klinge, die in einer Sprache geschrieben waren, die er nun zum ersten Mal erblickte. Zu seiner eigenen Überraschung konnte er sie lesen. Die Klinge selber leuchtete, wie sein Flügel, in dem selben seichten Silberton. Eine gute Kraft ging von ihr aus. Trotz ihrer Grösse war die Waffe alleine kaum zu spüren - so leicht, wie eine Feder. Mit einem hohen Pfeifton zerschnidt sie die alte abgestandene Luft der Stadt. Nun fühlte er sich wieder viel sicherer. Hoffnung durchströmte ihn.

"Jetzt mag kommen was will. Nichts wird mich davon abhalten Gerechtigkeit den Gerechten zuteil werden zu lassen."
Mit diesen Worten zog er die Federn so eng, wie es ihm möglich war, an seinen Körper. Das Schwert erhob er und hielt es mit beiden Händen fest.
Im Haus selber war keine grosse Bedrohung zu sehen - noch zu hören. Es war still. Kein Geräusch drang an sein Ohr. Weder von Anora, noch dem Elfen oder der jungen Frau. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht!
 

Mantis

Heilende Hände
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Kaum hatte Crye das von innen erleuchtete Haus betreten, blieb sie wie angewurzelt stehen. Der enge Flur war schwach beleuchtet, in demselben Rot-Ton, den sie schon von draußen wahrgenommen hatten. Der Geruch nach Alter lag in der Luft, und der aufgewirbelte Staub brachte sie zum Niesen. Aber irgendetwas war nicht in Ordnung mit diesem Haus, ebenso wie mit der gesamten Stadt im Allgemeinen – und diesem roten Licht im Besonderen. Zögernd ging die Halbelfe weiter, doch ihre Anspannung verstärkte sich mit jedem Schritt. Sie spürte förmlich, dass sie sich mit jedem weiteren Zentimeter, den sie sich der Lichtquelle näherte, auch einer unbekannten Gefahr näherte. Und doch... eine Neugierde, die sonst eher untypisch für sie war, brachte sie dazu, weiterzugehen.
Und dann war sie in dem Zimmer, aus dem auch das Licht herrührte. Ohne es gewollt zu haben, befand sie sich plötzlich in einer geduckten Kampfstellung, die Säbel halb gezogen, den Blick auf den rotglühenden Stein fixiert. War da nicht eine Bewegung gewesen, die sie, unbewusst, aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte? Anders konnte sie sich ihre Reaktion nicht erklären. Ihre Kriegersinne hatten sie noch nie im Stich gelassen... Äußerst vorsichtig richtete sie sich wieder auf, ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, sah jedoch nichts Ungewöhnliches. Eine normale Unterkunft, wie es schien. Wäre da nicht dieser Stein, der, um sich selbst rotierend, in gewisser Weise das Zentrum des Raumes bildete und sicher zu mehr diente, als nur Helligkeit zu spenden. Und wäre da nicht dieses Gefühl, inzwischen so intensiv, dass es fast körperlich wurde, diese Ahnung, dass noch jemand in diesem Raum war, der sie und jede ihrer Bewegungen genau beobachtete, und auf den günstigsten Moment für einen Angriff wartete.. Crye wirbelte herum, doch ihre Klingen schnitten ins Leere. Die Halbelfe runzelte die Stirn. Spielte die Müdigkeit ihr Streiche?
Fast wäre sie erleichtert gewesen, als sie plötzlich eine Berührung an ihrer Schulter spürte – endlich ein Feind, der sich offen zeigte, den sie bekämpfen konnte, und nicht dieses enervierende Versteckspiel! - , wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass dieser Kontakt nicht gerade angenehm war – er rührte von irgendeinem handähnlichen Gebilde her, soweit sie das in diesem kurzen Augenblick feststellen konnte, nur, dass die Finger lange und spitze Klauen waren, und dass dieses Wesen – was immer es war – nur vier davon besaß. Das tat der Wirkung des Angriffs allerdings auch keinen Abstrich, denn eine der dolchartigen Krallen durchbohrte Crye’s linke Schulter direkt unter dem Schlüsselbein, um auf der anderen Seite wieder hervorzutreten. Aus den Augenwinkeln sah sie die blutige Klaue, schwarz und glänzend. Und gekrümmt. All das realisierte sie, und dann, als laufe in diesem verfluchten Haus die Zeit langsamer ab, als würden Schmerzempfinden aller Art verzögert, spürte sie den Schmerz, der sie, trotz aller Disziplin, laut aufschreien ließ. Mit einem Klirren fiel ihr Säbel auf den Boden, und die Halbelfe, ihren Kämpferinstinkten folgend, drehte sich herum, um ihren plötzlichen Gegner ansehen zu können. Zu spät bedachte sie dabei, dass die Hand der Kreatur noch in ihrer Schulter steckte. Zum Glück hatte das Wesen die Klaue schon zur Hälfte zurückgezogen, sodass der Schaden um einiges kleiner ausblieb, doch der Schmerz blieb grauenhaft. Crye biss die Zähne aufeinander, und schnitt mit dem ihr verbleibenden Säbel diagonal durch die Luft. Sehen konnte sie nicht mehr als verschwommene Umrisse. Ohne dass sie es hatte verhindern können, waren ihr Tränen des Schmerzes in die Augen geschossen, die ihr nun die Sicht verschleierten.
 
