Fortsetzungsgeschichte (Teil 2)

Nebressyl

Knuddeliger Incubus
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Wissbegierig lauschte er mit ungeteilter Aufmerksamkeit den Worten der jungen Frau. Oder sollte man besser sagen - er saugte sie regelrecht in sich auf? Jedes einzelne in seiner Art zu untersuchen und auf die Hinweise zu untersuchen, die er hoffte über ihr wahres Wesen zu entdecken. Wahrlich, sie lieferte ihm mehr Ansatzpunkte als er gehofft hatte. Viele von ihnen konnte er als Bestätigung seiner Vermutung erahnen. Oder war es eher eine Vermutung? Was wäre, wenn er es nicht schaffen würde sie auf den rechten Weg zu bringen? Wenn er in diesem Fall versagen würde?
So langsam kam ihm ein dunkler Gedanke. War vielleicht gar nicht die Waldläuferin und der Kampf gegen seinen ärgsten Feind seine Vergebung - sondern diese junge Frau vor all dem zu bewahren, was ihr bevorstehen könnte? Fragen über Fragen unter so vielen Antworten vergraben.
Mit aller Kraft versuchte er seine Überlegungen aus seiner Mimik herauszuhalten. Aber ob es ihm gelang?
Nachdenklich erwiderte er Cryes Blick. Was sollte er tun? Mit seinen Kräften konnte er ihr keine Hilfe sein. Nur all das Böse, daß versuchen könnte Einfluss auf sie zu nehmen, konnte er von ihr fern halten. War dies Zauberwesen vielleicht nur der Anfang?
Ohne sie zu berühren sprach er tröstende Worte.

"Mein Kind, schäme dich nicht deiner Kindheit. Freu dich darüber, daß du eine hattest. Denn glaub mir, nicht jedes Wesen hat solch Glück, wie ihr."
Gerne hätte er ihr die Tränen von ihren Wangen gewischt um ihr Zuversicht zu geben. Aber er wollte es vermeiden ihr weitere Schmerzen zuzufügen. So lange er nicht mit Sicherheit sagen konnte, wie stark das Blut in ihr war, so lange musste er die Distanz wahren!
 

Anora

Wanderer
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Anora erwiderte Ilthiurs Worte lediglich mit einem sanften Lächeln. Wie sehr sie doch hoffte, dass er die Wahrheit sprach. Aber sich darauf verlassen würde sie sich nicht. Nicht mehr. Die Vergangenheit hatte ihr zu oft etwas anderes gelehrt.
Schweigend folgte sie dem Silberelfen auf den Ausgang der kleinen Dachstube zu, an den die Wendeltreppe anschloss. Die Karte hielt sie fest in ihrer Linken, jedoch sorgsam darauf bedacht, ihren Schatz nicht zu zerknicken. Auch wenn das vergilbte Stück Pergament vielleicht keinen materiellen Wert hatte, so war es für sie in diesem Moment doch kostbarer als jeder Berg von Gold.
Völlig unvermittelt machte Ilthiur kehrt und ermahnte sie mit stummen Gesten dazu, still zu sein. Anora gehorchte, auch wenn sie den Grund dafür nicht kannte. Die Sinne des Elfen mochten schärfer sein als die ihre, die sie zwar ein Leben lang trainiert hatte, die jedoch nicht mit denen eines Angehörigen der elfischen Rasse, deren Blut nur zum Teil in ihren Adern floss, mithalten konnten. So trat sie lautlos einen Schritt zurück, bis ihr Rücken das sich hinter ihr befindende Regal berührte. Auf diese Weise würde sie im Falle eines Angriffes zumindest von einer Seite gedeckt sein. Sie wartete geduldig ein paar Atemzüge lang, doch nichts passierte. Vielleicht hatte sich Ilthiur auch nur getäuscht und es gab gar nichts, wovon eine Bedrohung für sie ausgehen könnte. Doch in dem Moment, in dem sie ihre sichere Position aufgeben wollte, drang der gellende Schrei des Elfen an ihr Gehör:

