Kingdoms - About Honor and Traitors

Alyndur

Zwielichtiger
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„Xanthis.“ Der Name glitt ruhig und langsam wie ein sorgsam gewählter Fluch über die Lippen des Ritters, als er die beschatteten Augen Aûna'yirs fixierte, der über ihm auf seinem Ross ragte. Wie närrisch sich der Nachtelb doch aufgeführt hatte... närrisch ohnegleichen. Seine Prahlerei hatte weit um sich geschlagen. Seit er sich ihnen angeschlossen hatte, hatte er stets seine Göttin gepriesen, ihre Gnade, ihre Barmherzigkeit, dass sie ihre Macht sogar ihm in Maßen zur Verfügung stellte. Die Elfen waren eines der ältesten der bekannten Völker dieser Welt, das mochte stimmen. Gestärkt vom Willen ihrer Götter, die sie vertraten, waren einige von ihnen zweifelsohne im Besitz gar fürchterlichen Macht, das mochte auch auf ihren Begleiter zutreffen.
Und doch… die Tiefen der Zeit hatten noch andere Gewalten hervorgebracht. Götter, die meist jünger waren als jene der Elfen, doch denen es weder an Kraft, noch an List fehlte, den Schutz älterer Gottheiten für ihre Diener zu durchdringen. Einige dieser Götter hatten den Menschen zum Günstling und Vollstrecker ihres Willens erwählt und die Schergen eines solchen standen gerade vor ihnen. Ein näherer Blick auf die Geschichte Sin’Arcus’ zeigte, dass sie es wohl verstanden, den Einfluss älterer Götter von der Welt der Sterblichen fernzuhalten. Wenn Aûna'yir dra Ulmin'dor bislang in die Allmacht seiner Göttin vertraut hatte, so würde er heute eines anderen belehrt werden. Alles, was jetzt geschehen mochte, hatte der Nachtelb allein zu verantworten.
„Lasst ihn leiden. Lehrt ihn, was es heißt, wenn sich der Strom des eigenen Blutes wider sich selbst richtet. Vor Krämpfen soll er sich zu meinen Füßen schütteln und nach nutzloser Luft japsen. Ich will, dass sich dieses lange Elend von einem Wurm im Staube windet und sich niemals wieder daraus erhebt!“
„Mein Name ist Anora Alia“, lenkte ihre Anführerin alle Aufmerksamkeit auf sich und stellte die einzig mögliche Abwendung des nahen Unheils in Form eines Ermächtigungsschreibens von Sir Cerrik vor. „In seinem Namen bin ich ermächtigt, für den Erfolg dieser Mission Gefährten frei zu wählen, die mich begleiten und mir zur Seite stehen. Dies steht in diesem Freibrief niedergeschrieben.“ Der Ritter nahm das Schreiben entgegen und studierte es skeptisch. „Der Zwerg, den Ihr sucht, ist einer dieser Gefährten!“, fuhr die Elfe fort. „Desweiteren besagt dieser Brief, dass MEINE GEFÄHRTEN UND MICH KEIN RITTER AUFHALTEN DARF, da die Erfüllung dieser Mission oberste Priorität hat! Wollt Ihr Euch den Anordnungen Sir Cerriks widersetzen, so ist Euch der Zorn der Grünen Drachen wie auch der Eures eigenen Ordens gewiss, RITTER!“ Ihr Gegenüber blickte abrupt mit ungläubigem Gesichtsausdruck vom Papier auf und fiel erneut in höhnisches Gelächter. „Glaubt Ihr, Ihr könntet einem Heerführer mit der Gewalt seines eigenen Ordens und dem seiner Brüder drohen? Nur ein einziger Mann steht zwischen mir und San’Guis. Adonor ist mein Name!“ Also doch.
„Und die wahre Anora Alia könnte wohl ebenso gut vor mir stehen wie mit aufgeschlitzter Kehle und leerer Brieftasche Euren Weg zieren, was?“ Mit einem spöttischen Lächeln ließ der Ritter sein Schwert zurück in die Scheide gleiten. „Ihr könnt Euch glücklich schätzen, dass Sir Cerrik uns nicht nur über Euren Auftrag, sondern auch über Euer Aussehen unterrichtet hat." Der Ritter ließ seinen Blick erneut über die Anwesenden schweifen und sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Doch eines wage ich, zu bezweifeln“, mit diesen Worten wandte er sich zu Alyndurs Entsetzen ihm selbst zu. „Dass er Euch diesen Freibrief überlassen hat, um Verbrecher um die Vergeltung des Gesetzes zu erleichtern. Neben einem dummdreisten Artefaktdieb führt Cerriks Söldnerin auch den Mörder meines eigenen Fleisches in ihrem Gefolge - welch seltener Zufall!“ Er näherte sich dem Waldläufer bis auf einen Schritt und spie seine Verachtung heraus. Doch, hatte seine Stimme zuvor stets laut und fest geklungen, haftete ihr nun ein unsicherer, ja fast jungenhafter Ton an: „Wer oder was glaubtest du, zu sein, als du meinem Bruder das Leben nahmst?“ Unter der langen Narbe des Mannes vor ihm schien Alyndur das Gesicht des Ritters entgegenzublicken, dem sein Pfeil in Kar’larta den Tod gebracht hatte. Und darunter wiederum erschienen ihm die Züge eines Mannes, den er einst gut gekannt hatte. Plötzlich vernahm er einen leichten, unheimlichen Sog am Rande seines Bewusstseins. Etwas begann, an ihm zu zerren und versuchte, sich mit sachter Gewalt Zugang zu seinen Erinnerungen zu verschaffen. Das Zerren wurde beharrlicher, stärker und, ehe er wusste, woher es kam, oder, wie er sich dagegen wehren sollte, hatte es das Reich seines Verstandes schon wieder verlassen – fündig mit dem, wonach es gesucht hatte. Alyndur brauchte keine Ohren, um zu hören, dass der alte Mann, den man „Xanthis“ gerufen hatte, ihn bei einem Namen nannte, den er seit langem nicht mehr vernommen hatte. Plötzlich erinnerte er sich des Ritters vor ihm, dem er noch eine Antwort schuldig war und die Blicke der anderen spürte er wie Geschosse um sich kreisen. Diesmal wappnete er sein Bewusstsein vorsorglich gegen ein fremdes Eindringen und sprach mit einer ruhigen und festen Stimme die Wahrheit: „Ein rastloser Geist.“ „Wie du willst, rastloser Schurke“, versetzte sein Gegenüber. „An dem Tag, da dich dein eigens gewähltes Schicksal einholt, wird man nicht einmal den Namen des Mannes kennen, den die Raben in alle Winde zerstreuen. Was Euch betrifft, Anora Alia“, der Ritter hielt das Ermächtigungsschreiben Sir Cerriks in die Höhe. „Ihr werdet das Vertrauen unserer Brüder nicht länger missbrauchen!“ Er riss das Schreiben der Länge nach durch - noch einmal und noch einmal. Dann warf er Anora die Fetzen vor die Füße und begrub sie unter einer Fußladung staubiger Erde. „Wenn die letzte Hoffnung der Grünen Drachen wirklich zu Recht auf Euch ruhen sollte, dann werdet Ihr Euren weiteren Weg auch ohne dieses lächerliche Papier finden! Falls nicht, wird Euer sicheres Scheitern nicht sinnlos hinausgezögert und Sir Cerrik wird sich schon früher gezwungen sehen, sich gegen das Unvermeidbare zu wappnen.“ Er führte seine Kameraden zurück zu den Pferden und saß wieder auf. „Ihr solltet die Ehre eines Ritters schätzen lernen, kleine elfische Söldnerin!“, rief er ihrer Anführerin vom Sattel aus zu. „Ihr und nur ihr allein verdankt Ihr heute Eure tugendlose Haut. Den nahenden Untergang unserer Welt werdet Ihr nicht an einem brennenden Himmel erkennen, sondern daran, dass Ritter meines Schlages Seite an Seite mit Euresgleichen gegen einen ungewissen Feind zu Felde ziehen!“
Ein letztes Mal zeigte der gepanzerte Arm auf Nori, der sich wieder hinter den Gefährten hervorwagte.
„Dem Erlass unserer Brüder wegen dürft Ihr Euer Leben behalten. Euer Diebesgut lasse ich Euch nur, weil Euch die sentimentale Justiz der heutigen Thronwärmer ohnehin ein Recht darauf zugesprochen hätte. Und doch konntet Ihr den Triumph nicht aus unseren Hallen zurückstehlen. Was auch immer Ihr mit Eurem kostbaren Relikt zu erreichen hofft, Ihr werdet kläglich scheitern! Jahrhunderte lang haben es verschiedene Meister und Zauberer meines Ordens auf einen verborgenen Nutzen hin untersucht. Falls die Erzählungen Eurer Zwergenammen der Wahrheit auch nur im Entferntesten gerecht werden, so muss der letzte Funke Magie aus dem Werkzeug gewichen sein, als es in die Hände seiner Feinde fiel. Jubelt ob seiner trügerischen Wiedergewinnung und schwelgt in den Erinnerungen an alte Blütezeiten, die für Euresgleichen auf immer verlorenen sind!“
Alyndur hoffte inständig, betete, dass dies die letzten Worte sein mochten, die der Anführer der Ritter an sie richten würde. Doch, wie erwartet, offenbarte sich diese Hoffnung als eine Illusion.
„Und du, Mörder meines Bruders, halte meine Worte stets in Erinnerung, bis zu jenem Tage, da sich unsere Wege ein weiteres Mal kreuzen werden. Denn das werden sie, so sicher wie dieselbe Sonne über uns scheint und dieselben Sterne die Nacht über uns erhellen. Es wird ein Tag des Schwertes und der Vergeltung sein. Ein Tag der Reinigung und des Blutes!“ Fürst Adonor führte sein Ross herum und gab ihm die Sporen.
 
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Senegor

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Ein Stein war er. Hilflos, starr und unbewegt auf dem Boden. Er wünschte sich er wäre ein Stein und würde im trüben Braun der Erde nicht weiter auffallen. Im Vergleich zu diesem kleinen Stein der schon halb unter der Erde lag, ragte der Ritter wie ein Fels aus rotem Sandstein vor ihm auf. Und wie eine Lawine donnerte seine Stimme auf Nori hernieder. Die Präsenz des Ritters war unglaublich. Nie hätte der Zwerg erwartet, er würde jemals solch einem Feind ins Auge blicken und mit seinem Leben davonkommen. Er bewunderte den Mut des dunklen Elfen, als dieser sich voller Zorn dem Ritter entgegenstellte. Auch die anderen Mitglieder dieser Reisegemeinschaft, die ihn so selbstlos schützte, waren tausendmal mutiger als er und standen dem Feind erhobenen Hauptes gegenüber, währrend er sich hinter ihnen versteckte und er begann sich für seine Angst zu schämen. Die, die nichts mit ihm und seiner Sache zutun hatten, waren bereit für ihn zu kämpfen und er verkroch sich und bangte um sein Leben. Dieses Verhalten war eines Zwerges nicht würdig.
Doch ehe Nori sich aufraffen konnte selbst für sein Schicksal einzutreten, trat die junge Elfenfrau, die sich ihm am Abend zuvor als Anora vorgestellt hatte, auf den Ritter zu und hielt ihm ein Stück Papier unter die Nase.

„Mein Name ist Anora Alia. Mein Weg führte mich von Elyndorr hierher, und ich beschreite ihn im Auftrag des Oberhauptes des Ordens der Grünen Drachen, Sir Cerriks. In seinem Namen bin ich ermächtigt, für den Erfolg dieser Mission Gefährten frei zu wählen, die mich begleiten und mir zur Seite stehen. Dies steht in diesem Freibrief niedergeschrieben. Der Zwerg, den Ihr sucht, ist einer dieser Gefährten! Desweiteren besagt dieser Brief, dass MEINE GEFÄHRTEN UND MICH KEIN RITTER AUFHALTEN DARF, da die Erfüllung dieser Mission oberste Priorität hat!
Wollt Ihr Euch den Anordnungen Sir Cerriks widersetzen, so ist Euch der Zorn der Grünen Drachen wie auch der Eures eigenen Ordens gewiss, RITTER! Geht uns also aus dem Weg, RITTER, zieht Eures Weges und vergesst den Zwerg und was er Euch genommen hat! Diese Sache ist nicht länger Eure Angelegenheit!“
Nori klappte bei diesen Worten die Kinnlade herunter. Wie sie mit dem Ritter sprach machte deutlich, dass sie davon ausging, dass diese Sache für sie nun geregelt sei und sie keinerlei Furcht mehr vor den Männern vor ihr in sich trug.
Der Ritter prüfte mit skeptischem Blick den Brief und Nori beobachtete wie er nach einigen Worten zu Anora und Alyndur den Rückzug antrat und sich mit seinen Männern davon machte. Langsam wich die Angst auch aus Nori und er spürte wie er seine Gliedmaßen langsam wieder unter Kontrolle brachte. Schweißgebadet ließ sich der Zwerg auf den Boden fallen und atmete tief durch um sich zu beruhigen.

"Ich danke Euch, Anora Alia und euch Anderen ebenfalls." Brachte Nori schließlich hervor. "Ich dachte meine Stunde sei gekommen und sah keinen Ausweg mehr. Ich schäme mich für meine Feigheit den Rittern gegenüber und möchte mich für die Schwierigkeiten die ich euch bereitet habe entschuldigen." Bei diesen Worten erhob sich der Zwerg um gleich darauf vor den Gefährten nieder zu knien.
"Seid gewiss, ich bin mir meiner Schuld euch allen gegenüber bewußt und werde alles daran setzen diese zu begleichen, wie der Brauch meines Volkes es von mir verlangt." Nori wollte der Gruppe unbedingt vermitteln, dass sie seiner Treue in jedweder Situation auf dieser Reise sicher sein konnten und dass er die auf ihm lastende Schuld auf keinen Fall weiter tragen wollte.
 

Nebressyl

Knuddeliger Incubus
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Auch wenn seine erste Handlung rein intuitiv war - so war sich der Ritter durchaus in all seinem Tun der möglichen Konsequenzen bewusst. Ihn amüsierten diese menschlichen Ritter immer nur. Sie dachten, sie wären die Krönung der Schöpfung - den Göttern gleich! Lächerlich. Wer starb denn nach einem so kurzen Leben voller Entbehrungen und falschem Eifer an Altersschwäche? Wie sich das in seinem Kopf anhörte - Altersschwäche. Ein Zustand, dessen sich kein Elb wirklich bewusst war. Garantiert nicht. Sie starben nur auf zwei Arten, eines gewaltsamen Todes oder sie verloren die Lust am Leben und legten sich einfach nieder. Alles eine Sache der inneren Stärke und Trainings in seinen Augen. Hatten sie nicht die Zeit als Verbündeten auf ihrer Seite um ihr Können zu perfektionieren?
Die Anfeindungen der Ritter kümmerten ihn nicht. Aber die herablassende Art und Weise, wie sie mit den alten ehrvollen Rassen umgingen. Sie waren die Spätankömmlinge! Auch wenn zwischen Elben und Zwergen keine Zuneigung bestand, ganz zu schweigen von Verständnis, so verschieden wie sie waren. Sie waren beide Völker der alten Welt und damit verbrüdert im Kampf gegen diesen blinden Hass. Aus keinem anderen Grund griff er in die verfahrene Situation ein. Ginge es nur um seine Haut und die von Rhaynin. Wahrlich, er hätte diesen angeblichen Edelmann sofort enthauptet. Ohne ihm die Chance zu geben sich der Tatsache bewusst zu werden, dass er einem der Phantome gegenüberstand, dass mehrere Ritterorden und andere Gesetzesinstitutionen verschiedener Reiche der letzten hundert Jahre gegenüberstand. Auch wenn dieser Tod für einen seiner Art zu schnell wäre...so viele Gedanken in einem so kurzen Augenblick. Sein Körper war angespannt, auf den einen Befehl wartend, der das Schicksal der Gemeinschaft besiegeln könnte. Seiner Fähigkeiten war er sich durchaus bewusst - und der Tatsache, dass er auch diesen Tag, wie so viele davor überleben würde.