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Nebressyl

Knuddeliger Incubus
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Ein gellender Schrei durchdrang die unheimliche Stille. Für den ersten Moment zuckte Nebressyl zusammen. Ohne darüber nachdenken zu müssen erkannte er die Stimme der jungen Frau. Obwohl sie erst vor kurzem zu ihrer Gruppe gestossen war. Die Tonart liess nur auf eines deuten - sie steckte in Schwierigkeiten. Seine Dunkelsicht ermöglichte es ihm problemlos den Umriss des Wesens zu erkennen. Es war bösartig durch und durch. Seine Aura hätte er ohne Probleme bereits beim Betreten des Hauses spüren müssen. Aber er zögerte nicht länger. Er musste es aufhalten. Das Untier hatte ihn noch nicht bemerkt. Der Engel hoffte nur, daß er nicht zu spät kam. Mit aller Kraft stiess er das Schwert nach vorne. Mit Leichtigkeit glitt die Klinge durch den Leib des Ungetüms. Mit einem bestialischen Heulen beantwortete das Monster seinen Angriff. Ein kräftiger Ruck und die silberne Waffe war wieder frei. Pechschwarzes Blut floss aus der offenen Wunde. Das behaarte dunkle Monster brach einen Augenblick später in sich zusammen. Als wenn man die Luft aus ihm gelassen hatte fiel die Haut zusammengekneult zu Boden. Kaum war die Sicht frei erfüllte ihn Erleichterung. Die junge Frau lebte noch. Aber sie schien verletzt zu sein. Leicht verwirrt und orientlierungslos wirbelte sie ihre Krummsäbel immer wieder in die Richtung, wo zuvor das unbekannte Wesen stand. Wie von Sinnen hieb sie immer weiter in die Luft. Mit sanfter Stimme sprach er sie an.
"Es ist schon tot. Was es auch immer gewesen sein mochte - ihr habt nichts mehr zu befürchten."
Er wartete einen kurzen Augenblick auf ihre Reaktion bevor er fortfuhr.

"Ihr seid verwundet. Wenn ihr nichts dagegen habt würde ich mir eure Verletzung gerne mal genauer ansehen. Vielleicht kann ich euren Schmerz lindern und Heilung bringen."
 