"In Deckung!"
Anora folgte dem Befehl, doch sie war nicht schnell genug. Noch in der Bewegung wurde sie von einer gewaltigen Wucht ergriffen, die sie gegen die Regale schleuderte und sie, zusammen mit diesen, zu Boden gehen lies.
So viel Staub wie in diesem Augenblick hatte die Halbelfe wohl noch nie in ihrem Leben um sich herum gehabt. Die kleinen Körnchen waren einfach überall: In ihrem Mund, in ihrer Nase, in ihren Augen, unter ihrer Kleidung… Hustend versuchte sie, den lästigen Staub zumindest aus ihren Atemwegen zu bekommen, doch vergebens. Aber es war nicht nur der Staub, der ihr das Atmen erschwerte. Sie hätte nie geahnt, welch ein Gewicht ein paar alte Bücher und Pergamente haben konnten. Nun, da ihr Körper darunter begraben lag, wusste sie es. Aus Angst, dass durch eine ungeschickte Bewegung von ihr noch mehr Regale zu Bruch gehen könnten, richtete sie sich nur langsam auf. Gleichzeitig quälte sie jedoch die Gewissheit, dass irgendwo in der Stube noch eine unheimliche Kreatur lauerte. Und sie wusste nicht, wo…
Das erste, das sie mit ihren stark tränenden Augen erkennen konnte, war das Fenster, durch das die Kreatur hineingelangt war. Anora blinzelte ein paar Mal, denn sie vermutete, dass sie nicht richtig sah, doch das änderte nichts daran, dass die Fensterscheibe unzerbrochen und ohne den geringsten Kratzer im Rahmen hing. Dabei hatte sie doch selbst gesehen, wie das Untier hindurchgeflogen war… Aber wie war das möglich?
Voller schrecklicher Vorahnungen streifte sie auch die letzten Bücher ab und stand nun endlich wieder auf eigenen Beinen. Etwas wackelig zwar, aber immerhin. Sie war umhüllt von einer Staubwolke, die ihr die Sicht erschwerte, so dass ein paar Sekunden verstrichen, ehe sie Ilthiur erkannte. Er war in die hinterste Ecke des Raumes gedrängt worden und verteidigte mit seinem Schwert verzweifelt sein Leben. Doch was war das für eine Kreatur, gegen die er da ankämpfte? Es war nichts von Bestand, eher einem Schatten gleich. Anora hatte während dem Fall den Krummsäbel ihres Bruders verloren und mit ihrer Hellebarde hätte sie in dem engen Raum nichts auszurichten vermocht. So nahm sie sich, was sie in die Finger bekam – in diesem Fall handelte es sich um ein schweres Buch – und sprang damit auf die geisterhafte Gestalt zu, um Ilthiur zu Hilfe zu kommen. Doch das Buch, das sie mit aller Wucht auf die Kreatur geschleudert hatte, fiel durch sie hindurch wie durch Luft. Erschrocken wich sie ein paar Schritte zurück, als sie erkannte, dass auch Ilthiurs Schwert nichts auszurichten vermochte. Die Schattengestalt wurde lediglich noch von seinen wilden und verzweifelten Rundumschlägen davon abgehalten, sich auf ihn zu stürzen. Voller Panik suchte die Halbelfe nach einem Ausweg aus dieser Situation, doch sie fand keinen…
 

Lara-Mira

Jazz-Katze
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Firekahns Stimme hallte in ihren Ohren wieder. Seine Stimme hatte ihren Kopf gefüllt, erschien ihr unwirklich und geisterhaft; geisterhaft wie der zerfressene Leichnam zu ihren Füßen.
Es ließ sie erschaudern, denn sie wollte nicht an Geister denken, nicht in dem Dunkel, nicht hier, nicht jetzt.
Es war nicht richtig. Sie hob den Kopf und sah gen Decke. Sie sehnte sich nach Auenstein. Noch mehr nach ihrem Vater, ihren Brüdern. Ihre Brüder hätten sie herausgeführt aus diesem Grauen. Sie geschützt, sie getragen.
Es war still.
Ihre Augen drehten sich zurück und hafteten an dem gemarterten Leib des Toten wieder. Er war Mahnmal, Hinweis,... Zukunft?
Sie löste sich angewidert und drehte dem Schauplatz der Gewalt den Rücken. „Nicht meine Zukunft!“ röchelte sie. Die Augen von Firekahn und Lightbringer starrten sie an, das wusste sie. Sie sah schräg über ihre Schulter. Sie wollte dem Ekel gehörig eins auf die Nase geben, das emsig und uneingeladen an ihr empor krabbelte.