Doch was war das. Er sah die sich die Lippen des Ritters kräuseln. Ein Name! Ein Gedanke schoss Aûna'yir durch den Kopf und er richtete seinen Blick auf den einzigen Mann bei den Rittern, der keine Rüstung trug. Der alte blinde Mann. Seine Augen waren weiss. Nicht das Tor zur Seele, in dem der Ritter schon vor langer Zeit gelesen gelernt hatte. Das Gegenteil schien der Fall zu sein. Der Alte würde mit der Kraft seines Geistes versuchen in ihm zu lesen-oder bildete er sich das nur ein? Ein Kribbeln ging durch seinen Körper. Als wollte sich jede Faser seines Körpers nicht anzuspannen. Nein! Eine Unzahl kleiner Krämpfe, die sich blitzschnell verstärkten. Eine Kraft eines Fluches gleich machte sich offensichtlich in ihm breit. Nur seiner Disziplin verdankte er es nicht vor Schmerzen aufzuschreien. Ein kurzer Wimpernschlag voller Pein und dann kam die Wärme. Sie ging gleichzeitig von seinem Ring und seinem Stirnband aus, das er unter seinem Helm trug. Eledhwen griff ein und schützte ihren Diener. Wohlige Wärme umfing seinen ganzen Körper und er fühlte sich geborgen, als wenn eine Mutter ihr Kind liebevoll umarmte um es vor Bösem zu bewahren. Wieder ein Sieg über die Ritterorden -auch wenn dieser Sieg nicht seinem Können entrann, sondern einer Macht dessen er sich keinesfalls bewusst war.

Anoras auftreten nahm er nur beiläufig war. Diese Empfindung, dieses Anzeichen von Heimat riss ihn für einen Bruchteil aus der Gegenwart in einen Zustand vergleichbar mit der Traumwache der Elben. Vor seinem geistigen Auge erschienen seine Eltern, seine Familie und ihr damaliges zu hause in Dah'ran bevor sie von ihresgleichen dahingeschlachtet wurden. Der Eindruck hielt zu seinem Leidwesen nur kurz an und die Realität holte ihn wieder ein. Nur sein Geist rückte wieder zurück in die verfahrene Lage, in der sich die Reisegemeinschaft und die Ritter befanden. Das Gefühl hielt weiter an und schenkte ihm einen inneren Auftrieb und Energie. Ein hämisches Grinsen wisch über seine Lippen als er just in diesem Augenblick den Spott Anoras dem Ritter gegenüber mitbekam. Danach folgte Verwunderung. Er hätte den menschlichen Waldläufer nicht so tatkräftig eingeschätzt. Eine Tatsache, die ihn trotz seiner menschlichen Abstammung wahre Sympathiepunkte verlieh. Von der drohenden Gebärde hatte der Tempelritter abgesehen. Doch die Klinge hielt er immer noch in seiner rechten Hand und behielt den Anführer der Ritter mit seinem wichtigtuerichem Gehabe, wie auch seine Schergen im Auge. Nur eine falsche Bewegung welcher Art auch immer - und er hätte zugeschlagen. Aber nichts geschah, was als Angriff zu werten gewesen wäre. So wartete er ab. Als der Mensch zu seinem Pferd ging blickte er zu seiner Gefährtin und sah das Ziel, auf das sie angelegt hatte. Ihr erstes Ziel war der blinde Mann. Hatte sie das gleiche gespürt, wie er? Sie senkte den Bogen erst nachdem die Reiter im Nebel verschwunden waren. Stillschweigend nickte er der jungen Halbelfe zu. Sie erwiderte seinen Gruß. Doch trotz der Nähe sagte keiner der beiden ein Wort. Auch Alyndur nickte er kurz und knapp zu. Eine simple Geste der Anerkennung. Jedoch unter Berücksichtigung der kurzen Bekanntschaft war diese Form des Respektes mehr als manch anderer je in seinem langen Leben von ihm erhalten hatte.

Die nun folgende Aufmerksamkeit bekam der Zwerg offensichtlich von allen Anwesenden. Nach seiner achso rührenden Ansprache rutschte Aûna'yir nur ein Wort aus dem Mund.

"Zwerge!"
Doch in seinem leisen Tonfall lag diesmal keine Verachtung. Er schien sich eher über die gesamte Situation zu amüsieren. Ein Zwerg auf Knien vor einer Elfe - wer hätte das je für möglich gehalten?
Auch Rhaynin schien offenkundig belustigt von dem Tatbestand. Ein freundliches Lächeln zierte ihr jugendliches Gesicht.
 

Morgan

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Nachdem die Ritter sich umgewendet hatten und davontrabten, kamen sie an Maron, Bisu und Ghomer vorbei - der Anführer der Ritter ließ sich nichts anmerken, doch die Augen logen nicht... Hasserfüllt nahm er zur Kenntnis, dass 3 Reiter in seinem Rücken mit eingelegten Lanzen gewartet hatten. Die Augen des blinden Magiers zuckten verwirrt über Donnerhufe und Maron - Dieser hatte seine volle goldene Rüstung angelegt, welche von einer Aura von grünem Schimmer und roten Feuerzungen schimmerte. Donnerhufe grinste den Magier mit seinem reißzahnbewehrten Maul an und entließ kleine Flammenzungen aus den geblähten Nüstern, trotz des Wissens, dass dies ein recht mächtiger Mann war. Der Magier "sah" vor seinem inneren Auge einen blendend goldenen Reiter auf einem tiefschwarzen Drachen - eine Offenbarung, welche diesen sehr schockte, dass er lange tief in Gedanken mit der Truppe der Ritter weiterritt.

Die drei Freunde - so albern ihre Reiterphalanx auch wirken mochte, ritt geschwinde zur kleinen Truppe zurück und nahmen ihren Platz neben dem Elbentempler ein....... "Sehr wohl getan - liebste Anora"sparch der Tyrhimianer leise zur einzigen Freundin, die er seit Jahrhunderten hatte...
 
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Darghand

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Ulbrun sah den Rittern nach wie sie im Nebel verschwanden. Der graue Dunst hatte sie schon längst verschluckt, doch das Getrappel der Hufe war noch einige Zeit länger zu hören - ein leiser werdendes Echo eines fast schon unwirklichen Zusammentreffens inmitten eines Niemandslandes. Als nichts mehr zu hören oder zu sehen war atmete Ulbrun erleichtert aus. Jede Faser seines an Jahren reichen Körpers war angespannt gewesen, und als der ivulo sein Schwert zog, hatte er damit gerechnet, das sein Herz seine Brust sprengen würde, so hart und schnell hatte es geschlagen. Nun verließ ihn die Anspannung und er fühlte sich auf einmal unglaublich müde.
Der ganze seltsame Spuk war von einem rätselhaften Stück Papier ebenso plötzlich beendet worden wie er über sie hereingebrochen war. Angesichts des Fanatismus und der bedingungslosen Gläubigkeit dieser gepanzerten Reiter erschien Ulbrun dieser Fakt als geradezu absurd. Welcher Sinn auch immer dahinter stecken mochte - er überstieg sein Verständnis.
"...und werde alles daran setzen diese zu begleichen, wie der Brauch meines Volkes es von mir verlangt."
Mit einem halben Ohr hörte er den Schwur - war es überhaupt ein Schwur? - des Zwerges. Auf etwas zittrigen Beinen gesellte sich Ulbrun zu den anderen Gefährten.
"Du hast dir den Dank meines Volkes verdient." sagte er dann an Anora gewandt. "Ich weiß nicht, was auf dem Papier stand, aber es hat unsinniges Blutvergießen verhindert. Das ist ein großer Segen."
Der Alte lächelte schief.
"Nur... beim nächsten Mal, ivuli Anora Alia, sage uns vorher, dass du solch mächtige Papiere besitzt."

~*~

"Du... kannst... mich...äh! wieder... loslassen!" ächzte Thorreid und machte den hilflosen Versuch, sich aus Frejas Umklammerung zu befreien. Freja blinzelte als sei sie gerade aufgewacht und lockerte etwas verschämt ihre Arme, die sie eng um Thorreids Hals geschlungen hatte. Die ganze Zeit über hatte sie mit der Keule in der Hand gespannt neben ihm gelauert und auf die Panzerreiter gestarrt, obgleich sie kein einziges Wort der gesamten Unterredung verstanden hatte. Als die Ritter scheinbar mühelos die Mammuts einkreisten, hatte sich alles in ihr verkrampft. Thorreid war drauf und dran gewesen, mit gezückter Axt herunter zu springen und sie wäre ihm durchaus gefolgt, besann sich dann aber doch eines Besseren. Also hatte sie den Hünen am Kragen gepackt und gemeinsam hatten sie weiter zugesehen. Freja hatte sich die gesamte Zeit über entsetzlich hilflos gefühlt - der unerwartete Abzug der Ritter hatte sie dafür aber mit soviel Freude erfüllt, dass sie Thorreid buchstäblich um den Hals gefallen war.
Der alte Krieger massierte mit gerötetem Kopf an seinem Nacken herum.
"Bei allen Geistern" murmelte er. "Eine Kraft hast du in den Armen... "
"Fünfzig Jahre Holzhacken und Leinen auswringen! Und nun los, gib das Signal zum Aufbruch. Je mehr Längen wir zwischen uns und dieser Eisenreiter bringen, umso besser wird's mir gehen."
"Hmm... du meinst, die kommen nicht wieder?" Thorreid klang fast schon ein wenig enttäuscht. "Ich meine... so ganz ohne zünftige Keilerei?"
"Bei meinen Ahnen Thorreid, danke lieber den Geistern, dass alle noch am Leben sind! Wenn du dich austoben willst, kannst du ihnen gerne nachlaufen oder dich an mir und meiner Keule versuchen. Aber glaub ja nicht, dass ich dir deinen Holzkopf hinterher wieder zusammenflicke!"
Thorreid lachte in seinen roten Bart hinein. Dann setzte er das Horn an die Lippen und holte tief Luft.
 

Darghand

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~ Harmund ~

Das Lager der Grenzläufer war in einer Flussbiegung gelegen, hoch oben auf einem gut zwanzig Schritt aus dem Strom herausragenden Felsen, der wie eine zur Seite gekippte Eisscholle inmitten der flachen Waldlandschaft lag. Vor dem senkrecht abfallenden Rand bot er ein halbrundes, ebenes Plateau, groß genug für sechs kleine Hütten, die sich hinter einigen dünn stehenden Tannen verbargen.
Harmund stand am gegenüberliegenden Ufer und spähte zu dem Felsen herüber. Eine dünne Rauchsäule stieg hinter den Tannenwipfeln auf. Das Lager war also bewohnt, und Harmund dankte den Geistern dafür.
Er raffte sein Gepäck und marschierte weiter in Richtung der Brücke, die etwas weiter flussabwärts stand. Jedes Frühjahr wurde sie von den Grenzläufern neu gebaut, denn die Frühjahrsfluten spülten sie regelmäßig fort. Die Brücke bestand deshalb aus nicht mehr als zwei grob behauenen Baumstämmen: der erste führte auf einen gewaltigen Felsen inmitten des Stroms, der zweite von dort zum anderen Ufer. Die griffige Rinde war bereits zum größten Teil abgefallen, also hatte ein Grenzläufer kreuz und quer Kerben in das Holz geschlagen um den Sohlen mehr Halt zu geben. Zwei locker hängende Hanfseile dienten als dürftiges Geländer, doch Harmund machte keinen Gebrauch von ihnen. Ohne Mühe balancierte er über die Stämme.

Schon als er die Felsflanke hinaufstieg, sah Harmund fünf Gestalten auf Baumstümpfen um ein heruntergebranntes Feuer sitzen, auf dem ein gutes Dutzend Forellen schmorte. Beim Näherkommen erkannte er jeden einzelnen von ihnen: Umbar, den sie den Alten Wolf nannten, ein grauhaariger Hüne, der sich jedes Jahr irgendwo im Norden eine neue Blockhütte baute; der Bleiche Lasse, mit aschblonden Haaren, einer Hautfarbe wie Ziegenmilch und stets dünn wie eine Weidenrute; Skattjy, ein ebenso geschickter wie wortkarger Jäger, dessen Gesicht Harmund stets an das einer Ratte erinnerte; der Einäugige Aarvo, der mit einem abgerichteten Falken umherzog und schließlich der junge Tjove, der noch nicht lange genug zu ihnen gehörte, um sich einen Namen verdient zu haben. Sie alle erweckten den Eindruck von nach innen und außen verhärteten Männern, die niemandem außer sich selbst Rechenschaft schuldig gewaren.
"
Vapaia ja kovaita." grüßte Harmund in die Runde, Freiheit und Härte. Mit dem traditionellen Gruß des Freien Volkes konnte niemand von ihnen etwas anfangen: die Ehre hatten sie alle hinter sich gelassen und Stärke allein nutzte in diesem Leben nichts.
Es schien, als bemerkten die fünf Grenzläufer den Neuankömmling erst jetzt. Umbar, der Älteste von ihnen, erhob sich. Ein gewaltiger Umhang aus Wolfspelzen hing um seine Schultern, und als sich seine Massen in Bewegung setzten wirkte es, als geriete ein Berg ins Wanken. Er schlug Harmund als Willkommensgeste leicht auf die Schulter.
"
Yhdässa ko lauma", Gemeinsam im Rudel, begrüßte er ihn. Die anderen erwiderten den Gruß, bis auf Skattjy, der stattdessen nur nickte und einen dünnen Strahl Speichel zischend ins Feuer spuckte. Skattjy kaute unentwegt auf Sängerfarnblättern herum, einem Geisterkraut mit leicht berauschender Wirkung, das die Spucke verdünnte und die Zähne entsetzlich gelb färbte.
Tjove bot Harmund eine der von ihm geangelten Forellen an, die Harmund gerne annahm. Der Duft von rauchenden Buchenspänen und gegrilltem Fisch ließ seinen Magen rumoren. Umbar reichte ihm wortlos einen abgewetzten Lederschlauch mit
tammi tuli, Eichenfeuer, einem Gesöff, das er jedes Frühjahr aus den Säften von Birke, Eiche und Fichte zusammenbraute und vergären ließ.
"Hast Glück gehabt" sagte der Bleiche Lasse, während Harmund sich Fisch und Alkohol schmecken ließ. "Wir sind schon fünf. Bleibt noch eine Hütte für dich. Glaub nicht, dass einer von uns seinen Schlafplatz mit dir geteilt hätte. Musst ihn stattdessen mit den Vorräten teilen."
Für Grenzläufer, und für Lasse im besonderen, war das fast schon höflich.
"Ach, halt's Maul" polterte Aarvo, ein sehniger Kerl mit einer Haut wie Leder. "S'wird Winter, und lieber würd ich mit euch Halunken zusammenhocken als zun Hirschen zurückzukehren. Die letzten drei Finger meiner Linken dafür, dass es dir genauso geht."
"Dann hol schonmal dein Messer raus."
"Die Mäuler zu!" grollte der Alte Wolf und warf Aarvo einen Lederschlauch Eichenfeuer zu. "Trinkt. Das macht euch zänkische Weiber hoffentlich ruhiger."
Aarvo zog den Stöpsel mit den Zähnen heraus und goss sich einen ordentlichen Schwall in den Rachen.
"Bei den Zitzen meiner Mutter, die Geister ham sie selig, als würde man glühende Eicheln fressen!" Er verzog sein faltiges Gesicht zu einer Grimasse, rülpste vernehmlich und genehmigte sich einen weiteren Schluck, ehe er den Sack an Lasse weiterreichte. Eine Weile sagte niemand etwas, jeder der Grenzläufer genoss den Augenblick. Die weit im Osten liegenden Gipfel hatten die Herbstsonne verschlungen, und hinter ihnen schien der Himmel zu brennen. Der über Wald und Höhen liegende Dunst brach das letzte Tageslicht, das einem tiefblauen, wolkenlosen Abendhimmel wich.
Sie aßen die Fische mit bloßen Händen, das Fett troff ihnen über Finger und Bärte und jeder Bissen wurde mit einem Schluck tammi tuli hinuntergespült.
"Ich bin aus gutem Grund hier." sagte Harmund schließlich, als jeder satt und halb betrunken da saß und sich sogar in Lasses Gesicht so etwas wie ein zufriedenes Lächeln geschlichen hatte. Er griff in seinen Rucksack und warf den Keilerzahn in die Runde. Die kleinen Fetzen Fleisch und Sehne, die dem Zahn noch anhafteten, verbreiteten mittlerweile den süßlichen Geruch von Aas. Umbar schnappte das mächtige Stück mit einer Behändigkeit aus der Luft, die man seiner Gestalt kaum zugetraut hätte.
"Was ist das?" fragte der junge Tjove.
"Ein Keilerzahn." brummte Umbar anerkennend. "Selbst erlegt, Harmund?"
"Sicher nicht." bemerkte Aarvo, als er den Zahn in die Hände bekam. "Der muss zu einem Zehn-Ender gehört haben."
Ein Ende war etwa ein Viertel eines Schritts.
"Ja, ein Zehnender. Wenn nicht größer. Er lag im Fluss."
Harmund berichtete von seinem seltenen Fund und vergaß auch nicht, die Wunden zu erwähnen, die den Keiler das Leben gekostet hatten.
"Glaub ich nicht." Skattjy machte zum ersten Mal an diesem Abend den Mund zum Sprechen auf. "Wissen die Geister, wo das Vieh in den Fluss gestürzt ist. Der
joki hirvi ist ein reißender Strom und voller Felsen. Gut möglich, dass der Kadaver gegen schartige Steine gespült wurde."
Harmund schüttelte den Kopf.
"Es waren Wunden von vier Krallen." beharrte er. "Ich bin lange genug in den Wäldern unterwegs, um die Wunde einer Klaue zu erkennen!"
"Schluss mit diesem Geplänkel!" Umbars' Stimme grollte wie eine Steinlawine. "Mein Urgroßvater war der letzte, der einen Zehnender erlegt hat, und nun bringt uns Harmund solch einen Zahn. Was glaubst du Ratte, wie der Keiler in den Fluss geraten ist? Ist er tot vom Ufer gekippt, was?"
Skattjy sagte nichts, sondern spie wieder dünne gelbe Spucke in die Glut und schob sich ein neues Farnblatt in den Mund.
"Etwas schleicht durch unsere Wälder." stellte der Alte Wolf fest. "Wir sind Grenzläufer, die Wächter der Pässe und die Waffen der Geister. Also werden wir es aufstöbern und umbringen, wie es unsere Aufgabe ist."
"Scheiße, Umbar," sagte Aarvo nach einer Weile unangenehmen Schweigens. "Du redest so geschwollen daher wie ein Skjalde. Demnächst wäschst du dich noch."
 

