Topic für Kurzgeschichten

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Kleine Fingerübung, um meinen Schwur jeden Tag zumindest einen vollständigen Text zu schreiben gerecht zu werdeb. Man darf ruhig frohlocken, der folgende Text ist nicht im überstilisierten Warhammeruniversum angesiedelt sondern komplett auf meinen Mist gewachsen ist. Es sei gesagt, dass ich zur Zei wohl gerade eine Science-Fiction Dimmel habe und kurioserweise auch wesentlich Besseres in dieser Sparte zu produzieren scheine. Suspekt wenn man bedenkt, dass ich mich eher zum Fantasysektor zähle. Da ich aus dem Bauch heraus schreibe, weiß ich bis zum Schluss des Postes selber nicht was das wird, also ob ich es eher satirisch oder düster halten werde. Als Fan des Cyberpunkgenres(Blade Runner lebe hoch) und kerniger Typen in langen Mäntel, kann ich aber wohl sagen, dass es sich in dieser Sparte wohl ansiedeln wird.

Wie immer viel Spaß beim lesen:).

Euer Zelon:) .

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In weiter Ferne singt eine Polizeisirene von einer lang befristeten Haftstrafe, der Himmel ist stark bewölkt und aus den überall angebrachten Lautsprechern, spricht eine geschlechtsneutrale Computer in nur zu bekannten Worten zum Volk. Die Einwohner werden gebeten sich entweder nach Hause zu begeben und in ihren Häusern oder sonstigen Gebäuden zu bleiben, da es wahrscheinlich regnen würde und dieser einen Toxingehalt von 24% enthalten würde. Gegen Zuwiderhandlung dieses Befehls würde man mit harter Hand vorgehen und es wurde drei Monate Zwangsarbeit in der Kanalisation in Aussicht gestellt. Wenn man bedenkt, was man so alles zu sehen bekommt wenn die Abflüsse überschwappen, sollte das wohl genügen.

An der Wand gegenüber des Mehrfamilienhauses wurde die Kamera gewaltsam entfernt. Der junge Mann mit den Spikes an den Springerstiefeln, zündet sich eine Zigarette an, während seine mit Metall bewehrte Begleiterin den Parolen der Regierung ihre eigene Meinung hinzufügt. Da sich der heutige Jugendjargon auf wenige ausdrucksstarke Silben beschränkt, kann ich mir den originellen Inhalt schon vorstellen. Auf meinen Zuruf es lieber zu lassen, reagiert Mister Stiefel mit einem Grinsen und seinem linken Mittelfinger. Ich zucke mit den Schultern und betrete das Treppenhaus. Ein Schild teilt mir mit, dass der Fahrstuhl mal wieder in den Streik getreten ist. Ich versichere mich mit einem Drücken, dass dem tatsächlich so ist und fluche als es sich nicht als ein Scherz herausstellt. Ich hasse es die Treppe zu benutzen. Nützt nichts, muss ich halt in den sauren Apfel beißen, vor allem da ich Leonore draußen stehen habe. Die Stufen ächzen knarzend unter dem Gewicht meiner Sohlen, mir und meiner Einkäufe. Im zweiten Stock empfängt mich in großen, roten Lettern der Spruch "Das Ende ist nah!". Darunter steht im grellen Schwarz "Miete am ersten fällig!". Wenn's nicht so ernst wäre, würde ich wahrscheinlich drüber lachen können. Im dritten Stock begegnet mir Junior, der mir der gängigen Umgangformen für Heranwachsende entsprechend nach meinem Kommentar über die extrem laute Musik aus seiner Wohnung und dem Geruch seiner Selbstgedrehten, ebenfalls einen formschönen, nikotingelben Finger präsentiert. Ein berühmter Entertainmer der neueren Zeit sagte einmal, dass die guten Manieren gestorben und begraben worden seien. Ironischerweise hatte er kurz darauf im Verlauf eines Hungerkrawalls ebenfalls seine Mineralien an Mutter Erde senden können. An meiner Haustür setze ich meine Einkaufstüte ab und lasse meine rechte im innern meines Trenchcoats nach meiner Waffen tasten, während ich meinen Fingerabdruck auf den Knopf presse und den Retinascan meine Augen bewundern lasse. Das auf weiblich eingestellte Sprachmodul mit markigen Oxfordenglischakzent meiner Alarmanlage, heißt mich gekünselt willkommen, als ich eintrete und die Tür verriegelt sich sofort automatisch. Geschwind wie der Wind stelle ich meine Einkäufe ab und rase zum Fenster. Leonore wartet in all ihrer florischen Pracht unter ihrer gläsernen Schutzkuppel auf ihren Platz an der Fensterbank auf mich. Ich stelle sie dann unter die Solariumlampe und gebe ihr bevor ich sie einschalte einen Kuss. Papa ist wieder da Baby. Draußen höre die über Lautsprecher verstärkte Stimme eines Polizisten und kurz darauf ein paar Schußgeräusche. Ich habe es ihnen ja gesagt, aber auf den alten Sack in dem bekloppten Mantel hört ja keiner. Klappernd lass ich die Metallschutzwände runterfahren die die Fenster zu decken beginnen, schalte den Computer ein und höre mit halben Ohr den Aufzeichnungen meiner Nachrichten zu, während sich mein nahrhafter Brei aus weißderTeufelwas langsam rotierend in der Mikrowelle erhitzt und mir so richtig Appetit auf dieses wohlschmeckende Geschmackserlebnis macht. Mister Bernon will endlich die Miete sehen, die Zeugen der Apokalypse bieten Selbstmordseminare an, Mister Bernon meldet sich nochmal um mich an die Miete zu erinnern, Lina merkt an dass sie eventuell einen Klienten für mich gefunden hätte, Mister Bernon droht mir nun den Strom abzustellen, wenn ich nicht endlich die scheiß Miete bezahle.