Mantis

Heilende Hände
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Crye hielt in ihrem Herumgefuchtele inne, und drehte sich mit zittrigen Knien zum Ursprung der Stimme um, die sie angesprochen hatte. Sie erkannte vage, an den silbrigweißen Flügeln, dass es sich um die Engelsgestalt handeln musste, die zu ihren Gefährten gehörte.
"Ich.. bitte Euch darum..", sagte sie, zwischen zusammengebissenen Zähnen, denn der Schmerz drohte, ihr die Sinne zu rauben. Zornig ermahnte sie sich selbst, sich zusammenzureißen - sie war eine Kriegerin! Was für einen Wert hatte all dies, wenn sie bei dem geringsten Kratzer zusammenbrach und jammerte? Doch sie besaß auch genug Vernunft, um den Sinn einer Untersuchung und Behandlung durch eine erfahrene Person einzusehen, also kniete sie sich hin, und legte auch ihren zweiten Säbel auf den Boden, den Blick nun zu ihrem Retter aufgerichtet. "Danke", flüsterte sie, kaum hörbar - nie zuvor hatte sie sich bedankt, nie zuvor war es nötig gewesen, dass ein anderer sie retten musste - soviel wusste sie, auch wenn ihr konkrete Erinnerungen fehlten. Doch Vernunft und Schmerz zwangen ihren Stolz gleichermaßen nieder..
 

Anora

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Anora war bei Ilthiurs Worten mitten in der Bewegung erstarrt. Sie spürte, wie ein kalter Schauer ihren Rücken hinunterlief und sie frösteln ließ. Das Schicksal trieb grausame Scherze mit ihr, dass es ihr immer wieder so schmerzhaft ihre Vergangenheit vor Augen hielt. Und nun auch noch durch Ilthiur...
Die Halbelfe musste sich am Regal festhalten, sonst wäre sie vermutlich gestürzt. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie nun damit klar käme, erst recht jetzt, wo sie wieder in Anin war, dem Ort des Geschehens. Doch dem war allem Anschein nach nicht so. Wie lang lag das Ganze nun zurück? Ein halbes Jahr vielleicht? Doch die schützende Hand des Vergessens wollte sie noch immer nicht ergreifen. Vielleicht würde sie das nie tun.

"Der Verräter...", brachte sie mit brüchiger Stimme heraus, stockte dann jedoch einen Moment lang. "Junan... ist schon lange tot. Ich habe ihn getötet - Meinen besten Freund." Der letzte Satz war nur noch geflüstert, so dass sie sich nicht sicher sein konnte, ob Ilthiur ihn überhaupt gehört hatte. Doch die Worte waren auch weniger an ihn gerichtet, als vielmehr an sie selbst. Der Todesstoß für ihren einstigen Freund lastete noch immer schwer auf ihr, auch wenn sie natürlich wusste, dass er es gewesen war, der den Tod ihrer Familie und den Untergang Anins herbeigeführt hatte. Junan hatte den Tod verdientermaßen empfangen - Sie hatte sich gerächt. Doch seltsam, dass ihre Rache so unbefriedigend war, wenn sie daran dachte, wie Junan früher gewesen war, als sie noch Freunde waren...
Dann erinnerte sie sich daran, was Monaghan gesagt hatte, als sie Junan die letzte Ehre erwiesen hatte: "Macht Euch keine Vorwürfe. Ich schätze, der Mensch, der er mal war, starb bereits, als er auf Lokkadamuz' Angebot einging. Das hier... keine Ahnung, was er war."
Monaghan... Auch er war schon lange von ihnen gegangen.