Darghand

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"Wie geht es ihm?"
Tofleif der Kräuterkundige zuckte mit seinen knochigen Schultern.
"Unverändert, würde ich sagen." Wie immer, wenn er nachdachte, zog Tofleif die Mundwinkel nach unten und rümpfte die Nase. "Er schläft viel. Fast den ganzen Tag. Aber er merkt jedes Mal, wenn ich da bin"
"Unverändert..." Ulbrun wühlte gedankenverloren in seinem Bart herum. "Nun, hoffen wir, dass es ein gutes Zeichen ist."
Gemeinsam gingen die beiden grauhaarigen Männer durch das Lager in Richtung von Onolfs kleinem Zelt, das stets etwas abseitig aufgebaut wurde. Tagsüber lag der geschwächte junge Mann in einer mit diversen Fellen ausgepolsterten Trage, die an eine überdimensionale Wiege erinnerte und an einem der Lastenmammuts befestigt wurde. Tofleif hatte sich bereit erklärt, über den Berührten zu wachen. Er war es auch, der ihm verschiedene Kräutersude und dünne Suppen verabreichte, damit Onolf bei Kräften blieb.
Auch jetzt trug der hagere alte Mann einen Holzkrug, in dem ein Sud aus Heilkräuterns schwappte, der den Geist beruhigen sollte. Tofleif schlug die gewachste Leinenplane, die den Eingang verdeckte, zur Seite und ging gebückt ins halbdunkle Innere des Zeltes.
Als Ulbrun Onolf ansah, erschrak er. Der junge Mann war blass, totenblass. Ohne Zweifel hatte er an Gewicht verloren, die Wangenknochen zeichneten sich unter der Gesichtshaut ab. Die Wangen waren eingefallen und wirkten mit dem dunklen Bartschatten schmutzig. Onolfs dünne Gestalt schien unter den Schichten aus Fellen und Decken fast gänzlich zu verschwinden.
Onolf hob den Kopf eine Winzigkeit an und hielt inne. Das matte Tageslicht, das in das Zelt fiel, erhellte das Gesicht. Als Ulbrun genauer hinsah, bemerkte er, wie sich Onolfs Nasenflügel deutlich bewegten.
'Fast, als würde er uns wittern wie ein Tier.'
"Ah. Tofleif." sagte er mit leiser Stimme und ließ den Kopf zurücksinken. "Aber... du bist nicht allein, nicht wahr? Der Seher ist auch hier."
Der Versuch eines Lächelns verwandelte Onolfs Gesicht vollends in eine wächserne Totenmaske.
"So ist es." sagte Tofleif. "Ich bringe dir einen Kräutertrunk. Hier."
Onolf befreite zwei knochige Arme von den Decken und griff ohne lange zu tasten zielsicher nach dem ihm dargebotenen Holzkrug. Schlürfend nahm er ein paar Schlucke.
'Wie ist das nur möglich? Es ist fast so, als sei er schon seit Jahren blind.' Ungläubig beobachtete Ulbrun den Berührten. Sicher, er war körperlich geschwächt, aber seine Hände zitterten nicht. Keine seiner Bewegungen kam zögerlich.
"Wie geht es dir, Onolf?" erkundigte sich der Alte dann.
"Müde. Ich bin müde, Seher." erwiderte Onolf matt.
"Träumst du?"
"Ja." Er zögerte. "Jedes Mal wenn ich schlafe. Es sind lange Träume."
"Kannst du dich an die Träume erinnern? Besuchen dich die Geister?"
"Nur die Schwarzen. Aber nicht mehr oft. Ich hab gelernt, sie zu verscheuchen." Aus Onolfs Kehle drang etwas wie ein heiseres Kichern. Es klang mehr wie ein Husten.
"Du sagst, du kannst sie vertreiben?" Ulbruns Neugierde war geweckt. Er verfluchte seine Erinnerungslücken aber davon, dass Berührte ihre Peiniger verscheuchten, hatte er mit Sicherheit noch nicht gehört. "Wie? Wie gelingt dir das, junger Onolf?"
"Sie mögen kein... Licht. Auch nicht die Erinnerung daran. Sie machen mir keine Angst mehr."
Der Alte schwieg. In dem jungen Mann kämpften zwei widerstrebende Ordnungen und rissen an seinem Geist. Immerhin konnte er sich noch aus eigenen Stücken der einen zuwenden und der anderen zumindest für einige Zeit entfliehen. Das sprach entweder für eine enorme Stärke von Onolf - oder für die Schwäche der Geister, die ihn heimsuchten.
"Und das Licht hier? Fügt es dir noch Schmerzen zu?" Mit der Hand wies er auf ein kleines tanzendes Geisterlicht, das bläulich über einem grünen Zweig schimmerte, an das er es vor einiger Zeit gebunden hatte.
"Nein." antwortete Onolf. "Dieses nicht mehr. Bitte, geht jetzt... das alles kostet mich viel Kraft."
Tofleif nickte Ulbrun zu und nahm Onolf den inzwischen geleerten Holzkrug ab. Sie verabschiedeten sich kurz und verließen dann das Zelt. Dass sich im Innern ein kalter Hauch regte, als sie das Leinentuch wieder über den Eingang legten, und kurz darauf das Geisterlicht zitternd verlosch, sahen sie nicht.

Die Zeit bis zum Einbruch der Nacht wollte der Alte zum ersten Mal seit langer Zeit dazu nutzen, um sich in die Welt der Geister zu begeben. Tofleif hatte ihn mit einem großzügigen Vorrat an Geisterkräutern bedacht. Ein frischer Wind war in den Abendstunden aufgezogen und hatte die Nebelschwaden in Fetzen durch das niedrige Buschwerk getrieben. Ulbrun wickelte seinen Federumhang enger um den Leib und stapfte über den sommertrockenen Boden in den Nebel hinein. Etwas abseits des Lagers fand er einen großen Felsbrocken, der etwas Schutz vor dem schneidenden Wind bot. Es dauerte lange, bis ein kleines Feuer zu seinen Füßen brannte und der beißende Rauch des Geisterkrautes in seine Nase stieg.
„Ihr Geister dieses Landes, hört meinen Ruf.“ bat Ulbrun und öffnete seine Sinne für die Elemente um ihn herum.
Außer feuchter Kälte ist hier nichts zu spüren.
Die Kälte schien schneidender zu werden und der Wind, der sich an dem Felsen fing, heulte dumpf in seinen Ohren. Ulbrun hatte den Eindruck, als gäbe der Boden unter ihm nach und würde ihn langsam in das uralte Erdenreich hinabsenken. Das Licht hinter seinen geschlossenen Lidern wurde schwächer.
"Was willst du?" fragte eine knarrende Stimme, die wie ein uralter Atem aus großer Tiefe emporstieg und in Ulbruns Kopf sich langsam verlierend nachhallte. "Wer stört unseren Schlaf?"
Es raschelte und rieselte in der Dunkelheit, als würden sich tausende feiner Wurzeln zitternd durch die feuchte, modrige Erde bewegen.
Das Heidekraut. kam es dem Alten in den Sinn. Es müssen die Geister sein, die sich an das Heidekraut gebunden haben. Eine tiefe Beklommenheit erfasste ihn. Er hatte das Gefühl, als wäre er in uraltes Grab hinabgestiegen und hätte die dort Ruhenden gestört.
"Ulbrun der Nebelrabe, einer eurer Diener, ihr Geister dieses Landes." antwortete er in Gedanken.
"Diener?" fragte die Stimme und erstarb abrupt. Wieder krochen die Wurzeln durch die Finsternis. "Lange haben wir keine Diener mehr. Seit langer Zeit schon... so lange..."
Die Stimme erstarb in einem leisen Wispern.
"Ihr Geister, was geschieht in euren Landen?"
Es folgte eine lange, undurchdringliche Stille. Ulbrun hörte nur sein Blut in den Ohren pulsieren.
"Nichts geschieht hier." Die Stimme klang zornig, traurig und dabei unglaublich müde. "Ein Land ewigen Verwelkens. Nur Asche ist geblieben."
"Verzeiht, Ihr Geister, etwas ist hier gewachsen. Ein dunkler Stein vielleicht. Eine finstere Macht." beharrte Ulbrun.
Die Stimme seufzte lang und sehr leise. Wieder schienen unzählige Wurzeln dumpf im Erdreich zu scharren.
"Vergessen... hier geschieht nichts. Wir sind aus der Zeit herausgefallen, kleiner Mensch. Nach innen gekehrt warten wir auf den Frühling. Sonst – ist - nichts!"

Eine bleierne Trägheit senkte sich über Ulbruns Geist wie ein Leichentuch. Er spürte, wie sein Herz immer langsamer schlug und seine Glieder zu schwer wurden um sie zu bewegen, ganz so, als würde er bei vollem Bewusstsein einschlafen. Schlaf war das falsche Wort, es war ein schnelles Versteinern bei vollem Bewusstsein. Muskeln und Gelenke fühlten sich steif, kalt und unbeweglich an, seine Haut schien zu verdorren, die Sehnen zogen sich schmerzhaft zusammen.
Der alte Seher spürte einen unbestimmten Druck in der Kehle. Etwas schloss sich von innen um seinen Hals und schnürte ihn fester und fester zusammen. Er wollte die Hände zum Hals heben um sich von dem unsichtbaren Strick zu befreien, doch seine Arme gehorchten ihm nicht. Weiter und weiter zog es ihn in eine unvorstellbare Tiefe hinab. Finsternis legte sich über seinen Geist.

Ulbrun schlug die Augen auf und japste nach Luft wie ein Ertrinkender. Sein Kopf dröhnte entsetzlich. Wie Eis, das in der Sonne schmolz, spürte er Leben und Beweglichkeit in seinen Körper zurückkehren. Als sich der Blick des Alten allmählich klarte, erkannte er den Ort, an dem er sich befand. Er lag in einem nebligen, nächtlichen Tannenforst. Ein großer Rabe hing bewegungslos in der Luft. Die Luft um ihn herum flirrte und das tiefe Schwarz seiner Federn floss wie feine Tintenströme in die nächtliche Dunkelheit. Verwirrt befühlte Ulbrun seinen Hals und seine Hände und erhob sich dann langsam. Demütig verneigte er sich vor seinem Totem.
"Was ist geschehen, Großer Rabe?" fragte er.
"Ein Grauer Geist. Die schlafende Wildnis. Sie hat sich dir bemächtigt."
Der Rabe klapperte mit dem Schnabel.
"Ein Grauer Geist?"
Angestrengt suchte Ulbrun die Tiefen seines Gedächtnis ab. Skjöge hatte ihm während seiner langwierigen Unterweisung in das Brauchtum der Seher von den Grauen Geistern erzählt, doch das war so lange her, dass sich Ulbrun nur noch an wenig erinnerte. Sie waren, soviel wusste er noch, Teil einer Natur, die von fremden Mächten verzerrt war und deshalb nicht mehr dem ewigen Zyklus gehorchte.
"Ja." krächzte der Rabe, als erriete er die Gedanken des Alten. "Herausgefallen sind sie aus dem ewigen Rad. Tod und Erlösung suchen sie. Die Bindung ist unlösbar, ihr Schlaf währt Jahrtausende. Ebenso ihr Zorn. Fürchte sie."
Ulbrun fröstelte und sah sich um. Der nachtschwarze Wald sah so natürlich aus wie die Wälder des Nordens und doch war es kein Reich für sterbliche Wesen. Es war totenstill, nicht der leiseste Windhauch wehte durch die Nadelwipfel.
'Hierher gelangen nur die unvergänglichen Geister.'
"Ihr habt mich gerettet, Großer Rabe?" fragte er dann. Es war mehr eine Feststellung.
Der Geistervogel neigte den Kopf.
"Du kennst die Antwort bereits, Diener Ulbrun."
Der alte Seher nickte langsam und nachdenklich.
"Wenn die Grauen Geister in diesen Ebenen ruhen, brauche ich die Unterstützung anderer Geister." sagte er dann zögerlich. "Werdet Ihr Eurem Diener helfen?"
"Ja. Ich schicke meine Tiere. Sie wachen über dich und die deinen."
"Seid bedankt, Großer Rabe."
"Eines noch, Diener Ulbrun." Obwohl sich im Gesicht des Rabens nichts ändern konnte, bemerkte Ulbrun etwas, das Unsicherheit auszudrücken schien. "Etwas geschieht, verborgen für diese Augen. Ohne zu wissen siehst du mehr. Sei wachsam."

Ulbrun fand sich an dem Felsen wieder. Für gewöhnlich kostete ihn der Kontakt mit der Geisterwelt viel Kraft, doch nun fühlte er sich frisch und gestärkt wie nach einem Bad in einem kalten Bergbach. Es war längst dunkel und die Lagerfeuer brannten bereits. Der Alte erschrak, als direkt neben ihm etwas krächzte. Erst jetzt fiel ihm der Rabe auf, der auf dem Stein hockte und ihn mit einem seiner pechschwarzen Augen aufmerksam beobachtete.
Der Alte streckte den Arm aus und der Vogel flatterte auf seine Hand. Es war ein prächtiges Tier mit beeindruckender Flügelspanne. Seine Krallen kratzten an der faltigen Haut, verletzten sie jedoch nicht.
"Unser Geist hat dich wohl geschickt." murmelte Ulbrun und strich vorsichtig mit den Fingern durch das Gefieder. Der Rabe legte fragend den Kopf schief und keckerte. Dann flatterte er krächzend davon.
 
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Morgan

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Nachdem die Ganze Aufregung verflogen war, unterhielten sich Maron und der kleinwüchsige Ghomer noch eine Weile. Der Gnump war sich sicher, dass diese Ebenen nicht mehr natürlich waren. Er als Wald und Feldwesen hatte ein Gefühl dafür und dieses Gefühl sagte ihm, dass er hier sehr auf der Hut sein musste.
Ohne ein weiteres Wort bestieg er seine kauernde, giftgrüne Steinspinne und bat diese ihn durch die Gegend zu tragen. Ab sofort würde er wachsammer sein müssen. Versonnen kaute er auf einem der Gnollenblätterpilze herum und besann sich kurz auf das saftige Grün seines Heimatwaldes....wenn die Freundesgruppe versagte, würde auch dieset Wald so tot sein wie die Ebene hier.
 