Gute liebe Lina. Auf sie ist immer verlass. Das Essen ist fertig. Die Plastikgabel gezückt, setze ich mir zuerst eine Werbebrösche der Zeugen dann den Pappteller mit dem Brei darin auf den Schoß und schalte den Holobildschirm des PC's auf Television. Ich sehe gerade noch den Wetterbericht in dem verkündet wird, dass der Regen noch zwei Tage anhalten wird, dann beginnt auch schon der politisch korrekte Abendfilm der ,zensiert und frei von regimefeindlichen Inhalten, kostenlos für die ganze Familie zu sehen ist, während man als Verbraucher für die richtig interessanten Unterhaltungsfilmchen aus wirtschaftlichen Gründen, der Aufwand sie verstehen schon guter Bürger, bezahlen muss. Ich werde wohl meine Kontonummer eingeben um mir heute mal einen Porno reinzuziehen. Derweil nimmt die Handlung des Films eine unerwartete Wendung da Clarice gerade entdeckt, dass Jörg ihr eine gewisse Summe aus dem Portemonaie entwendet hat und nicht zu vernünftigen Gesprächen bereit ist. Das erfordert drastische Maßnahmen, im Form des grauen Engels Linda Andersbach, Familienrechtlerin und wie alle Regierungsangestellte, das Gewissen der Gewissenlosen!

Ich wende meinen Blick vom Bildschirm ab und halte fasziniert inne um die gräuliche Farbe meiner Mahlzeit genauer ins Auge zu erfassen. Beinahe vermeine ich, sowas wie Fleisch oder irgendein Gemüse zu erkennen.

Die Zukunft ist toll.
 
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Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Die Idee zu diesem Text kam mir nach einer bestimmten Stelle in "Mask of the Betrayer" und meiner Feststellung, dass das Addon gewisse Ähnlichkeiten mit seinem baldurianischen Verwandten "Thron des Bhaal" hat(finde ich zumindest):D.

Der Rest ergab sich dann von selbst, vor allem da einer der beiden Protagonisten auf Grund seiner Gesinnung(rechtschaffen böse) einen gewissen Charme aus meiner Sicht entfaltete, auch wenn er im Original nur einen Auftritt hatte;).

Hoffe ja nur, dass ich das Ganze so rüberbringe wie ich es mir vorgestellt habe:D.

Auf jeden Fall wie immer viel Spaß beim lesen wünscht

euer Zelon:)

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Dunkelheit.