"Junan war kein schlechter Mensch.", sagte sie in plötzlichem Aufbegehren. Warum sie ihn verteidigte, hätte sie selbst nicht sagen können, doch sie spürte, dass es das richtige war. "Seine Seele war vergiftet von der Gier nach Gold und Macht. Der Dämonenlord Lokkadamuz hat ihn dazu verleitet, alles aufzugeben, das ihm einst wichtig gewesen war. Es war nicht sein eigener Wille. Er hätte niemals, seine Eltern... Rya und Xeridal. Ihr hättet sehen sollen, wie sehr er sie liebte! Wäre er noch bei Sinnen gewesen, so wären sie jetzt nicht tot."
Ihre kurze Schwäche war wie weggeblasen und voller Stolz richtete sie sich auf. Tatsächlich überkam sie einen Moment lang das Gefühl von Stolz - Stolz auf das, was sie war: Ein Kind Anins. Ob es wohl die Geister ihrer verstorbenen Freunde waren, die hier, weit unter der Oberfläche, auf der einst ihr geliebtes Dorf gestanden hatte, zu ihr gekommen waren, um ihr Kraft und Mut zu geben?
"Ich wurde hier, in Anin, geboren und lebte dort bis zu dem Tag, an dem Junan in Lokkadamuz Namen kam, um alles, was ich bisher kannte, zu vernichten. Keiner außer mir hat überlebt... Es scheint wie ein Wunder, ich weiß, doch es ist die Wahrheit. Alleine hielt ich es in meinem zerstörten Dorf nicht lange aus und so ging ich, mit dem einzigen Ziel, Lokkadamuz zu finden und zu töten, auf Wanderschaft. Doch ich wusste nicht viel von der Welt außerhalb von Ayémlen, dem Wald rings um Anin, und hatte nicht die geringste Ahnung, wohin ich mich wenden sollte. Wahrscheinlich wäre ich schon nach kürzester Zeit einigen Räubern zum Opfer gefallen, doch statt dessen traf ich auf Sir Firekahn und..." Der Rest der Gruppe war bereits zerfallen und in alle Winde zerstreut. "Gemeinsam suchten wir nach Mitteln, Lokkadamuz zu schwächen und letztendlich zu zerstören, und so führte uns unser Weg schließlich hierher.
Das ist meine Geschichte."
Vielleicht war es unvorsichtig gewesen, dem Silberelfen all das zu erzählen, doch sie spürte nichts Böses in seiner Gegenwart und hoffte von ganzem Herzen, dass ihr Vertrauen in ihn gerechtfertigt war und er sie nicht enttäuschen würde. So, wie Junan es einst tat.

Weder Anora noch Ilthiur wussten von dem, was im unteren Stock vor sich ging. Sie hatten keine Ahnung, dass sie, als sie die Wendeltreppe hinaufgestiegen waren, einen hochmagischen Bereich betreten hatten, der von allen äußeren Einflüssen - so zum Beispiel auch Geräuschen von außerhalb - abgeschirmt war. Wahrscheinlich hatte dieser Raum für den Magier, der hier einst gelebt hatte, die Funkion eines Ruhezimmers, in dem er ungestört arbeiten konnte... Sicher war jedoch nur, dass die Wendeltreppe eine Art Sphäre um das obere Stockwerk zog. Daran war nichts außergewöhnliches... Für eine Magierstadt.
 

Zhuge Liang

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Ilthiur lauschte Anoras Worten still und starrte dabei ins Leere.
Dank seiner Elfenohren konnte er auch noch ihren geflüsterten Satz hören und er spürte ihren Schmerz über den Verlust. Selten hatte sich ihm jemand so offenbart und er fühlte sich auf eigentümliche Weise mit Anora verbunden, ihre Geschichte war ein Teil seiner und umgekehrt.


"Ich werde Euch helfen, Lokkadamuz zu vernichten...."

Er drehte sich um und blickte ihr entschlossen in die Augen, er wollte ihr etwas Zuversicht schenken. Denn genau die würden sie noch oft brauchen, davon war Ilthiur überzeugt. Dann einer plötzlichen Eingebung folgend umarmte er sie kurz, sie wirkte auf ihn so, als hätte sie schon lange keine Gelegenheit für so etwas gehabt hatte.
Nach einer kurzen Zeit ließ er sie wieder los und räusperte sich.

"Wir sollten vielleicht wieder nach unten gehen, hier finden wir ja doch nichts, denkt Ihr nicht auch?"
 