Anora

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Anora traute ihren Augen kaum, als die Ritter ihrer Aufforderung tatsächlich Folge leisteten und - abgesehen von einem kurzen, aber heftigen Wortwechsel mit Alyndur - ohne weiteres umkehrten und sich auf den Rückweg machten. Fassungslos schüttelte die Elfe den Kopf, während sie beobachtete, wie sich die prächtigen roten Umhänge in immer kleiner werdende Punkte verwandelten und schließlich ganz am Horizont verschwanden. Im Grunde ihres Herzens hatte sie kaum zu hoffen vermocht, mit ihrem Freibrief irgendetwas bewirken zu können. Die Chance auf Erfolg war so gering gewesen! Aber es war ihre letzte Hoffnung gewesen, ein Blutbad auf ihre Kosten zu vermeiden. Dass dieses kleine, unscheinbare Stück Pergament, das nun in viele Teile zerrissen vor ihren Füßen lag, tatsächlich so viele Leben hatte retten können, konnte sie kaum glauben. Der Verlust des Freibriefes war ihrer Meinung nach ein geringer Preis dafür, dass sie nach diesem Tag noch weitere erleben durften, und sie nahm ihn nur allzu gerne in Kauf. Sie hatten den Brief bisher noch nie gebraucht, und abgesehen von Zusammenstößen mit Rittern, die mit ihrem Auftrag nicht vertraut waren, hatte er für sie sowieso keinen praktischen Nutzen. Und auf ihrem weiteren Weg waren es wahrlich nicht die Ritter, um die sie sich sorgen mussten.
In die allgemeine Siegesstimmung der Nordmannen und einiger ihrer Gefährten konnte sie trotz allem nicht recht einstimmen. Angesichts der Tatsache, wie sie die Roten Drachen losgeworden waren, war das recht verwunderlich für sie, hätte sie diese Situation doch normalerweise mit mehr als nur reiner Genugtuung erfüllt – Doch heute war das nicht so. Dennoch verspürte auch sie eine gewisse Erleichterung, nun da die Ritter aus ihrem Sichtfeld verschwunden waren.
Mit einem steifen Lächeln auf den Lippen nickte sie Maron ob seines kurzen Lobes dankend zu. Die Worte Ulbruns kommentierte sie dagegen mit einem knappen, entschuldigenden Schulterzucken. Hätte sie sich eher an den Freibrief erinnert, hätte sie die Kenntnis darüber auch mit den anderen geteilt und ihn eingesetzt, bevor es überhaupt zu einer so festgefahren Situation mit den Rittern hätte kommen können, doch dafür war es nun zu spät. Sie konnten sich glücklich schätzen, dass ihre Erinnerung und ihr Verstand sie in letzter Sekunde doch nicht im Stich gelassen hatten und alles ein gutes Ende genommen hatte.
Jetzt erst richtete die Elfe ihrer Aufmerksamkeit auf Nori, der vor ihr in die Knie gegangen war und ihnen eine Art Schwur entgegen brachte. Der Anblick eines vor ihr knienden Zwerges hätte aus ihrer Sicht normalerweise mit Sicherheit etwas Belustigendes an sich gehabt, doch in diesem Moment konnte sie nichts dergleichen daran finden. Ihr sowieso schon recht knappes Lächeln erlosch schlagartig, und mit ihm das gewohnte Leben in ihren Augen. Zurück blieb die Müdigkeit und die Ausgezehrtheit, die die vergangenen Stunden in ihr hinterlassen hatten.

„Ich hoffe, Ihr seid nun zufrieden, Nori vom Zwergenvolk. Ihr seid mit dem Leben davon gekommen und solltet keine Probleme mehr mit den Rittern haben, wenn Ihr Euch von ihnen in Zukunft fern haltet.“
‚Was ihm sowieso nicht gelingen wird!’, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Und selbst das Artefakt, was immer es auch sein mag, bleibt Euch erhalten, so wie Ihr es Euch gewünscht habt.“
Ob es das tatsächlich wert gewesen war? Anora bedachte den Zwerg mit einem kritischen Blick. Was sollten sie mit ihm anfangen, nun, da er ihnen so eifrig versichert hatte, seine Schuld zu begleichen? Was sollten sie mit einem Zwerg anfangen, der nicht bereit gewesen war, die Verantwortung für seine Taten zu übernehmen und stattdessen Schutz bei Unbekannten gesucht hatte, wohl wissend, dass er damit ihrer aller Leben bedrohte? Ein Zwerg, der im Angesicht von Gefahr zu Stein erstarrte und nicht vermochte, etwas zu seiner Verteidigung beizutragen, würde ihnen weniger Nutzen als Ärger bringen. Doch in Erinnerung daran, was nach der letzten Auseinandersetzung mit diesem Thema geschehen war, bemühte Anora sich so gut sie es vermochte herunterzuschlucken, was ihr eben noch auf der Zunge gelegen hatte. Auch jetzt fiel es ihr wieder ungewöhnlich schwer, gelassen zu bleiben – Und das alles nur wegen eines dahergelaufenen Zwerges und einer Sache, die sie normalerweise mit einem beifälligen Lächeln und einem Achselzucken abgetan hätte. Was war nur in sie gefahren?
Die Elfe biss sich auf die Lippen, bevor sie die wohl noch am ehesten diplomatischen Worte hervorbrachte, zu denen sie im Moment in der Lage war:

„Eure Schuld muss nicht beglichen werden, Zwerg. Es war unsere… Pflicht… Euch als… Schutzbedürftigen… gegen die Ritter beizustehen, zumal sie auch für uns keine Freunde sind.“
Es war unüberhörbar, dass ihre Worte nicht ihren wahren Empfindungen entsprachen und dass ihr die Lüge, mit der sie Ulbruns Belehrung am Vorabend aufgriff, nicht leicht von den Lippen ging, doch sie hoffte, die anderen würden nicht allzu sehr darauf achten. Unauffällig beobachtete sie aus den Augenwinkeln die Reaktion des Sehers, doch sie konnte nicht feststellen, ob er ihr diese hohlen Worte abnahm oder nicht. Im Grunde war es ihr auch gleichgültig, die Hauptsache war, dass es keinen weiteren Konflikt mehr wegen dieses Themas zwischen ihnen gab. Aus diesem Grund hatte Anora es auch nicht gewagt, Nori seines Weges zu schicken, selbst wenn das bedeutete, dass dieser tollkühne und gleichzeitig so feige Zwerg ihnen weiterhin folgte. Es war seltsam, eigentlich hatte sie nichts gegen ihn, im Gegenteil, irgendwo war ihr der kleine Kerl sogar sympathisch, doch irgendetwas in ihr sperrte sich gegen diese Sicht der Dinge und filterte nur das Negative in ihrer Wahrnehmung heraus.
Um keinen Nährboden für eine weitere Diskussion zu schaffen, wandte Anora sich mit einem letzten Nicken von dem Mittelpunkt des allgemeinen Interesses ab und griff nach den Zügeln ihrer Stute, als ihr Blick an Alyndur haften blieb. Der Waldläufer hatte in Adonor wohl einen Feind fürs Leben gefunden. Aber da war noch mehr. Irgendetwas an der kurzen Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Ritter war ihr falsch vorgekommen, doch wenn man sie gefragt hätte, hätte sie nicht sagen können, was es genau gewesen war. Einen Augenblick nur hielt sie inne und dachte darüber nach, dann nahm sie ihre begonnene Bewegung wieder auf und führte Aerlynn ein Stück weiter, bis sie sich wieder auf deren Rücken schwang. Noch immer hatte sie Alyndurs Anfeindungen vom letzten Abend ihr gegenüber weder vergeben noch vergessen.
Als sie noch einmal über ihre Schulter zurückblickte, fiel ihr zum ersten Mal bewusst auf, dass der eigenartige Elf Leglaf sich nicht unter ihren Gefährten befand. Sowohl von ihm als auch von seiner Halblingsdame fehlte jede Spur. Wenn sie genauer darüber nachdachte, glaubte sie, die penetrant hohe Stimme der kleinen Frau das letzte Mal gehört zu haben, als Leglaf ihnen mit Hilfe seiner Zauberkugel seine Welt gezeigt hatte. Als sie wieder im Hier und Jetzt angekommen waren, war Nori aufgetaucht und alle Aufmerksamkeit hatte sich auf ihn fokussiert. Seitdem hatte sie von Leglaf und der Halbine weder etwas gehört noch gesehen. Dass sie die beiden irgendwo verloren hatten war unwahrscheinlich. Die Landschaft hier war nicht so unübersichtlich, dass zwei Personen, und mochte eine von ihnen noch so klein sein, einfach verschwinden konnten. Anora verspürte folglich auch nicht den Drang, nach den beiden zu suchen. Vielleicht war der fremde Elf zusammen mit seiner kleinen Freundin in seine eigene Welt zurückgekehrt, auf welchem Weg auch immer. Sie hatte sich nie richtig in seine Denkens- und Handlungsweise einfühlen können. Jetzt einen Suchtrupp nach ihnen auszusenden wäre auf alle Fälle reine Zeitverschwendung, abgesehen davon dass die beiden den Weg zurück zu ihnen schon wieder finden würden, falls sie das wollten, denn die Spur, die die Karawane hinterließ, war unübersehbar. Dennoch blieb der Gedanke an den Verbleib der beiden irgendwo in ihrem Hinterkopf erhalten, wenn sich auch im Moment Wichtigeres in den Vordergrund drängte.
Im flotten Trab entfernte sich Anora ein wenig von der Karawane, wie um Abstand zu gewinnen, aber gleichzeitig auch um die anderen daran zu erinnern, dass sie trotz der Siegesstimmung noch einen langen Weg vor sich hatten und die unerwünschte Unterbrechung durch die Ritter nun beendet war. Die Reise konnte also weiter gehen.

Im Laufe des folgenden Tages hatten sie, ohne dass sie sich dessen wirklich bewusst waren, die Grenzen zu den Ebenen der Schatten überquert.
 

Alyndur

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Das Pferd setzte einen lahmen Fuß vor den anderen. Mochte sein, dass es ein Hengst war. Mochte sein, dass er ihm einmal vor Anerkennung einen Namen gegeben hatte, doch im Hier und Jetzt ärgerte ihn nichts mehr als die ermüdende Geschwindigkeit, mit der sich das treue Tier der Karawane anpasste. Wie sehr er sich wünschte, all den Trübsinn in wildem Galopp hinter sich zu lassen, und sei es nur für einen Augenblick, sei es nur für eine Stunde. Doch die Ebenen des Schweigens boten nicht gerade das denkbar günstigste Gelände für einen spontanen Ausritt. An der Spitze des Zuges hatte sich bereits Anora, ihres Zeichens misanthropische Elfe und Spiegel seines derzeitigen Unmuts, mit ihrer Stute geflüchtet. Vermutlich grimmte sie ihm noch immer wegen seiner zynischen Zurechtweisung. Zugegeben, wenngleich er seine Worte nicht bereute, machte ihn die Art und Weise, in der er sie geäußert hatte, stutzig. Er hatte schon des Öfteren eine Neigung in sich entdeckt, mit grundloser Belustigung den Ernst ungünstiger Lagen abzuwehren. Doch Anora schien ihm niemand mit besonderer Nachsicht und Verständnis für üble Scherze auf ihre Kosten zu sein, daher wäre der Versuch einer Erklärung wohl vergebliche Liebesmüh gewesen. Außerdem schien es sich hierbei in diesem seltsamen Land wahrlich nur um einen wunderlichen Vorfall von mehreren zu handeln. Was das betraf, sollten ihm die folgenden Tage Recht geben.
Wenn es jemanden in der Reisegesellschaft gab, der die Siegesstimmung gegenüber den Rittern, die sich kurzzeitig wie eine euphorische Seuche verbreitet hatte, nicht teilte, so war das mit Sicherheit Alyndur. Denn er gehörte zu den Verlierern. Dort drüben, unter dem Nordvolk, ja sogar unter den Gefährten der Gruppe feierte man noch immer seine Niederlage. Aus Unwissenheit oder Gleichgültigkeit, sollte man doch. Was andere über ihn dachten und redeten, war einerlei, solange ihm der Einklang mit sich selbst und der Natur erhalten blieb. Doch vom Einen wie vom anderen fühlte er sich dieser Tage so weit entfernt wie schon lange nicht mehr. Wenn er die Augen zur Nacht schloss, dann nicht, um Ruhe zu finden, sondern um sich endlich der Marter zu stellen, die er tags über zu leugnen versuchte.
Dann erschien den Ritter mit der scharfen Gesichtsnarbe vor seinem inneren Auge.
Alles war rot: der Umhang des Ritters, sein Bart, seine Haare, auch die Gasse einer herrenlosen Stadt, in der er er sich befand, oder war es ein Waldpfad? Alles war in ein sattes, finsteres Rot getaucht.
Der Ritter beugte sich über etwas, einen Gefallenen, dem ein bis zum Federende blutdurchtränkter Pfeil aus der Brust ragte. Neben ihm lag ausgestreckt sein totes Ross. Der musste durch den Leib des Tieres hindurch bis tief in das Herz des Reiters gedrungen sein. Obgleich Alyndur den ganzen Traum als Ausgeburt eines fremden Wahns erkannte, der sich in sein Bewusstsein schlich, konnte er sich nicht dagegen wehren, dass der Ritter den Todespfeil mit einem kräftigen Ruck aus dem Fleisch seines Verwandten entfernte und ihn dem Beobachtenden lächelnd entgegen streckte.

„Erkennt Ihr ihn?“ , fragte er Alyndur, ohne eine Antwort zu verlangen. „Er ist zusehends schmutziger geworden, seit sich sein Flug von Eurer Sehne entfernte. Es wird der Tag kommen, ihn zu reinigen.“ Solche Träume und schlimmere besuchten ihn umso öfter, je tiefer sie in die Ebenen des Schweigens vordrangen. Diesen Namen, erkannte der Waldläufer, trug die Wüste sehr zu Recht. Dieses Land hatte schon seit Tagen keinen Laut mehr von sich gegeben. Keine Rufe von Tieren, kein Geflüster von Gras oder Zweigen, durch die der Wind hindurchstrich. Nicht einmal der Schrei eines Geiers erbarmte sich, die Totenstille zu brechen, die mit dem Nebel über den Weiten hing. Leben und Frohsinn, hatte es sie jemals gegeben, waren diesem Land längst entflohen.
Auch die Gefährten waren schweigsam und trübsinnig. Ulbrun verbrachte viel Zeit bei den Seinen und entzog sich damit oft seinem Blickfeld, doch anderen schien es ähnlich zu ergehen wie Alyndur selbst. Wieder kam ihm sein rätselhafter Spott in den Sinn, den er Anora gegenüber beinahe gezwungenermaßen an den Tag gelegt hatte.
War es dieser Ort, der nicht nur versuchte, sie mit sich selbst, sondern auch untereinander in Zwietracht zu bringen? Augenblicklich wurde Alyndur klar, welch leichtes Opfer die Gruppe einer solchen Absicht dargeboten hätte. Was hielt ihre kleine Runde wirklich zusammen? Sie war doch schwerlich mehr als eine zusammengewürfelte loyalitätsheuchelnde Nutzgemeinschaft, in der sich jeder einzelne von der braven Begleitung einer von Misanthropie und Selbsthass besessenen Elfe bei ihrer Aufgabe, deren Sinn sie vermutlich selbst nicht wirklich verstand, irgendeinen Gewinn erhoffte. Nun, zumindest traf das auf Alyndur selbst zu. Irgendwie, wie genau war ihm bis heute nicht klar, war es ihm gelungen, in ihrem Kreis reisen zu dürfen. Ähnliches galt für den rätselhaften Gesellen Leglaf, der indes genauso schnell und unverhofft wieder verschwunden war, wie zuvor aufgetaucht. Ob von dahergelaufenen oder längerzeitigen Gefährten gezeichnet, die Gruppe als Ganzes war keine Gemeinschaft, die mit- und füreinander stritt. Sicher, es gab den einen oder anderen, der seinen Teil dazu beitrug, mehr aus ihr zu machen als einen losen Söldnerbund, doch die Wahrheit erzählte von seinem Scheitern. Es war ihm nicht entgangen, dass Anora die Gemeinschaft ihrer eigenen Gruppe mit der Schande der Lüge befleckte. Hatte sie ihm selbst einst bei ihrem Aufeinandertreffen im Bezug auf die Ritter der Roten Drachen erklärt, der Feind ihrer Feinde sei für sie deshalb kein Verbündeter, so hatte sie Nori vor kurzem eines anderen versichert, um sich der unangenehmen Last seines Treueschwurs zu entledigen.