Sie erwachte. Ihr schwaches Fleisch sang von Schmerzen jenseits der Vorstellungskraft, ihre Knochen spielten symphonisch eine intensive unterstützende Melodie, während ihrer Stimme stöhnender Applaus entwich. Es gehörte zu jenen brillant inszenierten Stücken, denen nur die Wenigsten den verdienten Beifall schenkten. Langsam, sehr langsam erhob sie sich, suchte auf ihren wackeligen Beinen den Halt, den nur das irdische Dasein bieten konnte und blickte sich langsam um. Das Universum hatte sie scheinbar in sich aufgenommen, denn um sie herum herrschte die allumfassende Schwärze, tiefster Nacht, jedoch erhellte ein Meer von Sternen den Horizont, sodass es ihr vergönnt war, die Flugbahnen der schwebenden Trümmer zu verfolgen und sich so Gedanken über den Grund ihres Hier seins zu machen. Sie fuhr sich mit der rechten über das Gesicht, verließ die physische Ebene um in ihrer psychischen Verwandten eine Antwort auf ihre Fragen zu finden.

Ein Thron. Ein Ort jenseits des Greifbaren, jedoch so real wie das in ihren Adern pulsierende Blut. Sechs Schwerbewaffnete Recken, die Waffen grimmig vorgestreckt, sichtlich bereit sich allem entgegenzustellen. Ihr Anführer war ein bärtiger Hüne, dessen zernarbtes Gesicht und der von grauen Strähnen durchzogene Bart ihn älter aussehen ließen, als er tatsächlich war. Sie wusste das.

Nur woher?

Seine blauen Augen brannten sich in ihr ein und der Ausdruck in ihnen ließ sie vor Furcht innerlich erzittern und gleichzeitig ein Gefühl tiefster Vertrautheit in ihr wach werden.

Warum?

Sie ging tiefer, viel tiefer, stieg hinab in den finstersten aller Abgründe, der eigenen Seele, dem ewigen existentiellen Spiegel. In schneller Abfolge rasten die Bilder an ihr vorbei,

Sie selbst triumphierend lächelnd, allein an jenen magischen Ort, an der sie sich dem Hünen zur Konfrontation stellen würde.

ließen sie an ihrer gleißenden Intensität teilhaben

Fünf Gestalten standen um sie herum. Eine junge Frau, deren Blick von der Freude an der Grausamkeit kündete, ein rotbärtiger Riese der alles und jeden, sie scheinbar mit eingeschlossen, mit Geringschätzung zu achten schien, eine dunkelhäutige Elfe mit gelangweilter Miene, ein blauhäutiger Mann in mittleren Jahren dessen Augen sie ebenso misstrauisch musterten wie der junge Menschenmann mit dem kahlgeschorenen Schädel.

und

Überall Tote und Schreie. Männer und Frauen starben gleichermaßen, ihre kläglichen Kräfte waren nichts im Vergleich zu der sich ihnen entgegenstellenden, geballten Macht der Angreifer.

zeigten

Sie fühlte den längst vergangenen Zorn nun wieder so real, wie damals bei seinem ersten Aufflackern. Wie konnten sie es wagen, ihr das Recht zu verwehren, zu höheren aufzusteigen? Die abscheulichen Abbilder ihres ehemaligen Herrn schienen sie zu verhöhnen und das agonischen Geschrei der Priester wurde von den Wänden vielfach wieder gegeben. Ein gewaltiges Massaker, an einem Ort dem dies doch geweiht war, eine letzte Ironie des Schicksals um die erlittene Schmach der Niederlage noch mehr zu verdeutlichen. Unter sich hörte sie das klägliche Weinen eines Neugeborenen und als ihr eigener Blick nach unten wanderte, erhob sie den rituellen Opferdolch zum Stoß bereit, um zumindest einen winzigen Sieg davonzutragen. Augen, wunderschöne, blaue Augen begegneten ihr durch einen leichten Tränenschleier und mit stummer Neugierde, als sich ihrer beider Blicke trafen. Sie zögerte.

ihr

Einen kurzen Moment. Viel zu lange. Der Dolch fiel ihr aus der Hand und ihre Hand brannte. Schmerz durchfuhr sie. Keineswegs mit denen zu vergleichen, unter denen sie heute litt, doch so real und präsent wie nur die Erinnerung in der Lage war sie zu intensivieren. Sie wich zurück und entkam so knapp den Dolch des dunkelbärtigen Mannes in den langen Roben, dessen Aufmerksamkeit sofort dem Kind galt, vor dem er sich schützend aufbaute. Ihr reichte das um die steinernde Zunge des Abbilds zu betätigen. Knirschend gab die Wand einen Durchgang dahinter frei, der sie willkommen hieß und in die Finsternis führte.