Nebressyl

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Ohne zu zögern beugte er sich über die junge Frau. Der Schmerz der Wunde schien ihr die Tränen ins Auge zu treiben. Liebevoll wischte er über ihre rechte Wange. Seine Flügel spreizte er auseinander um seine Kraft zu fokussieren. Bisher hatte er es noch nicht gezielt versucht eine Person zu heilen. Es war sein erster Versuch und er hoffte innerlich nicht zu versagen. Den was sie auch immer verletzt hatte - eine Ansteckung oder Infektion konnte er nicht ausschliessen. Sanft legte er seine rechte Hand auf ihre Schulter und die Linke auf ihre Stirn. Dies tat er mehr um sie zu beruhigen und bei Sinnen zu halten. Seine ganze Konzentration legte er auf die rechte Hand an ihrer Schulter. Es dauerte einen kurzen Moment bis ein angenehm warmes Licht unter der Hand durchdrang. Aber anders als erwartet schloss sich ihre Wunde nicht. Stattdessen fing an leichter Rauch aufzusteigen. Das Gesicht Cryes verzerrte sich zusehends zu einem von Schmerzen gepeinigten Körper. Erschrocken hielt er in der Genesung inne und wisch zurück. Warum hatte er es nicht sofort bemerkt?
Nun erst erkannte er das Offensichtliche. Was hatte seine Instinkte blockiert? Weshalb war sie hier? Wusste sie überhaupt, was in ihr steckte?
Massenweise Fragen schossen ihm durch den Kopf. Verwirrt blickte er sie an. War für sie schon alles zu spät? Oder gab es für sie vielleicht doch eine Chance? Das musste er herausfinden. Solange er keine Gewissheit hatte, so beschloss er kurzerhand, würde er sich ihrer annehmen. Der grösste Fehler wäre mit Sicherheit gewesen, sie sich selbst zu überlassen. Sein Gesicht nahm einen zunehmend verklärten Ausdruck ein und er versuchte ein gezwungenes Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern.

"Es tut mir leid. Anscheinend bin ich schon zu erschöpft euch zu helfen. Das Wesen muss wahrhaft mächtig gewesen sein."
Grübelnd schaute er auf das ihm unbekannte Schwert, daß wieder in seiner Scheide ruhte.

"Aber ihr müsst bei Bewusstsein bleiben. Zu eurer eigenen Sicherheit. Erzählt mir doch von eurer Kindheit - und euren Eltern."
Fordernd blickte er direkt in ihre verweinten Augen. Still hoffte er jede erdenkliche Information von ihr zu bekommen, die er benötigen würde um ihr zu helfen. Sollte dies überhaupt in seiner Macht liegen.
 

Mantis

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Crye zuckte zusammen, als Nebressyl seine Hände auf ihre Stirn und ihre Wunde legte, nicht jedoch wegen der Verletzung – nein, nur die sanfte Berührung des Engelswesen verursachte ihr brennende Schmerzen, unerträglich, und mit nichts zu vergleichen, was sie je erlebt hatte. Und als er mit der eigentlichen Heilung begann, intensivierte sich der Schmerz noch, und sie musste all ihren Willen aufbringen, um nicht laut aufzuschreien. In dem kurzen Moment, den die Heilung andauerte, hetzte ein Bild durch ihre Gedanken, nur sekundenlang, doch reichte dieser kurze Augenblick, um diesen Fetzen ihrer Erinnerung tief in ihr Gedächtnis zu prägen: Ein fanatisch blickendes Gesicht, mit einem eintätowierten heiligen Symbol auf der Stirn, und die dazugehörige Hand, die grellweiß pulsierendes Licht verströmte, die Hand eines Klerikers, wie sie sich erinnerte, die Hand, die sich ihr näherte, und wie Feuer auf ihrer Haut brannte, als sie sie berührte.
Entfernt drang die Stimme des Engels zu ihr durch. Sie verstand den Sinn seiner Worte; er sagte, er habe keine Kraft mehr, sie zu heilen – doch Crye wusste, dass das nicht der Grund für den Misserfolg der Heilung war. Irgendetwas.. stimmte da nicht, und sie war sicher, dass es nicht an ihm lag.
Er fragte sie etwas, irgendetwas über Eltern und Vergangenheit, und sie antwortete mechanisch, ohne sich ihrer Worte bewusst zu sein, bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie ihren Mund verließen.