Lara ging. Die steinerneren Stufen herab. Den Weg, den Unausweichlichen, zu beschreiten. Der Weg der Dunkelheit formte sich zu ihrem. Sinnlos sich den Kopf zu zerbrechen, wohin er sie führte. Und er führte sie geradewegs in die Verdammnis, die sich so nach der jungen Frau sehnte...

Die Vorboten der Verdammnis, die Nebelfetzen der Finsternis, feucht und klamm, umschwirrten sie, kamen heran. Nah und näher flogen sie, zogen und zerrten an ihr; liebkosten sie.
Aufdringlich und beschämend behafteten sie sie mit Übel und Gestank. Das Böse begann sich von ihr zu nähren, sie mit Genuss zu verzehren.

Die Schritte der beiden Männer begleiteten ihren Herzschlag im Hintergrund, aber die Schritte brachten keinen Mut, keinen Trost. Sie schüttelte die Schultern, wehrte die Nebel ab, nur um sie einzuladen, sie wieder und wieder mit tödlicher Spur zu umgarnen...

Ein Windstoß fuhr durch die Stadt, die Graue; bewegte den staubigen Nebel, umspielte ihre Haare und versiegte. Stille! Die dumpfen Schritte der Ritter erstarben, setzten sich aber rasch wieder in Bewegung, als die junge Frau mit bleiernen Schritten weiterging.

Ein Knacken, ein Knarzen.
Pause.
Ein Flitzen, ein Flüstern.
Pause.
Links, Rechts, Nord, Süd.
Sie waren Vielzahl. Sie waren Übermacht. Der Weg verengte sich mehr und mehr. Ein paar Schritte noch und sie würde angekommen sein in der Verdamnis.

Einerlei! Weiter! Nur weiter! Ihr Herz schlug den Takt ihrer Füße und ihr Herz schlug schnell.

Bilder formten sich auf ihren letzten lebenden Schritten in ihrem Kopf. Aus den grausigen Bildern wurden Buchstaben und Worte, denen Firekahn in dem Turm seine Stimme geliehen hatte
:“Dunkelheit... Undurchsichtige Dunkelheit... Fortschreitene Dunkelheit die alles frisst... Meine Kameraden wurden von der Dunkelheit verschlungen... Ich, der Herrscher werde nicht in die Dunkelheit gehen... Ich höre die Dunkelheit... Sie kommt mich zu holen."

Lara verharrte neugierig. Ein vertrautes, beinah zärtliches Kribbeln begann ihren Körper zu durchfließen. Die junge Frau hielt still. Während die Dunkelheit sie umlauerte und den Kreis enger zog.
Schwerter wurden gezogen. Lara verspürte Gleichmut gegen Heldenmut und drückte das warme freundliche Kribbeln entnervt zurück. Schwerter? Was sollten die bringen? Man konnte das Dunkel nicht mit Klingenstärke bezwingen. Was man brauchte war Licht. Licht in der Dunkelheit. Doch Licht gab es nicht an diesem Ort. Fackeln verloren sich, erloschen, erstickten.
SIE würde ersticken! Die Gewissheit des bevorstehenden Endes war nun zum Greifen dar. Lara keuchte vor Grauen. Sie hatte längst aufgegeben, den Blick zu wenden oder das Kurzschwert empor zu heben. Ihre Augen weiteten sich und sahen den Wesen einladend entgegen. Das Amulett Aduns stahl sich in ihre Hand und sie umklammerte es instinktiv mit ihren kalten Fingern.

