@Fabian: Dass eine Planwirtschaft unflexibel ist und durch einen Riesenberg an Bürokratie ausgebremst wird, leuchtet mir ein. Das käme mir aber eher vor wie eine gute Begründung, wenn falsche Güter produziert werden.
Um auf die Polemik einzugehen: Wenn mein kaltes Kapitalistenherz Dinge in nützlich und unnütz einteilt, in richtige und falsche Güter, so tut es das überraschenderweise nicht im Gedanken an Gewinnmaximierung. Ich möchte nicht mehr Rasierklingen produzieren, um möglichst viel Geld daran zu verdienen. Ich möchte mehr Rasierklingen produzieren, damit jeder genug von den Dingern hat.
Nehmen wir an, Ware X wird zuwenig produziert, wobei X ein beliebiges Nicht-Luxusgut sei. Schnürsenkel, Rasierklingen, oder gehen ganz runter auf die Grundlagen und sagen Lebensmittel.
Jetzt findet der zuständige Wirtschaftler, wer immer das ist, über seinen Jahresabschlussbericht Ende Dezember heraus, dass seit Juli die Leute in seinem Bezirk, nennen wir ihn einfach mal Rumänien, verhungern. Er leitet den Bericht weiter nach Moskau, mit der Bitte, doch was dagegen zu tun. Und an dieser Stelle dürfte es egal sein, ob dieser Bearbeiter ein Prinz unter den Menschen ist, der seine Genossen aus ihrem Leid erlösen möchte, oder ein hartherziger Kapitalist in rotem Gewand, der sein Humankapital bewachen möchte. So oder so dürfte das Interesse daran, die eigene Bevölkerung verhungern zu lassen, relativ gering sein.
Jetzt verstaubt dieser Bericht eine Weile in einem kleinen Büro in Moskau, wird dann weitergereicht und bearbeitet und beurteilt und was weiß ich nicht. Sagen wir mal, nach drei, vier Jahren ist eine Entscheidung gefallen und man beschließt, was gegen den Hunger zu tun.
Und dann blühen dann nach fünf Jahren endlich die Weizenfelder, nur damit man feststellen darf, dass sich durch die Hungerkatastrophe der Bedarf an Lebensmitteln relativ drastisch verringert hat, weil es einfach nicht mehr so viele lebende Abnehmer gibt. Oder bleiben wir etwas weniger düster: Die Rasierklingen werden nicht mehr gebraucht, weil Bärte inzwischen unglaublich Mode geworden sind. Was auch immer.
Das würde ich verstehen. Das klingt nach einer Planwirtschaft. Langsam, unflexibel, und nicht das produzierend, was sie soll. Wenn die DDR-Bürger unermüdlich am Fließband gestanden hätten, um die Genossen in Bulgarien mit Schuhcreme zu versorgen, die die Genossen in Bulgarien nicht brauchen, nicht wollen und liebend gerne gegen eine Packung Waschmittel eingetauscht hätten - das würde mir sofort einleuchten. Aber so, wie mir das erzählt wurde, klingt es eher so, als hätte man in der DDR eher einfach sehr, sehr wenig getan.
"Genosse Kossygin, das Volk hungert!"
"Japp."
Ende des Diskurses.
Das klingt einfach nicht richtig. Wenn es an allen Stellen brennt, dann versuch ich doch, zu löschen. Langsam und ineffizient, meinetwegen, aber ich versuch's. Und wenn das dann heißt, dass sich zwei Dörfer eine Poststelle teilen müssen, damit ich einen der Postbeamten auf's Feld zum Ernten schicken kann, dann sei das so. Aber es klingt einfach nicht so, als wäre das passiert. Und ich weiß jetzt nicht natürlich nicht, inwieweit man von der DDR auf die restliche Sowjetunion schließen kann (zumindest was den Lebensstandart angeht, war die DDR ja zumindest ziemlich weit oben), aber es klingt... ich weiß nicht. Wenn es von allem zu wenig gibt und der Ami vor der Tür steht - da bleib ich doch nicht so tiefenentspannt. Die Sowjetunion hat sich als ein Reich des Proletariats verstanden, da dürfte das schnelle Produzieren von Dingen doch echt nicht das Problem gewesen sein.
@Chiburi: Die Freie Marktwirtschaft entscheidet nicht nach Nutzen, sondern nach Angebot und Nachfrage. Wie viele Leute gibt es, die die Vorraussetzungen mitbringen, Anwalt zu werden, und wie viele, denen man den Job des Altenpflegers beibringen kann? Die Frage nach "nützlich" kommt da gar nicht erst auf.
Ich brauche einen guten Anwalt mit Spezialisierung auf Wirtschaftsrecht. Wie viele gibt es davon? Oh.
Ich brauche jemanden, der sich um Opi kümmern kann. Wie viele gibt es davon? Aaaaaaah.
Und nach diesen beiden Reaktionen richtet sich dann das ausbezahlte Gehalt.