Der Unmut des Waldläufers sollte sich auch durch die nächsten Tage fressen und zu einem noch ungeahnten Ausmaß heranwachsen. Er zehrte von den ruhelosen Nächten und den endlosen Tagen, von denen keine Rast mehr Erholung brachte. Er richtete sich gegen die Nordleute, gegen die Gruppe, gegen alles und gegen ihn selbst.
Seine eigenen Beweggründe für dieses lächerliche Unternehmen schienen ihm plötzlich abwegig wie nie zuvor.
Eines Tages, als sich der Alb der Nacht mit der Ernüchterung des Tages vermengte, geschah es. Er beschloss von nun auf jetzt, alles hinter sich zu lassen und sich seinen Weg nach Sin’Arcus allein zurückzusuchen. Er brauchte keine lahme Führung noch zweifelhafte Gefährten, um seinen Weg zu finden. Er lenkte das Pferd herum und gab ihm die Sporen.
Doch noch ehe es einen Huf in seine Richtung gesetzt hatte, schreckte das feige Tier vor dem einsamen Nebel zurück. Die Nähe zu den anderen Pferden, Zugtieren und Menschen schien ihm Sicherheit vor dem zu spenden, was dort draußen lauerte und so wehrte es sich mit aller Kraft gegen jeden selbstmörderischen Befehl seines Reiters. Dieser stieß ihm darauf erneut die Hacken in die störrischen Seiten, doch anstatt sich endlich in Bewegung zu setzen, bäumte es sich zu seiner ganzen Größe auf. Alyndur sah plötzlich dem Himmel entgegen und, hätte er sich nicht bereits mit der gesamten Kraft seiner Beine an den Bauch des Pferdes geklammert, so wäre er rücklings aus dem Sattel gestürzt.
Der Schock riss ihn aus seiner finsteren Gemütslage und so beeilte er sich, den Rücken des schreckhaften Hengstes zu klopfen und ihn wie auch sich selbst mit Worten zur Ruhe zurückzuführen.

„Schon gut, Calderion, alter Junge.“ Er bemühte sich, es nur nach einem Ausraster des Hengstes aussehen zu lassen. „Schon gut, mein Lieber.“ Für eine Weile starrte Alyndur fassungslos in das graue Meer vor ihm und wunderte sich seiner selbst.
 
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Anora

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Es war in der Nacht nach ihrem Zusammentreffen mit den Rittern, als sie die Stimmen zum ersten Mal wahrnahm.

Nachdem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, hatte Anora sich ein wenig abseits von den anderen gegen einen Sandsteinfels gekauert und hatte versucht zu ruhen. Essen wollte sie nichts – Sie verspürte weder Hunger noch Appetit. Alles, was sie sich wünschte, war ein erholsamer Schlaf, doch auch dieser sollte ihr in dieser Nacht wieder verwehrt bleiben. Obwohl ihr Körper ausgelaugt und müde war, war ihr Geist hellwach, sobald sie die Augen schloss. Auf einmal nahm sie jedes Geräusch in diesem stillen Land mit einer unheimlichen Deutlichkeit wahr, und ihre Gedanken rasten von einem Ort zum anderen. Sie durchlebte die Geschehnisse dieses Tages wieder und wieder, und nach einiger Zeit kamen auch ältere Ereignisse aus ihrer Vergangenheit hinzu. Immer wenn sie glaubte, kurz vor dem Einschlafen zu sein, schreckte irgendein Geräusch oder ein Gedanke sie wieder auf, und sie musste sich schließlich eingestehen, dass sie so weit vom Land der Träume entfernt war wie nie zuvor.
Die Mitternachtsstunde war schon lange verstrichen, als sie es schließlich aufgab. Mit einem leisen, resignierten Seufzen richtete sie sich auf und bemühte sich die Dunkelheit mit ihrem Blick zu durchdringen. Die meisten vom Nordvolk hatten sich zur Ruhe gelegt und man konnte nur hier und da ein vereinzeltes Flüstern vernehmen. Von ihren Gefährten konnte sie nicht alle auf Anhieb ausfindig machen, doch sie glaubte, hoffte, dass auch diese ihren Schlaf gefunden hatten. Irgendwann stand sie ganz auf und schlenderte anfangs ein wenig ziellos durch das Lager, immer darauf bedacht, genügend Abstand zu den Schlafenden zu bewahren, um diese nicht zu wecken. Dann stieß sie auf Alyndur. Der Waldläufer hatte wohl schon vor einiger Zeit den Posten der Nachtwache übernommen, denn er sah müde aus und starrte gedankenverloren vor sich hin. Als er ihr Kommen bemerkte, blickte er zu ihr auf. Einen Moment lang blieb die Elfe wie angewurzelt auf ihrer Stelle stehen. Das Funkeln in den Augen des Menschen hatte etwas Gereiztes, fast schön Bösartiges an sich, als er sie erkannte, so dass sie zurückschrak. Doch schon im nächsten Augenblick schalt Anora sich für ihre eigene Dummheit. Die Nacht hatte ihr wohl Streiche gespielt und es war wohl nur das Leuchten der Fackeln, das sich in den Augen ihres Gegenübers widerspiegelte. Trotzdem merkte sie, wie sich ihr gesamter Körper anspannte und ihre Haltung sich verhärtete, als sie weiter ging. Auch ihr Ton, wenn auch kaum mehr als ein Flüstern, war kühl, fast schon abweisend.

„Geht zur Ruhe, ich übernehme die Wache!“
Aus ihrem Mund klangen diese Worte, die eigentlich ein Gefallen hätten sein können, wie ein Befehl. Erst glaubte sie, Widerstand in Alyndur erkennen zu können, und sie machte sich schon auf eine weitere, sinnlose Diskussion gefasst. Umso mehr wurde sie überrascht, als er aufstand und sie ohne ein Wort zu sagen einfach an ihrem Platz stehen ließ. Anora konnte mit diesem Verhalten nichts anfangen, und so wusste sie nicht recht, ob sie sich darüber ärgern sollte oder nicht, also beschloss sie, es einfach so hinzunehmen und nicht mehr weiter darüber nachzudenken. Als ob das so einfach wäre! Sie nahm den Platz ein, den kurz zuvor noch Alyndur inne gehabt hatte, und wachte still über das Lager.
So verging einige Zeit, die sie sich hauptsächlich damit vertrieb, in das außergewöhnlich klar erkennbare Sternenzelt hinaufzuschauen und sich die Namen der einzelnen Gestirne in den Kopf zu rufen.
Sie bemerkte erst, dass sie eingeschlafen war, als sie von einem einzigen Wort plötzlich aus dem Schlaf gerissen wurde:
’…Verräter…’ Erschrocken fuhr sie hoch und sah um sich, doch sie konnte niemanden entdecken. So, wie ihr Herz in ihrer Brust schlug, hatte sie wahrscheinlich schlecht geträumt, nichts weiter. Mit diesem Gedanken versuchte sie, sich wieder zu beruhigen, was ihr nach kurzer Zeit auch gelang. Doch gerade, als ihr Geist wieder abzuschweifen drohte, vernahm sie erneut ein Flüstern. Wieder schrak sie hoch, doch auch diesmal war niemand zu sehen, der zu ihr gesprochen haben könnte. Jetzt war es wohl so weit, ihr Verstand spielte Spielchen mit ihr. Vielleicht war es der Schlafmangel, der ihr zu schaffen machte. Anora beschloss, sich die Beine ein wenig zu vertreten um wieder Leben in ihren Körper zu bringen. Doch sie kam nicht weit. Nur wenige Schritte von ihrem Platz als Wachposten entfernt hörte sie es wieder, ein Flüstern, zwar unverständlich, doch es war da. Und diesmal war sie sich sicher, dass es nicht aus ihrer Umgebung stammte. Es war direkt in ihrem Kopf. Anora schüttelte sich, als könne sie damit das ungeliebte Flüstern loswerden, und ging dann weiter, diesmal zügiger. Nun dauerte es etwas länger. Sie glaubte schon, die Sache zu Ende gebracht zu haben und wollte sich gerade auf den Rückweg zu ihrem Posten machen, als sie es wieder vernahm. Diesmal waren es ganz eindeutig mehrere Stimmen. Sie konnte sie weder erkennen noch verstehen, was sie sagten, aber das wollte sie eigentlich auch gar nicht. Langsam merkte sie, wie Panik sie befiel. War sie nun tatsächlich drauf und dran, überzuschnappen? Wie konnte es sein, dass sie etwas hörte, dessen Quelle offensichtlich in ihrem Kopf saß? Und vor allem, was konnte sie dagegen tun? Vielleicht war es das Beste, wenn sie das Ganze einfach ignorierte. Bei Tagesanbruch würde der Spuk bestimmt sein Ende finden und alles wäre wieder in bester Ordnung. Ein wenig hektisch ging sie zurück zu ihrem Posten und ließ sich wieder auf dem Stein nieder, auf dem schon Alyndur gesessen hatte. Sie war fest entschlossen, dem Flüstern keine Beachtung mehr zu schenken, sollte es wieder anfangen, und sie verfolgte diesen Plan so stur, dass sie damit fast Erfolg gehabt hätte. Aber dann wurden die Stimmen klarer, und auch wenn sie nicht alles verstehen konnte, so drangen doch einige Worte deutlich in ihr Bewusstsein vor. Es waren Worte, die sie nicht ignorieren konnte, und die ihr keine Ruhe mehr lassen sollten: ‚…Schuld… …Lügen… …Verrat… …Tod…’ So ging es weiter, immer weiter, und irgendwann wusste Anora sich nicht mehr zu helfen. Sie hatte sich selten so machtlos gefühlt.
Als die ersten, schwachen Strahlen der Sonne die Dunkelheit über den Ebenen vertrieb, saß die Elfe vollkommen zusammengekauert an ihrem Platz, den Oberkörper weit nach vornüber gebeugt, die Ellenbogen auf den Knien aufgestützt und die Hände mit aller Kraft auf die Ohren gepresst. Erst als der Morgen hereinbrach, lockerte sie sich ein wenig aus ihrer erstarrten Haltung. Sie fühlte sich so erschlagen, als hätte sie seit Wochen nicht mehr geschlafen, und sie glaubte, ihre Muskeln müssten ihr jeden Dienst verweigern, so schwach wie sie sich anfühlte. Doch trotz ihrer Erschöpfung war sie erstaunlich wach, und auch ihre Beine trugen sie noch etwas zittrig, aber ansonsten anstandslos, als sie es schließlich wagte, aufzustehen.
Hoffnungsvoll blickte die Elfe in die Morgensonne. Die Stimmen waren verstummt. Vielleicht war es tatsächlich nur ein Gespenst der Nacht gewesen, das sie heimgesucht hatte, und nun war es vorbei. Anora atmete tief ein, dann ließ sie die Luft langsam wieder aus sich heraus. Ja, nun war es vorbei.

Wie sehr sie sich irrte.
 

Senegor

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Eine dicke Nebelwand umschloss die Karawane an diesem Tag. Es war grau und feucht und kalt. Ein wirklich furchtbares Wetter. Ebenso drückend wie der Nebel um sie herum war die Stimmung innerhalb der Reisegemeinschaft, in der er sich befand. Gelangweilt starrte Nori in die grauen Schwaden hinein und versuchte nicht auf das flaue Gefühl in seinem Magen zu achten. Er wusste nicht was ihn bedrückte, er hatte einfach nur das unangenehme Gefühl, das einen beschleicht, wenn man weiss, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist aber eben nicht weiss was. Die Nordleute hatten ihm für die Reise ein äußerst haariges und übelriechendes Packtier zur Verfügung gestellt. Durch die Feuchtigkeit im Nebel klebten die Haare dieses Zeitgenossen überall an der Kleidung des Zwergs. Leider trug ebenjene Feuchtigkeit auch nicht gerade dazu bei den Geruch des Tieres zu verbessern. All dies legte sich auf der Stimmung Noris nieder und mißmutig brummte er vor sich hin. Er hätte gerne mit einem der Anderen ein Gespräch begonnen aber diese hingen ihren eigenen Gedanken hinterher und schienen nicht an einer Unterhaltung interessiert zu sein. In letzter Zeit benahmen sie sich ohnehin abweisend und kühl und so zog Nori es vor besser nicht sein Glück herauszufordern und einem der Gefährten ein Gespräch auf die Nase zu drücken. Also versuchte er auf eine andere Weise die Langeweile und finsteren Gedanken zu vertreiben. Aus seinem Mantel zog der Zwerg eine Flöte hervor und begann zu spielen. Es war eine langsame Melodie aus seiner Heimat. Sie war keinesfalls traurig aber erweckte doch eine gewisse Wehmütigkeit zum Leben. Wie lange er nun von Zuhause fort war wusste er nicht genau, doch in ihm machte sich eine Sehnsucht nach dem vertrautem Heim und des Hertes Wärme breit. Aber sie brachte ihm auch eine Art Erleichterung, indem er all seine Sehnsucht in das Instrument fließen ließ machte er sich frei von den anderen Sorgen, die ihn gefangen hatten und er ging in einen Zustand über in dem er nicht mehr dachte, sondern sich einfach dem Fluss der Musik hingab. Als er geendet hatte, wurde er sich der Blicke der Reiter um ihn herum bewusst und so packte er das Instrument schnell zurück in seinen Mantel.
Den Rest des Tages verbachte Nori damit still auf seinem Reittier dahinzuschaukeln und sich erneut der Langeweile und der Stille um ihn herum zu ergeben. So zog die Karawane weiter, bis es schließlich Zeit wurde einen Lagerplatz für die Nacht zu errichten. In dieser Nacht spürte Nori die Wogen der Magie, die sie umgab, sehr deutlich. Dieses kahle, kalte Land war wahrhaftig nicht gewöhnlich. Er vermochte nicht mit seiner ihm selbst innewohnenden Kraft zu erforschen was sich hinter dem Nebel verbarg und weshalb die Magie der Erde hier so anders war als im restlichen Sin'Arcus. Hier werden noch sehr merkwürdige Dinge geschehen, dachte er und in diesem Bewusstsein dämmerte er in einen halbschlaf hinüber um am nächsten Morgen erneut ins Antlitz der wohlbekannten Nebelwand blicken zu dürfen.
 

Darghand

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~ Harmund ~

Nach Umbars' Entschluss war die Stimmung am Feuer getrübt gewesen. Skattjy würde, wie er gesagt hatte, auf Umbars' Anweisungen pissen, er sei nicht in die Wälder gegangen, um sich von grauhaarigen Männern befehlen zu lassen. Umbar hatte ihm daraufhin angedroht, Skattjys Leiche als Köder zu verwenden und kreuz und quer durch die Wälder zu schleifen.
Der Bleiche Lasse hatte sich mit einem kurzen "Pissen, richtig..." in Richtung Buschwerk verabschiedet und war den Abhang heruntergestapft. Harmunds Erinnerung an das, was danach geschah, war bruchstückhaft und zerrissen. Er wusste noch, dass Lasse geschrien hatte, ganz kurz nur, und dann kam er aus dem Buschwerk gesegelt, Becken und Beine zur Seite geknickt und blieb mit grotesk verdrehten Gliedern vorm Feuer liegen. Harmund hatte zu seinem Entsetzen festgestellt, dass Lasse die Hälfte seines Bauches fehlte, herausgerissen, die Wirbelsäule gebrochen und Blut und dunkelblaue Schlangen fielen aus ihm heraus. Dann war es da, ein brüllender, knurrender Berg aus braunem Pelz, der mit einem gewaltigen Satz aus dem Unterholz gebrochen kam, und bevor nur einer von ihnen reagieren konnte, war es über ihnen, war mit einem weiteren Satz auf dem armen Aarvo gelandet. Das Vieh biss zu, und hinterher fehlten Aarvos Kehle und der Unterkiefer.
Umbar hatte geschrien und war mit seiner gewaltigen Axt auf das Biest eingestürmt, sein Hieb hinterließ eine klaffende Wunde an der Schulter. Das Vieh schrie und brüllte noch lauter und Umbar wich den Prankenschlägen aus, bis es ihn an der Brust erwischte und er zu Boden ging. Gerade als das Tier zum Schlag ausholte, brüllte es erneut und Harmund sah, dass Tjove ihm seinen langen Spieß mit der Eisenspitze unter die rechte Pranke gestoßen hatte, und nun stand der Junge da, den Schaft mit beiden Händen umklammernd, und seine Hose verfärbte sich dunkel. Das Vieh ließ von Umbar ab, ließ den Schaft mit einem einzigen Hieb splittern und verpasste dem vor Angst starren Tjove einen Hieb, der ihn vom Nabel bis zum Hals aufriss.
Harmund wusste nicht, was ihn dazu bewegt hatte, doch nun endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, zückte auch er seine Axt, ging auf das Biest los und hieb wie von Sinnen auf Flanken und Hinterläufe ein und im gleichen Moment trat Skattjy aus dem Schatten der Hütten hervor. Er hielt seinen Hirschknochenbogen bereit und die widerhakenbesetzte Spitze eines geschwärzten Pfeiles glänzte feucht im Schein des Feuers. Die Pfeile surrten heran, giftige Insekten mit eisernem Stachel und fuhren dem Biest in Hals und Flanken. Auch Umbar war wieder auf den Beinen, schwang seine Axt wie ein Wahnsinniger und in diesem Moment entschloss sich das Tier zur Flucht. Es stürmte auf Skattjy zu und schlug den Schützen zur Seite noch während dieser einen neuen Pfeil hervorzog. Es verschwand mit einem großen Satz über die Felswand und einem dumpfen Platschen in den Fluten des Flusses.