die

Dieser Ort kam ihr gegenwärtig bekannt vor, doch in der Vergangenheit spielte die Zukunft keine Rolle, war sie doch nichts weiter als eine weitere Gegenwart in der die essentiellen Entscheidungen bereits getroffen worden waren. Sie fühlte Furcht in sich aufkeimen als sie das Meer aus Sternen und die in der Finsternis fliegenden Trümmer betrachtete. Dann wurde sie sich des gewaltigen Knochenhaufens gewahr, dessen Mitte wie eine Treppe geformt sie zum Begehen dieses makabren Weges einzuladen schien. Nur zögernd kam sie dieser stummen Aufforderung nach, erklomm mühsam Sprosse um Sprosse, bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Dort sah sie die Zukunft.

Wahrheit.

Ihre Hand ließ nur langsam von ihrem Gesicht ab und nur ebenso langsam, drehte sie sich um. Es hatte sich nichts geändert. Jeder Knochen befand sich an seinem Platz, perfekt aneinander zu einem natürlichen Tempel errichtet, der jeden dazu einlud seines Herzen mit eigenen Augen angesichtig zu werden. Ihre Füße bewegten sich von selbst, trugen sie über die Knochen hinweg, ihrem Schicksal entgegen. Weder ging sie zu schnell noch verlangsamte sie ihren Schritt sonderlich. Zeit besaß an diesem Ort keinerlei Bedeutung. Der gehörnte Schädel, befand sich immer noch an seinem angestammten Platz, seine gewaltigen Augenhöhlen waren leer und finster. Unsicher wartete sie ab. Dann erhellte Licht die Finsternis.

Zwei Sterne begannen dort wo sich dereinst die Augen befunden haben mochten, zu leuchten und mit ihnen die Stimme ihrer eigenen Verdammnis.


Amelyssan mit dem schwarzen Herzen , sprach die Verdammnis, emotionslos, frei von allen was sie dereinst geknechtet hatte und doch von ihrer eigenen Ewigkeit in Ketten gelegt.

Ich heiße Euch willkommen, meine ehemalige Dienerin.

Ein leichter Hauch von Amüsement schwang nun im einst monotonen Tonfall der Stimme und sie ließ scheinbar einen kurzen Moment vergehen, um sich an der exquisiten Köstlichkeit dieses triumphalen Momentes zu ergötzen.

Willkommen an meiner Seite.

Vor ihren Augen, raste erneut die Vergangenheit vorbei. Sie selbst, triumphierend lachend an einen Ort, der einst ihr Reich hätte werden sollen, im Gespräch mit einem kleineren Abbild ihres ehemaligen Herrn, einer geflügelten Frau mit leuchtenden Blick und einen bärtigen Mann, dessen blaue Augen ihr seine Identität verrieten.

Wieder jener Ort, an dem der Hüne und seine Gefährten sich ihr zum letzten Gefecht entgegenstellten, pure Macht in jeder Faser ihres Körpers pulsierend, bereit stellvertretend zu jenem Schwächling, den sie einst ihr Leben verschrieben hatte, zu regieren. Sie am Boden und besiegt, von jener geflügelten Frau der Dunkelheit überlassen, aus der sie erwachte um sich in einem letzten Aufbäumen, dem Unvermeidlichen entgegenzustellen, Teil jenes strahlenden Lichtes, welches den Augen der skelettierten Kreatur glich und sie zurück in die schreckliche Gegenwart führte.


Willkommen im Nichts.

Sie fiel auf die Knie. Der Untergrund war hart und unbequem, doch war dies nicht mehr von Bedeutung. Ihre Hände zur Ehrbietung erhoben, sanken auf die Knochen hinab, ihr Blick hatte sich ihnen angeschlossen. Die über ihre Lippen kommenden Worte, erschienen ihr wie stummes, an sich selbst gerichtetes, Hohngelächter im Angesicht dieser schicksalhaften Ironie, hallten in Vergangenheit und Jetzt, gleichsam betont wieder.

,,Heil dir Bhaal, Fürst des Mordes. Deine treue Dienerin, erwartet in stiller Verzückung deine, an sie gerichteten, Befehle.''