Und ein erhebender Gedanke wuchs in ihr: Nicht ihre Zukunft. Das hatte sie im Turm doch gesagt. Nicht Tod und Finsternis würde sie vom Leben holen.
Das Bild wandelte sich und der sich verengernde Weg schloss sich nicht. Eine seltsame Veränderung ging mit Lara einher.
Die junge Frau vibrierte, als die Nebelschwaden sie in ein Netz aus Dunkelheit woben. Ohne eile, ohne Achtung, mit viel Fleiß wurde sie eingesponnen. Sie hörte die Männer knurren und die Schwerter schlugen wiederholt ohne Macht.
Ihr Vibrieren wogte mehr und mehr auf. Es rüttelte und schüttelte sie. Nicht mehr arg lange, und sie würde die Besinnung verlieren. Damit die Schmerzen und die Kälte. Wunderbar. Das angenehme Kribbeln nahm an Hitze zu. Es tat weh. Sie wollte es verhindern, aber das Amulett erwärmte sich. Sie war verblüfft. Adun schien sich zu wehren; er schien verantwortlich zu sein, für das Kribbeln, die Wärme. Sie sah, wie die Männer in die Knie gingen. Je mehr sie die Schwerter zum Kampfe erhoben, desto schlimmer erging es ihnen. Aus Gleichmut wurde Kopfarbeit. Und die Verdammnis hasste Kopfarbeit; fast so wie die Wärme.

Und Lara verstand endlich. Ihr Kopf focht einen heißen Kampf mit der eingeimpften Gelassenheit der Schattenwesen, die sie mit Geiserfesseln gefangen hielt. Adun ohrfeigte sie, forderte sie auf, das zu tun, was es für sie zu tun gab. Und Wufgars ferne Augen sahen sie an, duldeten keinen Widerspruch:

„Besiege die Furcht“

Und Lara lächelte. Sie lächelte ein Lächeln des Versehens, des Verstandes, des Fühlens. Und die Nebelfetzen der Unterwelt lösten sich hilflos von ihr. Mehr noch: Lara lachte. Sie lachte inmitten der Schatten. Und dieses Lachen wuchs, denn ein böse schmerzerfülltes Fauchen antwortete ihr.


Die Dunkelheit, die Schatten, zogen sich kreischend zurück. Zurück von ihr, zurück von ihren Begleitern.
Und ihr Lachen war nun ungebremst. Es tanzte vergnügt durch die Gänge und suchte sich den Weg zu seiner Bestimmung.
Das Lachen, ihres und Aduns, fand wie selbstverständlich ihr Ziel. Es umspielte ein todbringendes Schattenmonster und nahm es gleich einer zündelnden Schlange aus Tönen gefangen. Ohne es selbst zu erahnen, verschaffte Lara damit Anora, Crye, Ilthiur und Nebressyl eine Gelegenheit....
 
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Sir Firekahn

Konservendose
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Ihre Waffen hatten - wie erwartet- keine Wirkung gezeigt nachdem Lara sie in einem fast tranceartigen Marsch in die Dunkelheit geführt hatte. Die seltsame Nacht begann schon in sie einzudringen und sie auszusaugen, ihnen das Leben aus den Adern zu pressen.

Beide Paladine wehrten sich aber selbst ihre jahrzehntelange Disziplin und ihre Erfahrung in Geisteskämpfen brachten ihnen kaum mehr als etwas mehr Zeit in dem verzweifelten Rückzugsgefecht in ihrem eigenen Verstand. Schon begannen die dunklen Schwaden sich für sie zu lichten und sie konnten durch den Dunst seltsam klar andere Wesen sehen, die anteilos auf sie zuschlurften. Doch ein starkes Gefühl des Desinteresse machte sich in ihnen breit, ein Desinteresse das allem galt, sogar ihrem Leben, sie begannen zu vergessen, in einen Sog aus Stimmen zu verschwinden, ein Teil der Dunkelheit zu werden als wie ein Hauch von zu Schall gewordenen Lichtes zu ihnen Drang, ein Lachen...

Lachen?

Menschen...

Lara...

Die letzten Reste von Firekahns Verstand begannen sich plötzlich gegen das Abdriften in die Lethargie zu wehren und mit eisernem Willen erwachte er wieder, starr in der Landschaft stehend. Lara hatte sie gerettet, aber er wusste das gegen die seltsamen Wesen, die noch immer, nun klar sichtbar, auf sie zutappten, ihre Schwerter an der Reihe waren. Uther war noch bleich an seine Klinge vor zischend aus der Scheide und kampfbereit schloss sein Ordensburder das Visier. Es war Zeit sich bei der Dame zu revanchieren und selber wieder etwas für die Sicherheit der Gruppe zu tun. Es war gut endlich wieder einen Gegner zu haben den sie mit ihren Waffen bekämpfen konnten, es war gut das schwere Schwert in der Hand zu spüren und es war gut den warmen Schweiß des Kampfes auf Firekahns eisiger Haut zu spüren...
 