Als Harmund wieder zu sich kam und der panische Überlebenswillen langsam wieder dem klaren Denken wich, bot sich ihm ein unwirkliches Bild. Aarvo, Tjove und Lasse lagen reglos, sie waren förmlich in Stücke gerissen worden. Von irgendwoher war Aarvos Falke gekommen. Der Vogel trippelte hilflos um die Leiche seines Herrn herum, immer wieder, endlos. Umbar saß schnaufend auf einem der Holzstümpfe, die besudelte Axt zu seinen Füßen, während das Blut seiner Wunden langsam in sein zerfetztes Lederhemd sickerte. Aus der Dunkelheit kam Skattjy gehinkt, er hielt sich die Seite, während sein linker Arm auf sehr unnatürliche Weise von der Schulter herabhing. Niemand sagte ein Wort.
"Unsere Wunden." stieß Umbar schließlich hervor. "Du musst unsere Wunden versorgen, Harmund."

Sie mussten Umbar seinen gesamten Vorrat an tammi tuli einflößen, zusammen fast vier volle Schläuche, ehe der Hüne betrunken genug war. Die Klauen hatten vier tiefe Wunden in Umbars Brust gerissen. Sie bluteten kaum noch nach, doch die Wundränder waren schartig und jeder von ihnen wusste, welche Gefahr eine dreckige und langsam verheilende Wunde bedeutete - besonders hier in der Wildnis, fern ab der Heilkünste eines Sehers.
"Nun mach endlich!" lallte Umbar. Er lag lang ausgestreckt mit entblößter Brust auf einem behelfsmäßigen Polster aus Tannenzweigen, alle viere von sich gestreckt und an Pflöcke gefesselt. Skattjy, dem Harmund zuvor die Schulter wieder eingerenkt hatte, stand mit einem Pfeil auf der Sehne Wache und starrte in die Dunkelheit.
"Beiß dir nicht die Zähne dran aus." sagte Harmund und klemmte Umbar einen daumendicken Ast zwischen die Kiefer. Dann griff mit der lederumwickelten Rechten in die Glut des Feuers und zog eine kirschrot glühende Dolchklinge heraus. Es zischte und stank nach verbrannten Haaren und versengtem Fleisch, als er den glühenden Stahl in die Wunden drückte. Umbar riss an seinen Fesseln und gab unmenschliche Laute von sich. Als die Klinge zu erkalten drohte, zog Harmund die nächste aus der Glut. Als er die dritte Wunde ausbrannte, wurde der Alte Wolf endlich ohnmächtig.
 

Alyndur

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~ Arnur ~


Es begann, zu schneien. Schwere, weiße Flocken schwebten in großer Zahl vom Himmel herab und tanzten mit dem Wind um die Gipfel der Kargen Berge. Es fröstelte Arnur, doch er wehrte den Drang ab, den Umhang um die frierenden Schultern zu engen. Wer wärst du, vor einem Schneegestöber das Haupt zu senken?, spottete er sich selbst, die Einsicht verschmähend, dass Spott allein ihn nicht wärmen konnte.
Es war nicht das erste Jahr, da es schon im Spätsommer in Tharacus zu schneien begann, wohl aber eine bemerkenswerte Seltenheit, die in den jährlichen Aufzeichnungen der Bibliothek von Graufels nicht allzu oft Erwähnung fanden. Ihren Beobachtungen nach war dieser seltenen Jahre mit einem Winter von solcher Unerbittlichkeit zu rechnen, wie er selbst für die Berge außergewöhnlich war. Man täte gut daran, die Vorratskammern der Feste bis zum Ersticken aufzufüllen. Vielleicht könnte sogar eine der Waffenkammern umfunktioniert werden, denn die Zeiten waren ohnehin unliebsam friedlich. Wenn der Winter erst einmal den Pass erobert hatte, war an eine verlässliche Versorgung der Feste von Fern nicht mehr zu denken. Arnur zählte sich wahrlich nicht zu den Furchtsamsten, doch er hatte viel Zeit über den alten Aufzeichnungen verbracht und übte sich in Offenheit für die Weisheit der alten Fürsten.
Der Pfad zwischen Felswand und Abgrund war so schmal, dass er gebot, abzusteigen und die Pferde hinter sich zu führen.

„Wollt Ihr Wurzeln ins Eis schlagen, Ihr Hunde?“, knurrte er den Nachzüglern entgegen. „Warum springt Ihr nicht einfach, anstatt auf die nächste Schneelawine zu warten, die Euch hinunter fegt? So ginge es schneller und Ihr erspartet mir, Euer Schicksal teilen zu müssen.“
Trotz der Gefahr, die er mit sich brachte oder vielleicht gerade deswegen blickte Arnur dem Kommen des Winters seit seiner Jugend mit wachsendem Wohlgefallen entgegen. Denn Kälte reinigte bekanntlich. Dekadenz und Schwäche stellte sie vor eine einfache Wahl: Flucht oder Tod. Auf ein Überleben konnten nur jene hoffen, die stark und ausdauernd genug waren, ihr Blut in Wallung zu halten und man musste willens sein, für das Dasein zu kämpfen. Wer diese Prüfung meisterte, der konnte sich des Wertes seines Lebens sicher sein. Wer an ihr zerbrach, wusste um die Gerechtigkeit seines Sterbens.
In der Höhe über ihm bestätigte ein unerschrockener Falke sein Weltverständnis. Der wilde Krieger der Lüfte lebte heute wie seit jeher vor dem unbestochenen Gericht der Natur. Arnur war bislang an jedem Winter, den er erlebt hatte, gewachsen, also wollte er auch diesen in seiner ganzen Härte willkommen heißen.
Nach einer Weile ereignislosen Marsches zeichnete sich endlich das Ende des Weges ab und gewährte einen Blick auf die Festung. Graufels wachte über den Südosthang der Berge von Tharacus und war auf dem stabilen Vorsprung eines großen Felsens erbaut worden. Bei klarem Wetter reichte der Ausblick bis zu den Wäldern Aurolans und zur Grenze des Reiches an den Anfang des Graudornwaldes. Obwohl sie nicht zu größten Burgen des Reiches zählte, ließ sich vortrefflich verteidigen. Den einzigen Zugang zur Felsinsel hatte eine schmale Zunge geboten, die über die Tiefe von gut tausend Metern geführt hatte. Nach dem Bau der Feste war sie durch kostspielige Maßnahmen gesprengt und durch eine vom Vorsprung aus steuerbare Zugbrücke ersetzt worden. Die alten Baumeister hatten mit den Augen eines Strategen gewirkt. Wenn der Herr der Feste es wünschte, konnte er sich und sein Gefolge der Welt über Monate, notfalls bis zum Hungertod, vorenthalten. Mochte es außerhalb noch so viele Herrscher und Heere geben, die die Welt unter sich aufteilten, solange sie des Fliegens nicht mächtig waren, würde ihnen keine Armee Zugang zur Felsburg verschaffen. Vier zinnenbedachte Türme erhoben sich von dort. Bei den äußeren drei handelte es sich um Wachtürme, die direkt mit dem Burgwall verbunden waren. Der dritte war eine Erweiterung des Bergfrieds und übertraf die anderen an Höhe und Macht - der Turm des Sehers. Von den Zinnen flatterten Banner, die einen roten Drachen von der Seite auf schwarzem Hintergrund zeigten. Eine Pranke war in drohender Gebärde angehoben, die furchtbaren Krallen in Aggression abgespreizt, während die Augen im kühn erhobenen Haupt einen unsichtbaren Feind mit ihrem Blick straften. Wie in jenen ersten Tagen, kam es Arnur in den Sinn. Er verfolgte die wehenden Banner und versank in jäher Rührung in die majestätische Anmut des Anblickes. So verharrte er für eine Weile und während sein Auge dieses stille Schauspiel genoss, gewahrte Arnur eine Spur schmerzlich vermisster, vergessener Zeiten.

„Halt! Wer da?!“ Eine Wache hatte ihre Ankunft bemerkt und bellte ihn aus seiner zarten Zuflucht. Die Wärme entfloh und, noch ehe die Erinnerung zerronnen war, bestimmte eine Ödnis aus Kälte und Erschöpfung die Welt seiner Gedanken.
„Hier der Herr dieses Ortes! Sein Begehr ist ein warmes Heim und, wo wir schon dabei sind, der ihm gebührende Respekt!“ Eine heulende Sturmböe erstickte das, was als zorniger Ausruf gewünscht war, zu einer halblauten Klage. Dennoch senkte sich die Zugbrücke herab und das Tor wurde geöffnet. Eine Demütigung vor seiner eigenen Feste verhalf dieser Katastrophe von einer Mission zu einem wahrlich gebührenden Abschluss. Mit erhobenem Haupt und gebeugtem Geist kehrte Fürst Adonor nach zwei Monaten vergeblichen Dienstes für seinen Orden wieder heim. Sogleich beeilte sich ein hagerer, silberlockiger Mann, seinen Herrn zu empfangen. Ritter Lathain war ein biederer Gefolgsmann. Er verwaltete die Feste traditionsgemäß in der Abwesenheit ihres Herrn und hatte schon etliche Jahre im Dienste seiner Familie gefristet – was man ihm durchaus anmerkte.
„Verzeiht, mein Fürst! Wir hatten dieser Tage wohl mit Eurer Rückkehr gerechnet. Einen Recken von Eurer Haltung und Gestalt auf hundert Schritt vor seiner eigenen Feste nicht zu erkennen, ist eine Vermessenheit, für die es keine Entschuldigung geben kann und darf! Wie wünscht Ihr, diesen Vorfall bestraft zu wissen?“ Dem schmächtigen Alten beliebte es, mit einem Vorschlag nach dem anderen seinen Teil zur Ermüdung seines Herrn zu leisten. „Stubenarrest? Minenschicht? Oder besser Spießrutenlauf? Oder vielleicht doch eher...“
„Eure Wahl, Lathain. Ich habe mich Wichtigerem zu widmen.“ Allem voran einer wohlverdienten Ruhe.
„Für wahr, Eure Reise… sagt, wie ist es Euch ergangen? Oh wäre sie doch glücklicher verlaufen! Ihr müsst nämlich wissen, dass…“
„Hört zu, Lathain, ich weiß besser als jeder andere, was der Verlust meiner Ehre bedeutet. Das Schicksal ließ mir aber keine Wahl, ob dieser sich zutragen sollte, sondern lediglich wie. Hätte ich auf meinen ursprünglichen Anweisungen beharrt, so hätte ich eigenmächtig den Bruderorden brüskiert und zudem noch das Leben meiner Männer aufs Spiel gesetzt. Die Alternative ließ mich von einem nutzlosen Relikt Abschied nehmen, dessen Wert ohnehin nicht über das symbolische Maß reichte. Hättet Ihr anders entschieden, Großvater? Der Orden wird meine Wahl begreifen oder er kann sich das nächste Mal selbst in Kahlar'tha anpöbeln lassen und am Rande der Wüste mit graubärtigen Stabmännern das Für und Wider eines spontanen Kleinkrieges erörtern. Nun lasst mich allein! Über den Stand der Dinge vor Ort werdet Ihr mir morgen Bericht erstatten.“ Er war gerade in Begriff, seniler Gefügsamkeit zu huldigen, als das Gestammel hinter ihm von Neuem erklang. Arnur besah seinen Statthalter mit einer Mischung aus Unglauben und Geringschätzung. „Und Ihr seid nicht der Ansicht, dass ich deutlich genug war?“
„San’Guis weiß, wie gern ich Euch schonte, mein Fürst!“, keuchte er hastig. „Einzig meine Pflicht will es anders! Hier ist jemand, der – “
„Sich trotz seiner Antike für eine Verbrüderung mit seinem vermessenen Wachmann beim Spießrutenlauf bewirbt!“, beendete Arnur gelassen. „Dankt Euren Jahren, dass sie Euch vor Schlimmerem bewahren als bloßem Hofkehren in der Morgenfrühe. Nun möchte ich Euch aber doch raten, gemächlich aufzubrechen, denn der Weg zur Besenkammer ist lang und beschwerlich für einen Mann Eurer Lenzen.“ Arnur wartete nicht, bis sich sein zitterndes Gegenüber in Bewegung setzte, sondern entledigte sich schon einmal seines Schwertes samt Gurt, das er mit nachdrücklichem Lärm auf den steinernen Boden knallen ließ. Selbst vor hundert Jahren hätte man sich einen Bettnässer wie Lathain schwerlich mit einer Waffe in der Hand im Dienst für den Gott des Blutes ausmalen können. Dass ihm dennoch ein solcher Aufstieg in den Reihen seiner Krieger geglückt war, deutete vielleicht doch auf eine kleine Schattenseite von Arnurs sonst so glorreichem Großonkel hin.
Arnur ließ sich aufs Bett niedersinken und rieb sich mit beiden Händen das müde Gesicht. Viele Wochen waren vergangen, seit er etwas so Weiches wie diese schlichte Schlafstätte unter sich gespürt hatte. Im Kamin knisterte bereits ein kleines Feuer, man hatte sich also in der Tat auf sein baldiges Eintreffen vorbereiten können. Arnur wusste nicht, ob ihm der Gedanke behagte, dass selbst ein Greis wie Lathain im Stande war, seine Bewegung so präzise einzuschätzen. Für den Moment wollte er sich bemühen, keine querdenkerischen Schlüsse aus banalen Gegebenheiten zu ziehen, einfach an gar nichts zu denken, im Daliegen zur Ruhe zur finden und vielleicht sogar zu Schlaf und Erholung. Nicht die gescheiterte Mission sollte ihn daran hindern noch ihre Folgen, noch der Tod seines Bruders.
Doch für eine ernsthafte Hoffnung auf einen Erfolg dieses Versuches, kannte er sich einfach zu gut. Sein Geist jagte noch immer den jüngsten Ereignissen nach. Am Liebsten wäre er direkt mit einer Streitmacht im Rücken nach Kahlar'tha zurückgekehrt, um die Stadt nach dem Leichnam seines Bruders zu durchkämmen, den man dort wohl auf irgendeinem Misthaufen verrotten ließ wie einen ehrlosen Gesetzesbrecher. Die Bewohner der Stadt, Männer wie Frauen, Arme wie Reiche, Alte wie Kinder, sollten ihren eigenen Unrat nach dem Körper seines Bruders durchwühlen, wo auch immer er sich befinden konnte, ihn von jedem Makel reinigen und anschließend mit ihrem Blut dafür bezahlen, dass sie es gewagt hatten, mit ihren schmutzigen Händen einen Adonor zu berühren. Dann, und nur dann konnte seine Seele vielleicht auf Frieden hoffen. Doch obschon ihn der Gedanke rasend machte, ahnte Arnur bereits, dass die Totenruhe seines Bruders bald nur noch eine seiner geringeren Sorgen darstellen würde. Und schließlich brachte ihm seine Machtlosigkeit gegenüber dieser unheilvollen Aussicht den unverhofften, bitter benötigten Schlaf.
 