Sein Lachen erfüllte ihre Gedanken, hallte in den verwinkelten Gängen ihres Verstandes wieder und blieb dort fest verankert. Amelyssan mit dem schwarzen Herzen, ließ es übersich ergehen, dachte kurz nach, fügte alle Teile des Puzzles ihres Lebens zusammen, sah an seinen wichtigsten Punkten blaue Augen die Szenerie bestimmen und beenden...

...und schloss sich in einem Moment des Erkennens, dem Gelächter ihres Herrn an, in einer Beziehung miteinander vereint, wie es im Multiversum keine Zweite gab und wohl auch nie geben würde.

Niemand war dem Zeuge. Niemand.

Nur ein Meer aus, in der Finsternis aufleuchtenden Sternen.
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Seien wir ehrlich: Die Handlung der BGspiele war gut, aber was Geschichten erzählen anbegeht, ging Bioware mit Knights of the old Repubic I in Bezug auf Handlungstiefe und starken Charakteren mehr in die Tiefe(um es dann mit Jade Empire zu perfektionieren hehe:rolleyes:). Der Grund weswegen Leute wie wir ständig in Nostalgie ausbrechen, wandert mit der Hauptfigur. Richtig vermutet, ich meine die NPC's^^.

Wenn ich an eine wirklich schöne Liebesbeziehung mit richtig Tiefe denke, komme ich im Grunde immer auf die Beziehungen in BG 2 zurück, denn dort ist man als Partner gleichwertig, man kriegt ebenso sehr kontra wie man pro gibt, während man in späteren Biowarespielen das Gefühl hah Honig um den Mund geschmiert zu bekommen, da die jeweiligen Optionspartner nur darauf erpicht zu sein scheinen einen ins Bett zu locken(man selbst denkt an sowas selbstverständlich überhaupt nicht*hust*:D).

Um mich vollständig zu outen: Ich liebe Aerie:D! Also mein alter Ego tut es;). Man kann sagen was man will, aber im Vergleich zur Konkurrenz macht sie eine schöne Entwicklung durch und mit ihr erlebt man auch die schönsten Momente im ganzen Spiel. Einen dieser Momente möchte ich nun endlich auf Papier festhalten. Er gehört zu den Highlights in der Romanze mit Aerie und zaubert mir bis heute ein Grinsen auf's Gesicht und beweist eigentlich nur, dass ich im Grunde meines Herzens "weich" bin;).

Genug der Selbstdarstellung, here we go.

Viel Spaß beim lesen:).

Eventuell setze ich es fort, wenn gewünscht:)

PS: Ich erzähle das Ganze aus der Perspektive meines All-Time Favoriten Zelon Engelherz, neutral guter Kämpfer und alles vernichtende Dampframme;).

In der Gruppe hatte(und habe ich wenn ich nostalgisch werde):

Aerie
Jan
Jaheira
Imoen
Minsc

Ich habe mir ein paar Freiheiten erlaubt, halte mich jedoch insgesamt an die Vorlage(soweit ich mich an sie erinnere:D).

----------------------------------------

Aerie tritt neben mich und berührt mich leicht an meinem linken Arm.

,,Zelon können wir uns unterhalten?''

Ich halte an und nicke.

,,Aber sicher, was ist denn?''

,,Warten wir noch kurz...ich möchte das gerne alleine mit dir besprechen.''

,,Wenn Du meinst...Imoen. Geht schonmal vor. Wir kommen gleich nach.''

Imoen nickt und geht weiter. Jaheira verzieht keine Miene. Minsc blickt etwas unentschlossen drein, scheint dann aber von Boo den telephatischen Befehl zu erhalten, zu folgen, was er dann auch tut. Jan wird von Imoen am Kragen gepackt und unter Protesten mitgeschleift.

Wir sind allein. Nicht allzuweit entfernt höre ich Vögel zwitschern, im nächsten Moment bewegt sich etwas im naheliegenden Gebüsch und eine Biene summt knapp an mir vorbei.

Relativ allein.

Ich gönne mir den Luxus meinen Helm abzunehmen und meinen Haaren ein wenig Luft zu gönnen, während ich mir mit der Linken über den Bart fahre. Ich müsste ihn bald mal wieder rasieren. Aerie beschwert sich schon eine ganze Weile darüber, dass er ziemlich kratzt. Sie selbst blickt mich nun in einer Mischung aus Nervosität und...schierer Freude an, reibt ihre Handflächen aneinander um sich dann mit der Rechten nochmal kurz durch die Haare zu fahren. Es herrscht Schweigen. Ich bin es der es bricht.