Zhuge Liang

Funky Paladin
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Und wieder... und wieder... und wieder versetzte er der Kreatur einen eigentlich tödlichen Treffer. Und wieder schnitt sein Katana durch das Schattenwesen wie durch Luft. Ilthiur begann sich langsam zu fragen, warum das Wesen sich noch nicht auf ihn gestürzt und ihn getötet hatte, seine Waffe schien ihm absolut nichts auszumachen.
Er hatte Anora aus den Augen verloren, weil das Wesen scheinbar instinktiv direkt den Silberelfen attackiert hatte.
Wieder schwang er sein Katana auf seinen Gegner, wieder ohne Wirkung... wieder kam das Wesen einen kleinen Schritt näher, wieder wich er ein kleines Stück zurück...

Bis er plötzlich an seinem Rücken viele kalte Buchrücken fühlte.
Nun saß er in der Falle.

Er wusste nicht, was er noch tun konnte und schlug immer verzweifelter nach dem Schattenwesen.
Die schwach silbrig leuchtende Klinge fuhr mit einer extremen Geschwindigkeit durch die Luft und durch das Schattenwesen und tatsächlich schien das Wesen ob diesem verzweifelten Angriff kurz zurückzuweichen.
Ilthiur wusste nicht recht wie ihm geschah und verwirrt zögerte er einen kurzen Moment, in dem er sich in dem Raum kurz umsah. Und was er sah erstaunte ihn. Das Wesen schien gewachsen zu sein und nahm nun fast die gesamte komplett dunkle Fläche des Raumes ein. Oder zumindest wirkte in diesen Bereichen die Dunkelheit noch dunkler und irgendwie... lebendig.
Allerdings war das Wesen nirgends dort zu sehen, wo das Zimmer von dem schwachen Licht das durch das Fenster fiel erleuchtet wurde.
In diesem Moment verstand Ilthiur, dass das Wesen scheinbar empfindlich gegenüber Licht war... deshalb wich es vor seiner Klinge zurück.

Diese Erkenntnis hätte Ilthiur fast das Leben gekostet.
Ein dunkler Schattenarm, geformt wie ein Speer kam aus der Dunkelheit direkt auf seinen Kopf geschossen und es gelang Ilthiur gerade noch, sich nach hinten fallen zu lassen.
Er wurde jedoch von dem Arm dennoch leicht im Gesicht geschnitten, doch diese Wunde war nur oberflächlich und er beachtete sie zunächst nicht.
Mit einem Salto war er wieder auf den Beinen und das Katana schnitt wütend durch die Dunkelheit. Ilthiur versuchte sich nach Anora umzusehen und entdeckte sie schließlich in einem Chaos aus Büchern und Pergamenten.

"Anora, findet etwas ... um Licht zu machen... das Wesen... es ist... Lichtempfindlich"
Er schrie seine Worte, während er weiter versuchte, mit dem schwach leuchtenden Schwert das Wesen in Schach zu halten. "Hoffentlich gibt es hier irgend eine Möglichkeit, ein Feuer zu machen", dachte er sich.
 

Anora

Wanderer
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Licht... Wo bei allen Göttern sollte sie hier Licht herbekommen? Es gab in dem Zimmer nichts, das auch nur entfernt an eine Lichtquelle erinnert hätte. Anoras Blick glitt über die alten Bücherregale. Brennstoff hätte es sicher genug gegeben, doch sie hatte nicht die Zeit, ein Feuer zu entfachen. Ilthiur wäre mit Sicherheit schon tot, noch bevor die erste Flamme kraftlos vor sich hin züngeln würde. Noch einmal sah sie sich in dem halbdunklen Raum um. Es gab tatsächlich weder Lampen noch Kerzen noch sonstige lichtwerfende Gegenstände. Aber wie konnte dies in einer Bibliothek sein? Der Magier, der einst hier gelebt hatte, hatte doch sicherlich nicht nur bei Tageslicht in seinen Büchern gelesen?
Einer plötzlichen Idee folgend stürzte die Halbelfe zu dem Tisch am Fenster des Raumes. Schnell begann sie damit, Oberfläche und Schubläden des Tisches zu durchwühlen. Es musste hier einfach irgendetwas geben, das ihnen helfen konnte - Davon war sie in ihrer Verzweiflung fest überzeugt. Ihre Hände glitten über mehrere merkwürdige Gegenstände, deren Sinn sie nicht feststellen konnte. Sie konnte doch nicht alle ausprobieren!
Panik befiel sie. Was sollte sie tun? Auf einen Kampf, in dem man weder mit Schwert noch mit Worten etwas ausrichten konnte, war sie nicht vorbereitet. Vielleicht hätte ihnen ein Magier in diesem Moment helfen können. Schon ein einfacher Lichtzauber könnte ihre Rettung bedeuten.