Darghand

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Als Freja sich an diesem Abend in ihre Felle wickelte, fühlte sie sich angenehm erschöpft. Die Reise war so mühselig wie erwartet, anstrengender sogar noch als der vorangegangene Marsch, denn sie führten mehr Gepäck mit sich. Und so trübselig und öde die Ebenen auch sein mochten – sie brachten jeden Tag etliche Längen hinter sich ohne dass es zu nennenswerten Zwischenfällen gekommen war.
Aber sie merkte, dass jeder die seltsamen Einflüsse dieses verlassenen Ortes spürte. Fast jeder der Karawanenbegleitern berichtete dann und wann von Sinnestäuschungen, von Geräuschen, die niemand sonst hörte, von verschwommenen Gesichtern im Nebel und eigenartigen Träumen, wie sie Fieberkranke oft haben. Tofleif der Kräuterkundige wirkte noch weitaus schlechter gelaunt als er ohnehin meist war, denn die Nachfrage nach seinen sinnesberuhigenden Heilkräutern war enorm. Freja selbst fühlte sich alt, entsetzlich alt. Ihr Körper schien ihr verbraucht, ihre Arme kraftlos. Sie schmeckte kaum etwas. Durch den stets dicken Nebel hatte sie den Eindruck, sich niemals fort zu bewegen und stets nur auf der Stelle zu laufen.
'Diese Ebenen sind gar kein Ort. Von einem Ort kann man fortlaufen. Hier kann man das nicht. Es ist ein Un-Ort.' war es ihr während des ermüdenden Ritts im Sattel durch den Kopf gespukt. Eine tiefe Sehnsucht war in ihr aufgetaucht, nach etwas, was die Sinne erfüllte, zum Anschauen, Riechen und Schmecken. Hier war nichts. Gar nichts.
Freja wickelte die Felle enger um sich herum und schloss die Augen. Der Geruch von Feuer wehte herüber, ein paar Gesprächsfetzen, das Knacken von Holz. Bald fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

"Freja."
Die Stimme hatte ihren Namen so leise geflüstert, dass sich Freja nicht sicher war, ob ihr schläfriger Geist ihr nicht einen Streich spielte, oder ob es nicht die Ebenen selbst waren, die in ihr herumspukten. Noch ehe sie die Augen öffnen konnte, wiederholte die Stimme den Weckruf, diesmal eindringlicher.
"Freja! Schläfst du schon?"
Freja rollte sich murmelnd in ihrem Felllager herum und blinzelte. Im schwachen, vom Nebel fast verschluckten Mondlicht sah sie eine hünenhafte Gestalt neben sich knien.
"Thorreid?" fragte sie verwundert und gähnte.
"Pscht!" machte der Krieger und hob den Zeigefinger zu den Lippen.
"Willst du das ganze Lager aufwecken?" flüsterte er und sah sich verstohlen um. Unter dem rechten Arm hielt er ein großes Bündel.
"Was soll denn diese Heimlichkeit? Warum weckst du mich, Thorreid?" zischte Freja zurück.
Thorreid gab keine Antwort. Er presste die Lippen zusammen, sah zu dem Bündel in seinem Arm und rang sichtlich um Worte. Eine Stimme in ihrem Kopf mahnte Freja zur Vorsicht und verscheuchte schnell die nächtliche Müdigkeit.
"Ist etwas passiert? Ist jemand verschwunden?" fragte sie.
"Nein nein nein." beschwichtigte sie Thorreid und hob abwehrend die Hände. "Äh. Nun, es... es ist... ich dachte, vielleicht willst... möchtest. Also, ich..."
'Bei meinen Ahnen. Er will mich fragen, ob ich mit ihm das Lager teilen möchte.' schoss es Freja durch den Kopf. Fast hätte sie laut gelacht, wenn es nicht so süß gewesen wäre.
'Diesem Mann werden Kinder mit Frauen aus fünf Stämmen nachgesagt, und bei mir benimmt er sich wie ein Frischling von fünfzehn Jahren'. Der Gedanke ließ sie innerlich lächeln.
Statt weiter darauf zu warten, dass Thorreid endlich die passenden Worte fände, streckte sie ihm ihre Hand entgegen. Sie verschwand fast in Thorreids riesiger Pranke. Auch wenn Freja in der Dunkelheit nichts erkennen konnte, wusste sie, dass er in diesem Moment ein fragendes Gesicht machte. Sie ließ sich von ihm auf die Beine helfen.
"Möchtest du mit mir die Felle teilen, Freja?" fragte Thorreid direkt heraus, als sie im Unterkleid vor ihm stand.
'Oh ihr guten Geister, es stimmt wirklich.' In ihrem Bauch prickelte es als würde sie über einen Abgrund balancieren. Freja zog Thorreid an seinem Hemd zu sich herunter, nahm sein bärtiges Gesicht in beide Hände und suchte seinen Blick.
"Thorreid vom Stamm des Mammuts" flüsterte sie dann mit aller Bestimmtheit, die sie aufbringen konnte. "Du hast dir lange Zeit gelassen! Vor mehr als fünfundzwanzig Wintern hätte ich diese Frage erwartet, und du stellst sie erst heute, an dem unwirtlichsten Ort, den man sich nur vorstellen kann."
"Also... also willst du nicht?" fragte Thorreid und klang sehr entmutigt.
"Natürlich will ich, du Holzkopf!" zischte sie.
Unter ihren Handflächen bewegten sich Thorreids Barthaare und kratzten sanft an ihrer Haut.
'Er lächelt.' Freja jauchzte leise auf, als Thorreid sie scheinbar mühelos auf seinen Rücken lud und sie leise aus dem Lager entführte. Gemeinsam verschwanden sie in den wabernden Nebelschwaden.
 

Anora

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Im Laufe des nächsten Tages musste Anora sich eingestehen, dass sie sich getäuscht hatte. Die Sonnenstrahlen, die sie für ihre Erlösung gehalten hatte, hatten sich noch nicht gänzlich über die Ebenen erstreckt, da kamen die Stimmen zurück. Anfangs nicht mehr als ein vereinzeltes Flüstern, meldeten sie sich mit der Zeit immer häufiger und lauter zu Wort.
Als sie sich dessen bewusst wurde, hatte die Elfe ihrer Stute die Fersen in die Flanken gedrückt und sie etwas abseits von der Gruppe in einen scharfen Galopp getrieben. Verbissen hatte sie Aerlynn vorwärts gejagt, bis das Pferd am ganzen Körper schweißnass war und heftig schnaufte. Erst dann hatte sie das Tier durchparieren lassen. Es hatte keinen Sinn. Hiervor konnte sie nicht fliehen. Sie konnte sich weder verstecken noch dagegen kämpfen. Es gab rei gar nichts, was sie dagegen hätte tun können.
Entmutigt war sie zur Karawane zurückgekehrt und hatte sich wieder bei den Ihren eingereiht, ohne einem von ihnen jedoch zu nahe zu kommen. Alles, was sie jetzt nicht noch zusätzlich gebrauchen konnte, war, dass einer von ihnen mitbekam, wie nahe sie dem Wahnsinn war. Oder war es bereits zu spät?
Irgendwann hatte sie sich damit abgefunden, dass die Stimmen von nun an ihre ständigen Begleiter sein würden. Meistens konnte sie die Worte nicht verstehen, doch ab und an stach eines heraus, und jedes einzelne war ein Messerstich in ihre Seele. Zu Beginn war sie jedes mal leicht zusammengezuckt, wenn das passierte, doch nach einiger Zeit war sie abgestumpft. Ihr Körper forderte langsam Tribut für die Strapazen der letzten, schlaflosen Nacht, und so kam es, dass ihre Augen irgendwann nicht mehr wahrnahmen, was vor ihr lag, ihre Ohren nicht mehr hörten, was um sie herum gesprochen wurde, und ihre Hände auf dem Sattel zur Ruhe kamen, unfähig, das Gewicht der Zügel weiterhin zu tragen. Ihr Kopf wurde schwer, und schließlich sank ihr Kinn auf ihre Brust.

‚Du hast mich getötet!’
„WO BIST DU?“
In allerletzter Sekunde schaffte Anora es, sich am Sattel festzuklammern, sonst wäre sie gestürzt. Mit weit aufgerissenen Augen und schnell klopfenden Herzen sah sie sich hektisch um, doch als sie erkannte, dass sie sich noch immer in Begleitung ihrer Gefährten, also in Sicherheit, befand, und sie von allen Seiten ob ihres Schreies fragende Blicke erntete, färbten sich ihre Wangen rot vor Scham.
„Muss wohl… eingeschlafen sein…“, murmelte sie verlegen, dann schaute sie, dass sie davon kam.
Doch so verlockend der Gedanke auch sein mochte, so bitter war die Gewissheit, dass sie nicht geträumt hatte. Es war das erste Mal gewesen, dass sie die Stimme erkannte, die zu ihr sprach, und diese Erkenntnis trug nicht gerade zu ihrer Erleichterung bei.
Aber wie konnte das sein, wieso jetzt, nach all den Jahren?

‚Du hast deinen eigenen Vater getötet!’
Jetzt war die Stimme die eines anderen, doch auch diese kannte sie nur zu gut.
Anora hätte alles dafür gegeben, jetzt alleine zu sein, denn noch nie war ihr so nach Schreien zumute gewesen wie in diesem Moment. So gerne hätte sie sich die Hände auf die Ohren gepresst, auch wenn sie wusste, dass das nicht helfen würde, und sich die Seele aus dem Leib geschrieen. Doch sie konnte, dufte es nicht, nicht hier, im Beisein ihrer Gefährten und der Nordmannen.
Verzweifelt krampfte sie ihre Finger um die Zügel, so fest es nur ging, um dadurch ihre Beherrschung wiederzuerlangen. Doch es war vergebens.

‚Du bist ein Monster!’
Eine dritte, wohl vertraute Stimme, diesmal die einer Frau.
Nun war Anora den Tränen nahe.
Nicht auch noch sie!
Ein entferntes Lachen hallte in ihrem Kopf wider. Es war ein irres, selbstzufriedenes Lachen, und auch wenn es zu leise war, als dass sie es mit Bestimmtheit hätte sagen können, so wusste sie doch, dass es wieder die erste Stimme war, die sich über sie lustig machte.
Sie merkte, wie sich auf ihrem gesamten Körper eine Gänsehaut bildete.
Es war die Stimme ihres Vaters.
 

Nebressyl

Knuddeliger Incubus
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Tage waren vergangen seit dem der Zwerg zu der Karawane der Nordmänner gestossen. Tage, seit der Begegnung mit den Rittern des Roten Drachen. Doch trotz des glücklichen Ausgangs durch einer vorersten Klärung ohne Waffengewalt senkte sich die Stimmung der Gefährten immer weiter in Richtung des Nullpunktes. Die Ebenen mit ihrer bedrückenden Aura, dem nie enden wollenden Nebel und einer nahezu unendlichen Weite der totalen Leere taten ihre Wirkung auf jeden einzelnen. Kein Lebewesen weit und breit zu sehen, keine Vögel zu hören. Nicht mal Insekten und kleines Getier in der kargen Erde zu erkennen. Ein Land ohne eines Anzeichen von Lebens. Die Stimmung aller war bedrückt. Die Ebenen mit ihrer Leere taten ihr übriges. Es wurden nicht mehr Worte gewechselt als nötig. Auch während der Pausen und den Nachtlagern herrschte gedämpfte Stimmung und Stille zwischen den Anwesenden. Keinem war wirklich zu reden zu Mute. Auch die Nordleute waren still. Selten hörte man gedämpfte Stimmen aus ihren Reihen. Bedächtig und argwöhnisch wurden wenige Worte gewechselt. Jeder Aussenstehende hätte gedacht, dass Misstrauen und Skepsis unter allen vorherrschte. Vertrauen und Akzeptanz schienen verschwunden und zu Gunsten aller negativen Gedanken gewischen zu sein.

Rhaynin fühlte sich seit dem Treffen auf die Ritter immer einsamer. Sie schien zusehends auf sich allein gestellt zu sein.Der Dunkle zog sich immer weiter in sich zurück. Er sprach kaum ein Wort, wirkte nachdenklich und zurückgezogener denn je. Sie wusste, dass er nicht zum ersten Mal diese unwirtlichen Landen durchreiste. Was sie nicht wusste, waren die Qualen, die sein Geist jedes Mal erfahren hatte. Seit Tagen sprachen die Stimmen wieder zu ihm und liesen seinen Geist an den Abgrund seines Verstandes bringen. Stimmen ehemaliger Auftraggeber seiner düsternen Vergangenheit. Stimmen der vielen Opfer, deren Seelen er zu ewiger Verdammnis gezwungen hat. Letztendlich sprachen auch die Stimmen all derer zu ihm, deren ewigandauernden Zorn er durch seine Erlösung und Läuterung auf sich gezogen hat. Immer wieder sprachen sie auf ihn ein - alle durcheinander. Wenig war wirklich verständlich für ihn. Aber wollte er überhaupt auch nur ein Wort verstehen? Wusste er doch nur zu gut, was sie sagten. Welchen Hohn, welche Verdammungen und Flüche sie auf ihn warfen. Immer wieder hatte er trotz seiner vielen Jahre an Erfahrungen mit seinem Verstand zu kämpfen um bei Sinnen zu bleiben und nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen.

Langsam trottete die Karawane weiter ihrer Wege. Schon seit geraumer Zeit war dem Nachtelben in seinem eigenen Kampf aufgefallen wie ihre 'Anführerin' kämpfte. Auch sie schien gequält zu werden. Doch forderte der Wahnsinn bei ihr einen höheren Tribut. Oder lag es daran, dass er schon seit Jahren von den Erinnerungen an vergangenes Übel begleitet und mal mehr, mal weniger heimgesucht wurde? Er kannte diese Stimmen. Waren sie seit seiner Erlösung durch Eledhwen deutlich ruhiger geworden. So waren sie dennoch bei ihm seine stetigen Begleiter am Tag und in der Nacht. Er setzte Nimrodel langsam neber ihre Stute. Der Kampf schien heftig in Anora zu toben. Die anderen Gefährten schienen nichts dergleichen zu erfahren. Lag es an ihrer Abstammung als Elfen und die damit verbundene stärkere Wahrnehmung ihrer Sinne? Er wusste es nicht. Ihm war nur klar, dass er auf sie aufpassen musste. Sonst fürchtete er um den Verstand der Elfe. Und seine innere Stimme sagte ihm, dass die Gemeinschaft sie brauchte. Jeden einzelnen von ihnen. Und sie war eine Elfe - ein Kind Eledhwens. Wie auch immer, er musste ihr helfen. Sie mussten ihr helfen!
 

Alyndur

Zwielichtiger
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Am frühen Abend pochte es an der Tür. Es war, als hätte er gerade erst die Augen geschlossen, doch sein leerer Magen und die trockene Kehle wussten es besser. Auch das Kaminfeuer war inzwischen ausgebrannt und der Raum war deutlich kälter als am Vortag. Am Vortag? Hatte er wirklich den ganzen Tag durchgeschlafen? So mochte es sein, denn dasselbe fade Abendlicht fiel durch die Fenster des Raumes. Die Tunika klebte an seiner Brust und stank noch immer nach dem Staub und dem Schweiß der Straße, doch Arnur fühlte sich so frisch und erholt wie sehr lange nicht mehr.
Er richtete sich auf und streckte seine Glieder mit neuer Stärke. Von der Erschöpfung des Vorabends und ihren düsteren Begleiterscheinungen fehlte jede Spur. Auch sein Denken war nun wieder klar und weniger von Emotionen geleitet. Der neue Tag konnte beginnen - wenngleich er auch fast schon wieder verstrichen war.
„ZWEI TAGE!“, krisch es durch die Tür. Die Steinwände trugen nahezu jeden Laut weiter. „Ich mache das nicht länger mit! ZWEI TAGE SAGE ICH!!“
„Und ich sage Euch gerne noch einmal“, entgegnete eine sarkastische Stimme, die nur Jurrick gehören konnte. „Dass mein Fürst ernstere Sorgen hat als Eure –“
„Als die Verantwortung für seine Ländereien zu tragen? Seinen Pflichten als Statthalter des Reiches zu genügen?!“, das schrille Stimmchen schimpfte sich in Rage. „Überfallen wurde ich – und das auf offener Straße! Überfallen in einer Provinz Eures selbstgefälligen Ordens! Überfallen sage ich!!“
„Wisst Ihr, es ist wirklich einerlei, was Ihr sagt oder denkt, solange… halt! Ihr könnt nicht einfach…“
„Was gibt’s?“, knirschte Arnur, gelassener als beabsichtigt, und näherte sich der Quelle des Lärmes. Die Tür öffnete sich und hinein grinste Jurrick mit einem kurzen prüfenden Blick hinter sich.
„Einen wütenden Händler, Euer Gnaden! Er behauptet, er ersuche schon seit Tagen um Empfang von Euch und versichert mir, er sähe lieber dem Tod ins Antlitz, als sich noch einmal abweisen zu lassen.“
In Arnur regte sich das feine Verlangen, den Vorsatz des Händlers auf die Probe zu stellen, doch eine gewisse Zunft gebot es anders.