„An meinen Vater habe ich keine Erinnerung, und meine Mutter, von der ich aufgezogen wurde, weigerte sich, mir auch nur seinen Namen zu verraten. Meine Kindheit war ruhig, zumindest im Vergleich zu dem, was ich hier mit euch schon erlebt habe. Ich habe den Umgang mit den Säbeln bei einem Kampfmagier namens Asturias gelernt. In seinem Turm habe ich mehr Zeit verbracht, als in dem Dorf, in dem auch meine Mutter wohnte. Eigentlich.. kam ich nur nach Hause, um dort zu schlafen, manchmal nicht einmal dann. Die Dorfbewohner mochten mich nicht, sie hatten Angst vor mir denke ich, auch wenn ich nicht verstehe, warum das so war.. Und meine Mutter.. sie.. war genau wie die anderen: sie versuchte, es zu verbergen, doch ich erkannte es, an den kleinen Dingen, an der Art ,wie sie mich musterte, wenn sie dachte, ich würde es nicht bemerken, oder wie sie zusammenzuckte, wenn ich den Raum betrat, in dem sie sich befand.
Der einzige, der mir Freundlichkeit entgegenbrachte, war mein Mentor.“

Crye hielt inne, erschrocken darüber, wie leicht die Worte ihr über die Lippen kamen. War das.. ihre Vergangenheit? Verwundert suchte sie in dem Gesicht ihres Gegenübers nach einem Zeichen, das ihr verraten könnte, ob er ihr glaubte oder nicht. Und was war mit ihr selbst? Glaubte sie selbst, was sie gerade gesagt hatte? Aber es fühlte sich
richtig an – das, was sie soeben fast schlafwandlerisch erzählt hatte, war ihre Vergangenheit.
Sie zögerte. Durch ihre fast automatischen Antworten eröffnete sich ihr abrupt mehr und mehr von ihrer Vergangenheit: es war, als habe sie nun das lose Ende der Kette ihrer Vergangenheit gefunden. Sie musste einfach nur offen sein für die Eindrücke, die sich ihr eröffneten. Doch berichtete sie nun nicht mehr ihrem aufmerksamen Zuhörer von der sich fortsetzenden Erinnerung. Zum einen, weil sie erst einmal abwarten wollte, wie ihr Bericht auf Nebressyl wirkte, sondern auch, weil ihr aufging, dass der Teil ihrer Geschichte, der nun folgte, von großer Bedeutung war. Und auch, wenn sie dem Engelswesen Vertrauen entgegenbrachte, dachte sie bei sich, dass es vielleicht besser wäre, ihm das Weitere zu verheimlichen – oder zumindest fürs Erste zu verschweigen.

Fragend blickte sie Nebressyl an. Die furchtbare Wunde an ihrer Schulter, deren Ränder nun leicht angebrannt waren, hatte sie fast vergessen – nur ein stetiges Pochen und ein vager Schmerz waren geblieben.
Wusste er, dass er ihr geholfen hatte, einen Teil ihrer Identität wiederzuentdecken? Oder hatte er mit seinen Fragen nichts anderen bezweckt, als sie von ihrem Schmerz abzulenken?
Was auch immer seine Motive waren, es hatte ihr geholfen.
 