,,Also...worüber wolltest Du mit mir sprechen?''

,,Was hälst Du von Quayle?''

Die Antwort kam relativ schnell...und wirft gleich eine Menge neuer Fragen auf. Was ich von ihm halte? Nunja, ich kann nicht behaupten, dass unsere kurze Partnerschaft relativ fruchtbar gewesen wäre, weswegen ich nicht soviel Zeit hatte ihn kennenzulernen. Andererseits hatte er sich scheinbar nach unserer letzten Begegnung, auch ein wenig gewandelt.

So gesehen, aus den Eindrücken, die ich bisher von ihm sammeln konnte...


,,Dein Onkel? Scheint ein feiner Kerl zu sein.''

Sie schüttelt den Kopf und lächelt, spielt mit einer ihrer Dreadlocks und senkt dabei leichtden Blick.

,,Nein nicht er...ich meine den Namen. Für einen Jungen.''

Sie blickt mir wieder ins Gesicht und lässt mich so die Sterne in ihren meerblauen Augen und die beginnende leichte Rötung ihrer Wangen sehen. Ihr Lächeln verstärkt sich noch um einige Nuancen und sie scheint von innen heraus zu strahlen. In meinem Hinterkopf meldet sich eine kleine Wesenheit mit den oft mit negativen Omen assoziierten Namen Vorahnung und flüstert mir mit leiser Stimme zu, dass sie es kommen sieht und ich jetzt lieber nichts sagen sollte.

Selbstverständlich höre ich nicht auf sie.


,,Möchtest Du mir was sagen Liebling?''

Vor meinen Augen verwandelt sich Aerie in eine zweite Sonne. Ihr Lächeln ist ein Ausdruck perfekter Freude, ihre Augen machen deutlich, dass sie diese mit der ganzen Welt, ergo mit mir zu teilen gedenkt und es aus ihrer Sicht nichts geben wird, was ihr Glück zerstören könnte. Dann spricht sie zu mir, wie es dereinst der Prophet Alaundo zu den versammelten Völkern Faeruns getan haben mochte und erreicht damit bei mir eine ähnliche Wirkung, wie sie der Verkünder wohl bei den Massen bewirkt haben musste.

,,Ich bin schwanger, ist das nicht wundervoll?''

Ich kann mir vorstellen wie ich jetzt aussehen muss. Ihrem Lächeln setze ich einen weit aufgerissenen Mund entgegen, meine weit aufgerissenen Augen verblassen unter dem Glanz der Sterne in ihren Augenhöhlen und meine Gesichtsfarbe wird wohl den Dienst quittiert haben.

,,Schwa...schwa...schwanger?''

Von meinem Verstand ganz zu schweigen. Mir ist schwindelig zumute und der auf meiner Stirn entstehende Schweiß kommt wohl nicht von ungefähr. Ich atme schwer aus.

,,Ich weiß gar nicht was ich sagen soll.''

Sie ist schwanger! Oh Helm! Schwanger!

Aerie lässt sich scheinbar nicht sonderlich von meiner Reaktion beeinflussen und fährt sich stattdessen, wie zur Unterstreichung des eben von ihr Gesagten über den Bauch. Ihr Lächeln hat sich in dem Sinne ein klein wenig verändert, dass sie eine beruhigende Note hineinlegt, so wie in ihren Augen, in denen eine Zärtlichkeit ruht, die wohl nur von der für das Leben in ihr übertroffen wird.


,,Ich weiß das kommt jetzt ein wenig plötzlich und die Zeit ist nicht gerade die beste, aber ich freu mich so und...oh Zelon, ich bin so glücklich!"

Sie umarmt mich, presst mich an sich, mit einer Kraft um die Mincs sie wohl beneiden würde, jauchzt vor Freude vor Glück. Ich lasse mich kommentarlos, an sie drücken und blicke weiterhin wie ein Idiot drein.

Sie wird Mutter!

Schüchtern, geradezu vorsichtig lege ich meine Arme um sie, versuche sie nicht zu stark an mich zu drücken,fühle mich leicht zittrig. Ich, der Drachen erschlug und Halbgötter niederrang, die Sphären der Hölle angesichtig wurde und mir selbst schon oft in mannigfaltiger Form gegenüber stand.