„Er sagt, er sei überfallen worden. Wenn Ihr mich fragt…“
„Darauf wäre ich als letztes gekommen! Hielt Lathain es nicht für nötig, mich davon in Kenntnis zu setzen?“
Jurrick hob ratlos die Schultern und antwortete in gespielter Verlegenheit.
„Nun, als ich ihn zuletzt antraf, zog er es vor, den Burghof zu kehren.“
„Tat er das?“ Arnur rieb sich nachdenklich das Kinn. „Was dem alten Kauz nicht alles einfällt, wenn er ein paar Wochen auf sich allein gestellt ist. Wie dem auch sei, führt mir den verstimmten Gast vor!“
Jurrick stemmte die massive Tür auf und wies einem kleinen, abgewrackten Mann den Eintritt, dessen Gesicht aufs Äußerste gerötet war. Ohne auf eine weitere Einladung von Arnurs Seite zu warten, stapfte er bis auf ein paar Schritt Entfernung vor ihn hin und mühte sich vergebens, seiner unscheinbaren Größe Ausdruck zu verleihen.

„Mein Name ist Seinon Tarl! Und ich kann Euch sagen…“
Jurricks Blick verfinsterte sich schlagartig.
„Hat man Euch auch der guten Erziehung beraubt?“
Der Händler sah den Ritter erst verdutzt an, als gelte es, ihn von seiner eigenen Blödheit zu überzeugen, bemerkte dann aber seinen Fehler selbst und senkte das hässliche Haupt in falscher Reumut in Arnurs Richtung. Köterblondes Haar, ein ausladender Dreitagebart, eine zerknirschte Stirn, krumme Nase und hoffnungslos zerlumpte Kleidung. Der Geruch tat sein Übriges. Die Verwahrlosung war sein Glück, denn so belustigte sein Auftreten eher, als dass es einen in Empörung versetzte.

„Sprecht!“, befahl Arnur und kämpfte mit einer Hand am Kinn gegen ein aufkommendes Grinsen.

Nachdem Seinon Tarl einige Fischerdörfer an der Küste östlich von Idanthur mit Handwerkszeug aus den Städten beliefert hatte, sollte ihn sein Weg nach Kahlar’tha führen. Das Geschäft in den Dörfern lief jedoch schlechter als erwartet und er verlor viel Zeit mit falscher Spekulation und dem unsinnigem Aufenthalt. So viel Zeit, dass es kaum mehr in Frage kam, auf den breiten Hauptstraßen über Idanthur und Gwenahm zu reisen, als vielmehr, den direkten Weg nach Kahlar’tha zu wählen. Dieser Weg war eine alte, kaum mehr benutzte Waldstraße, die an der Grenze des Nebelmoors verlief. Von dort aus seien Räuber über seinen Wagen hergefallen. Tarl hätte lediglich sein blankes Leben retten können, während die Räuber seine Knechte abschlachteten und über die Beute herfielen.

Arnur nickte verständnisvoll.
„Ich sollte Euch dafür um Vergebung bitten, wie man Euch hier nach diesen furchtbaren Strapazen behandelt hat.“ Das Gesicht des kleinen Mannes hellte sich auf. „Erlaubt jedoch, dass ich es nicht tue. Ich weiß, worauf Ihr hinaus wollt. Das Nebelmoor ist seit vielen Dekaden eine Provinz meines Ordens, seit er es von aufsässigen Elfenstämmen eroberte. Ihr trachtet nach einer Entschädigung dafür, dass Euch derartiges auf unserem Territorium widerfahren konnte, doch ich verschwende keinen Gedanken daran, Euch für Eure eigene Dummheit zu entschädigen. Ein reisender Händler weiß um die Gefahren einer unbewachten Straße, so er sein Handwerk wert ist. So, wie ich den Fall sehe, zählt Ihr zu jenen Profitsüchtigen, die mit Freude alles auf eine Karte setzen, wenn ihnen nur ein entsprechender Gewinn winkt. Vermutlich würdet Ihr auf die Kadaver Eurer toten Knechte spucken, wenn ich Euch mit einer Summe entschädigte, die Eure finanziellen Verluste überstiege. Nun, Ihr habt alles auf eine Karte gesetzt und Ihr habt alles verloren. Das ist mein letztes Wort zu dieser Angelegenheit.“
Keine Reaktion von Seiten des Händlers, egal wie impulsiv, hätte ihn unvorbereitet gefunden. Doch dessen Körperhaltung entspannte sich. Die Falten waren aus der Stirn des kleinen Mannes gewichen und um seinen Mund spielte ein überlegenes Lächeln.
„Der Fall ist leider doch ein wenig anders gestrickt, als Ihr annahmt, mein Fürst Adonor. Jene Straße, auf der man mich überfiel, gilt seit jeher trotz ihrer Vernachlässigung durch andere Wege als intakt. Ein Gesetz der edlen Lady Lysanei besagt, dass solche Straßen von den Landesherren angemessen zu befestigen und zu bewachen sind. Auf den Grenzweg am Nebelmoor traf weder das eine noch das andere zu – und dessen Landesherr seid Ihr.“
Das Amüsement dieses Auftritts war restlos dahin. Nun war es an Arnur, sein Gesicht zu röten und die Hände zu Fäusten zu ballen. Langsam, mit erzwungener Ruhe presste er seinen Zorn in Worte.

„Der Grüne Drache mag sich in die Spielregeln eines Weibs fügen, das seinen Weg zum Throne weniger mit dem Schwert in der Hand, als vielmehr mit dem...“ Er musste tief durchatmen, damit die blinde Wut in ihm nicht Überhand nahm. „... als vielmehr durch das Bett beschritt. Der Rote Drache jedoch hält einer alten Tugend die Treue. Einer Tugend, die besagt, dass Recht nicht mit Geld gesprochen wird, sondern mit Blut und Eisen! Meine Ritter werden Eure Gesetzlosen aufspüren und zur Rechenschaft ziehen, wie es der alte Kodex gebietet. Was Eure Entschädigung anbelangt: Kriecht von mir aus - so abgerissen, wie Ihr seid - nach Arxana und wimmert zu den Füßen Eurer ach so edlen Lady um Almosen, doch vom Schatz meiner Feste wird nicht eine Kupfermünze in Eure vermessene Tasche wandern!“ Seine Worte hallten wie ein Donner von den steinernen Wänden wider. Auch seine Stimme hatte über den verschlafenen Tag zu ihrer Kraft zurückgefunden.
„Eben das gedenke ich zu tun - doch nicht nur, um für Almosen zu betteln!“ Seinon Tarl wandte sich prompt um und verließ bestimmten Schrittes den Raum.
Arnur atmete mit einem tiefen Seufzer aus.
„So weit ist es schon gekommen“, erklärte er Jurrick finster. „In der Feste meiner Ahnen muss ich kleinhändlerische Drohungen über mich ergehen lassen undzwar nur, weil der Orden des Lichts... ach, vergesst es! Stellt einen Suchtrupp zusammen. Forstet die besagte Gegend durch und säubert sie von Banden, verdächtigen Landstreichern und Wegelagerern. Am besten auch das Nebelmoor. Suyne soll einen zweiten Trupp anführen, so könnt Ihr beweglicher gegen das Gebiet vorgehen. Nach dem Zwischenfall mit dem Zwergenartefakt darf ich mir vor dem Orden so bald nicht noch ein Versagen erlauben.“
Er kannte niemanden, der es besser verstand, eine höfische Verbeugung mit einem schelmischen Grinsen zu kombieren als Jurrick.
„Ich weiß Eure Großzügigkeit zu schätzen, mein Fürst!“
Das rang auch Arnur ein diebisches Grinsen ab.
„Treibt es aber nicht zu weit mit ihr! Suyne ist nicht gerade für ihre Empfänglichkeit für Galanterie berüchtigt und Ihr könntet noch auf ihre Unterstützung angewiesen sein.“
Sie lachten gemeinsam und Jurrick tat, wie ihm geheißen. Er war guter Mann. Mal adäquat, dann zügellos und stets eigensinnig von Wort, doch pflichtbewusst und zuverlässig in der Tat. Der blonde Krieger in seinen späten Zwanzigern war nur ein paar Jahre jünger als Arnur. Er kannte ihn schon seit der frühen Zeit seiner Ausbildung, als er selbst noch nicht einmal den Ritterschlag empfangen hatte. Als Arnurs Vater später bei einem Jagdunglück ums Leben kam und seinem Sohn Macht und Titel vermachte, war auch Jurrick gerade in den Rang eines Ritters erhoben worden, sodass man ihn als Günstling des fürstlichen Vertrauens in die Garde von Graufels rekrutieren konnte. Seit dem hatte ihn sein Waffengefährte aus Jugendtagen nie in irgendeiner Hinsicht enttäuscht. Fürst Adonor sah aus dem Fenster und beobachtete das Geschehen im Burghof.

„Und, wenn Ihr Lathain seht“, rief er Jurrick nach. „Sagt ihm, es böte sich an, zunächst mehrere kleine Häufchen zusammenzukehren statt einen großen. So schiebt man den Dreck nicht ständig über den ganzen Hof und er lässt sich nachher noch immer mit einer Schaufel zu einem einzigen Haufen zusammentragen.“
„Da Ihr erneut von Lathain sprecht“, wusste sich Jurrick zu erinnern. „Verzeiht mir, doch er bat mich, Euch noch von einer anderen Angelegenheit zu unterrichten.“
 
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Anora

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Wie viele Tage mochten wohl schon vergangen sein, seit sie die Grenze zu den Ebenen des Schweigens passiert hatten? Anora vermochte es nicht zu sagen. Hier war ein Tag wie der andere. Und während die Reisegemeinschaft immer weiter durch diese triste und lebensfeindliche Landschaft zog und die Gespräche zwischen den Gefährten sowie zwischen den Nordleuten mehr und mehr zum Verstummen kamen, waren es immer häufiger die Stimmen in ihrem Kopf, denen die Elfe ihr Gehör schenkte – Und nicht selten ertappte sie sich dabei, wie sie begann, ihnen zu antworten.
Einmal riss sie das Klappern von Pferdehufen direkt neben ihr aus ihren Gedanken. Es war der Nachtelf, Aûna’yir, der sich zu ihr gesellt hatte. Er blickte nicht zu ihr, sondern sah stur gerade aus. Doch seine Stirn war in Falten gelegt. Er wirkte besorgt. Anora unternahm keinen Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen. Sie hatte kein Interesse daran, und sie glaubte auch nicht, dass es bei Aûna’yir anders war. So ritten sie eine Weile schweigend nebeneinander her, bis sie glaubte, es wäre genug Zeit vergangen, um nicht mehr unhöflich zu erscheinen. Möglichst unauffällig nahm sie ihre Stute an den Zügel und ließ sich zurückfallen. Sie bevorzugte es, alleine zu sein – So allein, wie es in Gesellschaft einer Handelskarawane und ihrer Gefährten eben möglich war.

‚Er hat es bemerkt.’
‚Das weiß ich selbst!’
‚Er wird so schnell nicht locker lassen. Du weißt, wie dickköpfig er ist.’
Echil Helegnen. Er war ihr Halbbruder väterlicherseits, ein talentierter Magier und Forscher. Unter der Herrschaft der Ritter hätte er es mit seinen Erfindungen weit bringen können, doch seine elfische Abstammung stand ihm hierbei im Weg. Häufig war es seine Stimme, die unter dem Wirrwarr an Gemurmel in ihrem Kopf heraus stach.
‚Was willst du überhaupt noch mit ihm… Mit ihnen allen?’
‚Sie sind meine Gefährten.’
Echil kicherte boshaft.
‚Deine Gefährten… Wie lange willst du noch so weiter machen und dir ständig selbst etwas vormachen? Anora… Du bist meine Schwester… Verzeihung, Halbschwester! Doch im Grunde glaubst du, du wärst etwas Besseres. Du verachtest mich. Du hasst mich für das, was ich bin, für das, was ich tue, aber schau dich doch einmal selbst an. Wie viele Leben hast DU zerstört, wie viele sind durch DEINE Hand ausgelöscht worden? Und wofür? Für Gold, Edelsteine, Schätze? Pah. Du tust nichts für andere, nicht ohne eine entsprechende Entlohnung. All dein Handeln gilt nur dir selbst. Und ist es nicht genau das, was du mir vorwirfst? Nur dass es bei mir nicht das Gold ist, das mich antreibt, sondern das Wissen? Und dennoch glaubst du, du wärst etwas BESSERES?’
‚Halt dein Maul!’
‚Du weißt genauso gut wie ich, dass es wahr ist. Du kannst es nicht leugnen. Wann hast du jemals etwas nicht für dich selbst getan, hm? Sag es mir!’
‚Ich…’
‚Siehst du, es ist wahr! Du hast gelogen, geraubt, gemordet… Die Bandbreite reicht noch viel weiter. Du hast deinen Glauben verraten, deine Familie verlassen, deinen Vater ermordet… Und nun willst du dir selbst einreden, diese Gestalten, die du anzuziehen scheinst wie das Licht die Motten seien deine Gefährten, deine teuren Freunde, die dir mehr bedeuten als ein Haufen Dreck? Hör doch endlich auf dir etwas vorzumachen! Du benutzt sie, so wie du alle benutzt. Völlig gleichgültig nimmst du in Kauf, dass sie blindlings in den Tod laufen, solange es nur deiner Sache dient. Wahrlich, wir sind uns ähnlicher als du wahrhaben willst, meine geliebte Schwester. In uns fließt das gleiche Blut, und im Grunde deiner Seele bist du so wie ich… Wie er…’
„NEIN!“
Der zornige Aufschrei kam so unvermittelt, dass Aerlynn erschrocken den Kopf hochriss.
Aber wenigstens schien er auch die Stimme verschreckt zu haben. Anora lauschte noch eine Weile misstrauisch in sich hinein, aber da war nur Stille… Und ein weit entferntes Flüstern.
Erleichtert seufzte die Elfe leise. Vielleicht würde sie nun wenigstens für kurze Zeit ihre Ruhe haben. Ein wenig Stille war alles, um das sie bat.
 

Morgan

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Lange folgten Maron und Bisu schweigend der Karavane. Es gab kaum etwas zu sehen oder zu erklären und so hing ein jeder seinen eigenen Gedanken nach.
Maron, selbst ein Halbelf spürte die Tentakel der Düsternis, welche sich wie Spinnweben die sich in den Haaren verfingen, über Gemüt und Wahrnehmung legten.
Aus diesem Grunde trug er nun durchgehend die Tyrhimianische Rüstung, welche durch ihren uralten Zauber Schatten und dunkler Magie wiederstand.
Der goldene Zauber, der die Rüstung frei von Rost hielt war stark und trotzdem wirkte das Geflecht der Metallringe stumpf und matt.
Voller Sorge beobachtete der Reiter die Stimmungen in der Gruppe. Nur sein dunkles Drachenross fühlte sich zwar gelangweilt, jedoch pudelwohl.
Wärend er so daherritt, zeigte er dem jungen Bisu, wie man aus Leder, dünnen Silberfäden und Kräutern ein Stirnband flocht, welches gegen dunkle Gedanken zumindest einen groben Schutz vermitteln konnte.

Wenn doch nur diese Dunkelheit in den Seelen der Reisenden sich erhellen ließe..... es ist an der Zeit den alten Raben um Rat zu befragen, denn dieser kannte die Strömungen und Stimmungen seiner Umwelt weitaus besser.
 
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