Anora

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Wenige Atemzüge lang herrschte eine betretene Stille zwischen dem Silberelfen und der Halbelfe. Seine Worte und sein Handeln hatten die junge Frau überrascht und für einen Moment sprachlos gemacht. Es war lange her, dass jemand ihr so nahe getreten war wie Ilthiur in diesem Augenblick, doch die Erinnerung an das Wirtshauszimmer, in dem sie zusammen mit Monaghan gesessen hatte, war noch lebendig. Lebendiger, als je zuvor. Es war ein eigenartiges Gefühl, das sie verspürte.
"Wir sollten vielleicht wieder nach unten gehen, hier finden wir ja doch nichts, denkt Ihr nicht auch?"
Seine Worte rissen sie jäh in das Hier und Jetzt zurück. Verlegen schüttelte sie den Kopf und sah an dem Silberelfen vorbei die bisher unberührte Regalwand entlang.
"Es gibt hier noch so viel... So viel altes Wissen! Vielleicht ist darunter auch etwas, das uns nützen kann. Wir sollten uns noch ein bisschen hier umsehen, denke ich."
Und auf Ilthiurs zweifelnden Blick, als er dem ihren folgte und die zahllosen Schriften erblickte, die noch darauf warteten, von ihnen untersucht zu werden, fügte sie noch ein schlichtes "Bitte..." hinzu.
Tatsächlich wollte sie nur Zeit gewinnen. Sie fühlte sich im Moment nicht in der Lage dazu, nach unten zu den anderen zu gehen, auch wenn Ilthiur wahrscheinlich Recht hatte. Und selbst wenn sie es möglicherweise geschafft hätte, ihre Aufgewühltheit vor den anderen zu verbergen, so wäre dies doch spätestens an dem Druck, ausgehend von der ungewissen Bedrohung, die draußen auf sie wartete, gescheitert.
Vielleicht las Ilthiur in ihren Augen, was in ihr vorging, vielleicht erahnte er es auch nur - Zumindest gab er ihrer Bitte mit einem knappen Nicken nach. Anora war ihm dafür zutiefst dankbar.
Die Halbelfe wendete sich wieder den Regalen voller verstaubter Pergamente und Bücher zu und schien sich darin zu vertiefen. Sie zog eins nach dem anderen heraus, wischte vorsichtig den Staub davon ab, stets darauf bedacht, behutsam vorzugehen, da nicht wenige der uralten Schriftstücke noch in ihren Händen zu Staub zerfielen, der sich sogleich mit dem vorherigen vermischte, um weitere Überbleibsel aus vergangenen Zeiten zuzudecken. Obwohl ihre Gedanken in diesem Moment wie ein Bienenschwarm durch ihren Kopf brausten und sie kaum zur Ruhe kommen liesen, kam sie doch nicht darum herum, jenen Magiern, aus deren Federn diese Schriften entsprungen waren, den ihnen gebührenden Respekt zu zollen. Sie verstand nicht viel, von dem, was sie da in die Hände bekam, doch was sie sah, das war von Meisterhand geschrieben oder gemalt und zeugte von großem Wissen. In diesem kleinen Raum befand sich mehr Wissen, als sie in ihrem ganzen Leben je erlangen würde, dessen war sie sich sicher.
Schließlich war sie ruhiger geworden und auch ihre Gedanken gingen wieder zumindest halbwegs geordnete Bahnen. Trotzdem gab es für sie noch etwas zu erledigen, bevor sie auf Ilthiurs Vorschlag die Treppe hinabstieg und sich erneut den Gefahren dieser fremden und unheimlichen Stadt stellte. Sie hielt noch ein Pergament in der Hand, doch machte keinerlei Anstalten, es zurück in das Regal zu räumen. Statt dessen drehte sie sich herum und sah den Silberelfen noch einmal an, der missmutig und hoffnungslos in den staubbedeckten Fächern wühlte. Es waren seine Worte, die ihr nicht aus dem Kopf gehen wollten:
"Ich werde Euch helfen, Lokkadamuz zu vernichten..."
Von wie vielen hatte sie schon ähnliche Worte gehört? Und wie viele waren davon übrig geblieben? Fast keiner. Warum also sollte Ilthiur halten, was er versprach? Wissen konnte sie es natürlich nicht, aber... Sie hatte das Gefühl, als würde er halten, was seine Worte hoffen machten. Allein schon deswegen, weil er hierhergekommen war, um seine Pflegeeltern zu rächen.