"...aber ich bin kein Magier..."
Ihre Hände hörten wie von selbst auf, in den Schubläden zu wühlen. Anoras Panik war verflogen, doch ihren Platz hatte eine schreckliche Gewissheit übernommen: Sie würde nichts finden, das ihnen helfen könnte. Es gab für sie keine Rettung. Selbst der Weg nach unten, der ihr hätte zur Flucht verhelfen können - mit dem Preis natürlich, dass sie Ilthiur seinem Schicksal überlassen hätte - war durch das schauerliche Schattenwesen versperrt. Überhaupt schien sich die Kreatur jetzt, wo sie sie in Ruhe betrachten konnte, immer weiter auszubreiten. Jeden Schlag, den Ilthiur ihr zusetzte, schien sie zu stärken. Es war hoffnungslos. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Ilthiur sterben würde - Und sie würde ihm kurz darauf folgen.
Anora schloss die Augen und murmelte leise Worte der Beruhigung vor sich hin. Seit sie ihr zerstörtes Dorf verlassen hatte, hatte sie geglaubt, sie würde sich vor dem Tod nicht mehr fürchten. Doch nun, da sie Auge in Auge mit ihm stand, nun begann sie zu zittern. Sie war noch nicht bereit dazu, ihre Seele zu entlassen und zu ihrer Familie zurückzukehren. Es war noch zu früh...
In ihrem Kopf begann es zu rauschen. Es war unangenehm, doch erträglich. Was ist das, fragte sie sich, doch sie konnte es nicht erkennen. Alle ihre Sinne waren nun auf dieses Rauschen gerichtet und sie vergaß alles um sich herum. Wäre der Schatten in diesem Moment zu ihr gekommen um ihr das Leben zu nehmen - Sie hätte es nicht bemerkt. Denn das Rauschen formte sich, veränderte sich im Ton und wurde schließlich zu einem von weit her zu ihr klingenden Lachen.
Ein Lachen? Hier?
Obwohl es nur schwach zu hören war, erkannte Anora doch, dass es menschlich war und nicht von einer dieser Kreaturen ausgestoßen wurde, die vielleicht gerade ihre Freunde tötete. Nein, es war ein Mensch, der lachte, und er klang... Hoffnungsvoll? Zuversichtlich? Triumphal? Der Mensch lachte das Dunkel aus! Er lachte...
Als Anora die Augen öffnete, sah sie, dass die Schattenkreatur ihre Gestalt geändert hatte. Sie war nun nicht mehr nur ein Schemen, sondern deutlich erkennbar, wenn auch nicht von fester Form. Auch war sie ein Stück weit von Ilthiur zurückgewichen, wie als hielte sie irgendetwas für einen Moment ab, anzugreifen. Und die Tür... Der Weg zur Tür war wieder frei! Dies war ihre Chance - Sie konnte entkommen! Aber Ilthiur nicht.
Ihr Blick fiel wieder auf die Schublade, in der sie zuletzt gewühlt hatte... Und wurde magisch angezogen von einer kleinen Flasche, kaum so groß wie ihre geschlossene Hand, mit einer göldlich schimmernden, kristallenen Flüssigkeit darin. Und wieder erklang das Lachen in ihrem Kopf, wurde lauter, je näher sie ihre Hand auf das Gefäß zu bewegte. Kam das Lachen etwa aus der Flasche? Als ihre Finger das Glas berührten, war es plötzlich wieder still. Wohl nicht, dachte sie sich, ein wenig enttäuscht. Doch noch bevor sie überhaupt wusste, was sie tat, hatte sie das Fläschchen auch schon geöffnet. Rauch trat daraus hervor und verbreitete einen scharfen Geruch. Scharf... Oder heiß... Heiß wie Feuer.
Es war eher eine Eingebung als eine logische Folgerung, dass sie aufsprang und das Fläschchen mit aller Kraft auf den Boden in der Nähe des Schattenwesens schleuderte, so dass es zerbrach - Und explodierte. Es war nur eine kleine Explosion und doch musste Anora sich reflexartig abwenden. Als es vorbei war, hatten mehrere der am Boden liegenden Bücher und Pergamente Feuer gefangen und die Flammen fanden auch gleich immer mehr Nahrung, so dass sie sich rasch ausbreiteten. Der Schatten hatte indes vollständig von Ilthiur abgelassen und huschte zischend hin und her. Das Feuer hatte ihn bereits erreicht und es schien so, als hielte es ihn gefangen. Zumindest konnte er nicht entkommen. Die immer panikartiger werdenden Laute, die er ausstieß, liesen erahnen, welche Qualen er litt. Schon bald würde das Feuer ihn aufgezehrt haben...
In diesem Moment besann Anora sich, dass es ihr ähnlich ergehen würde, wenn sie weiter auf der Stelle stehen blieb. Mit wenigen Sätzen war sie über die Feuer hinweg und an dem Schatten vorbei, krallte sich in den Arm des völlig überraschten Silberelfen und zerrte ihn aus dem Raum hinaus und die Wendeltreppe hinunter. Auch dort blieb sie nicht stehen sondern zerrte ihren Gefährten weiter hinter sich her. Aus den Augenwinkeln glaubte sie, zwei Gestalten zu sehen. Sie nahm sich nicht die Zeit, sie einer genaueren Betrachtung zu unterziehen, doch für den Fall, dass sie, wie sie vermutete, Nebressyl und Crye waren, schrie sie ihnen über die Schulter ein fast schon gekrischenes
"Raus!" zu.
Anora stoppte nicht eher, als bis sie die Straße erreicht hatte, und auch dort rannte sie noch einige Häuser weiter, bevor sie endlich stehen bleiben konnte. Hustend und zitternd zugleich stand sie da - Ilthiurs Arm hatte sie mitlerweile freigegeben - und versuchte, Herr über ihre schnell dahinrasenden Gedanken zu werden.
Langsam, sehr langsam, beruhigte sie sich wieder.
Die Gefahr war vorbei. Vorerst.
 