Aerie blickt zu mir auf, wie sie es immer tun muss wenn wir uns umarmen. Sanft streichelt sie mit der Linken meine Wange, nimmt dann mein Gesicht in die Hände und hält es fest.


,,Wir unterhalten uns nochmal drüber ja? Ich seh's dir an, Du bist noch ganz überrascht...''

Fässt es gut zusammen.

,,...und Du wirst wohl noch ein bisschen Zeit brauchen um das verdauen zu können. Das versteh ich. Wirklich.''

Dann stellt sie sich auf die Zehenspitzen und küsst mich. In diesem kurzen Moment, diesen kurzen, magischen Moment, unter dem stillen Blick der Bäume, steht die Zeit still und alle Sorgen verschwinden hinter einem einzigen gewaltigen Vorhang aus Licht. Unsere Lippen lösen sich wieder. Die realität hat uns wieder. Aerie schaut mich an.

Lächelt.

Ich erwidere es leicht. Sie stellt sich nochmal auf die Zehenspitzen, küsst mich nochmal auf die Wange.


,,Ich gehe schonmal vor.''

Ich nicke.

,,In Ordnung.''

Ein letztes Lächeln, dann dreht sie sich um und geht. Ich bin allein. Meine Hand fährt erneut über meinen Bart, verwuschelt ihn leicht. Ich halte inne und lausche dem galoppierenden Schlag meines Herzens, versuche meine Gedanken so gut es geht zu sammeln und das eben Erfahrene dementsprechend zu verdauen.

Aerie ist schwanger.

...

Ich setze meinen Helm auf und beginne meinen Freunden zu folgen. Neben mir springt ein Feldhase aus dem Gebüsch, schlägt Haken und verschwindet in der nächsten Ansammlung von Mutter Natur beglaubigten Schöpfungen.

Das bedeutet dass ich dann wohl Vater werde.

Ich wische den mir im Weg stehenden Ast beiseite und atme schwer aus.

Meine Güte!

Kurz darauf bin auch in den Tiefen des Wades verschwunden.
 
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Schuck

Fürst des Chaos
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Hm, schade, dass der Thread so versteckt ist und ich ihn deswegen jetzt erst entdecke. :c:

Muss mir mal in Ruhe durchlesen, was ihr da so schreibt, vor allem Lis' Geschichte klingt interessant. :)



Nun denn, ich hab neulich inspiriert von Vals Dialog, auch mal wieder etwas verbrochen.
Ist sehr kurz, roh, pathetisch und wohl auch kitschig, aber ich wollte die Idee festhalten und tat das während einer ausgedehnten Zigarettenpause auf meinem Balkon auch. ;)

Ich lass den Text jetzt mal vorerst unkommentiert stehen, auch wenn er vielleicht schwer zu verstehen ist. Oder man schlimmstenfalls garnicht peilt, was ich überhaupt will. :p
Gerade der Einstieg mag geradezu wirr anmuten. Schreib bei Interesse vielleicht noch eine kleine Erläuterung dazu. Aber erstmal sehen, was ihr so dazu sagt. :D

mfg,
Schuck








Santeria




ein schwülheißer Juniabend, eine Couch auf einem Balkon, ein Campingtisch mit Aschenbecher, Kaffeekanne, zwei Tassen;

J. und E. liegen auf der Couch, beide rauchend, nackt;​




J. (zieht an seiner Zigarette, singt mit dem Ausatmen) I don’t practice Santeria,...

E. Ich hab doch auch keine Ahnung, wie es weitergehen soll.

J. (trinkt einen Schluck Kaffee, (schwarz, stark)): Well, es ist Sommer – noch. Wir können hier nicht ewig sitzen, rauchen und Kaffee schlürfen.

E. (zieht tief). Ich hab auch noch eine Couch vor dem Kamin…

J. Aber das ist nicht dasselbe, das weißt du.



J. und E. (tiefer Zug, noch ein Schluck Kaffee, Pause, Stille)



J. Anyway, es ist Nacht, ich schwitze schon seit Stunden, vor Sex, zu viel Kaffee und schwüler Hitze. Was will ich mehr wollen?

E. (schwärmend). Die Tage von Wein und Rosen.

J. (entzückt). Oh ja, Wine and Roses.

E. Also was jammerst du? Wenn wir morgen aufwachen ist es Winter, wir sind wohl verkatert und halb erfroren, aber wir haben Gewissheit,…

J. …Gewissheit nicht vergeblich unsere Herzen gebrochen,…

E. … nicht umsonst geliebt und verliebt zu haben. Und, ja, nicht unsere sommerliche Jugend mit Gedanken an morgige Winter verschwendet zu haben.