"Ilthiur...?" Sie wartete einen Moment, bis der Silberelf reagiert und sich zu ihr umgedreht hatte, bevor sie weitersprach. "Eure Worte von vorhin... Ich sehe sie nicht als Versprechen. Es ist viel verlangt von jemandem, der nicht alles verloren hat, dass er auszieht um einen unbesiegbaren Gegner zu besiegen." Sie lächelte leicht. "Aber ich würde mich freuen, wenn Ihr uns, wenn wir hier lebend heraus kommen, weiterhin begleiten würdet!"
Und sie hoffte, sie würde sich nicht in ihm täuschen!
Die Halbelfe hielt einen Moment inne, den Blick auf das Pergament gesenkt, doch dann fuhr sie plötzlich auf und grinste den verdutzen Elf breit an.

"Und ich hatte doch Recht! Ich wusste doch, dass wir hier fündig werden würden!"
Stolz hielt sie ihm das ausgerollte Pergament entgegen. Als Ilthiur erkannt hatte, um was es sich handelte, sah er erstaunt auf. Das hier könnte ihnen tatsächlich von Nutzen sein. Denn was Anora da in den Händen hielt war nichts weniger als eine Karte - Eine Karte, über der in kunstvoll verzierten Buchstaben der Name Fel'Ishtan geschrieben stand. So also bekam die fremde Stadt endlich einen Namen.
 

Zhuge Liang

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Ilthiur war verwirrt. Zunächst einmal über Anoras seltsame Worte bezüglich seines Versprechens. Er sah seine Worte als eindeutiges Versprechen an und wollte sie eigentlich auch als solche gelten lassen. Doch bevor er Anora diesbezüglich antworten konnte, zeigte sie ihm die Karte und brachte ihn damit völlig aus dem Konzept.
Verwundert blickte er erst die Karte, dann Anora, dann wieder die Karte an, bis er schließlich wieder seine Sprache fand.


"Das... ist interessant... und wirklich nützlich... Meine Entscheidung war wohl etwas vorschnell...Ihr hattet Recht."
Dann grinste er sie an.
"Nun, damit können wir wenigstens etwas vorweisen, wenn wir nach unten gehen. Wollen wir?"
Er wollte sich gerade zum gehen umdrehen, denn er war sicher, dass sie hier nun nicht mehr viel nützliches finden würden, schließlich waren fast alle Bücher und Schriftrollen hier entweder schon so verfallen, dass sie nicht mehr lesbar waren, oder sie waren in einer fremden, unverständlichen Sprache geschrieben. Plötzlich drehte er sich auf der Stelle um
"Meine Worte vorhin waren übrigens ernst gemeint... ich habe die ernste Absicht, Euch bei Eurem Vorhaben zu unterstützen. Also werde ich Euch noch begleiten, wenn wir hier fertig sind."
Er drehte sich erneut um und wollte gerade auf den Ausgang des Raumes zugehen, als er eine Bewegung in den Augenwinkeln wahrnahm.
Ruckartig drehte er sich um und blickte sich angestrengt um.
Nichts... alles war ruhig. Anora blickte ihn fragend an.

Da war die Bewegung wieder.

Er schaute sich wieder um und sah diesmal auch aus dem Fenster...
und genau da sah er wieder eine kurze Bewegung, ohne erkennen zu können, was es war. Mit einer Handbewegung bedeutete er Anora, still zu sein.
Er duckte sich und schlich zu dem Fenster hin. Als er es erreicht hatte, spähte er noch einmal vorsichtig hinaus und versuchte, etwas genaueres als dunkle Schatten zu erkennen.
Als er sich gerade einreden wollte, dass er sich wohl getäuscht hatte, erblickte er plötzlich wieder etwas...
Es war ein Schatten... und er bewegte sich... sehr schnell... direkt auf das Fenster zu.

"In Deckung" rief er und konnte gerade noch den Kopf einziehen, als im nächsten Augenblick etwas schwarzes durch die Fensterscheibe flog und im Zimmer landete. Ilthiur war mit einem satz aufgesprungen und zog sein Schwert, bereit, was auch immer das war sofort anzugreifen.
 
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