Mantis

Heilende Hände
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Der Schmerz ebbte schließlich völlig ab, und Crye schloss die Augen. Wirre Bilder irrten durch ihren Kopf, Erinnerungen an die Vergangenheit, die weiter zurücklag, vermischten sich mit jenen an die jüngsten Ereignisse und ergaben einen Alptraum im Wachzustand. Die Halbelfe zwang sich dazu, die Augen zu öffnen. Die Umgebung war dieselbe geblieben, das Engelswesen schaute noch immer besorgt auf sie herunter.
Crye richtete sich vorsichtig auf, stand auf zitternden Knien und sah sich nach ihren Säbeln um. Unsicher tat sie die wenigen Schritte zu ihren Waffen, nahm sie auf, begutachtete die Klingen und steckte sie weg.
Dann drehte sie sich zu Nebressyl um. Was jetzt?

Anora und Ilthiur stürmten die Treppe hinunter und nach draußen, und sowohl durch die Panik auf ihren Gesichtern als auch durch die geschriene Anweisung nahmen sie den beiden anderen die Entscheidung über weiteres Handeln ab. Nur für den Bruchteil einer Sekunde hielt Crye inne, auf das nicht allzu ferne Geräusch knisternden Feuers lauschend, dann rannte auch sie aus dem Haus, Anora hinterher, ohne zu wissen, wohin.

Schließlich blieb die Waldläuferin stehen, und auch die anderen kamen zum Stillstand, und brauchten einige Zeit, um wieder zu Atem zu kommen. Crye musterte Anora forschend, bevor sie das Wort an die andere Halbelfe richtete.

"Was ist geschehen?"
 
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