(erhabene Pause, Kaffee, Kippe, Kuss)


J. Und jetzt Gonzo, Baby. Die Nacht ist noch jung.
 
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Lisra

Schmusekater
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:cool::up:
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Mal wieder was Kurzes von Rondrai di Leonclé um wieder reinzukommen.

Höchstwahrscheinlich noch kürzer als der letzte Text, trotzdem viel Spaß beim lesen:).

Gruß Zelon:)

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Rondraio di Leonclé hatte sich bei weitem nicht für einen herausragenden Fechter gehalten...

Er parierte und wich einen Schritt, zurück, während er etwas Luft aus seinen Zähnen entweichen ließ. Sein Gewicht stützte sich auf seinen rechten Fuß, während er sich mit seinem linken in die dementsprechende Richtung dirigierte. Sein sauberer Zwillimg folgte hastig, als sein Gegner, versuchte ihn mit der eigenen Fußsohle festzunageln. Erneut sang der Stahl von Schmerz und Tod, als die Rapiere wieder aufeinandertraffen und eine schrille Symphonie zum Besten gaben. Beide Kontrahenten kamen sich näher und näher, sodass der Vinsalter König der Diebe sein Gesicht sich in den zwei nussbraunen Augen reflektieren sah, was ihn aus einer rein reflexiven Geste dazu brachte, die Zähne zu blecken. Kurz darauf war er wieder auf seine eigene Perspektive angewiesen, als sie beide mit einem Sprung nach hinten Abstand nahmen. Rondraio streckte den Degen mit der Linken von sich und lächelte, wischte sich dabei mit der rechten Hand eine paar ins Gesicht fallende Haare aus diesem.

...aber zumindest für einen recht passablen.

Sie begannen sich zum umkreisen, der eine fasste den anderen mit scharfen Blick ins Auge, wie jeder kluge Jäger darauf lauernd, dass der jeweilige Gegenüber endlich einen Fehler machen würde. Rondraio war es der dies beendete, indem er geschwind vorstieß und auf die Brust des Objektes seiner feinseligen Aktionen zielte, was dieses jedoch zu parieren und mit einem Schritt nach rechts zu entweichen wusste. Wieder begannen sie sich zu umkreisen. Wieder waren sie zwei nach Blut dürsterne Raubtiere, Diener des korgefälligen Ziels eben genau jenen kostbaren Lebenssaft zu Ehren des Herrn des Schlachtens zu vergießen um...

Plötzlich leckte sich Lyssia höchst eindeutig über ihre Lippen.

Im ersten Moment blinzelte der Vinsalter verwirrt. Im nächsten Moment, befand er sich schon an der gegenüberliegenden Wand, entwaffnet und den Stahl an seiner Kehle spürend, sich erneut in den nun vor Schalk leuchtenen Augen der Almaderin spiegelnd. Seine Libido hatte angesichts dieser Schmach beschlossen, sich schamvoll in der hintersten Ecke seines Verstandes zu verstecken.

,,Ich fordere Revanche.''

Er wusste, dass er nicht halb so ruhig klang, wie er es sich wünschte. Das Lächeln der Söldnerin, tat ihr übriges um dies mit Unterschrift und Siegel zu bestätigen.

"Phex verflucht!"
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Zweiter Teil meines Angriffs auf die Actionfilmindustrie:rolleyes:.

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*Ein junger Mann lehnt an einen Drahtzaun. Blut läuft ihm die rechte Schläfe hinunter und er atmet schwer, jedoch hält er die Fäuste zum ultimativen Showdown bereit. Seine augenscheinlichen Konkurrenten sind scheinbar Dreadlocks tragende Weiße, die sich gegenseitig einen Joint reichen und den jungen Mann jeweils als "Mann" bezeichnen und Ausschnittsweise erklären wie "uncool" sie sein Verhalten finden. Eine geheimnisvolle Prophetenstimme unterstützt kraftvoll den auftauchenden Schriftzug.*

Diesen Sommer

*Der junge Mann spuckt den Männern vor die Füße und nennt sie "verdammte Hippies" und macht sich scheinbar zum ultimativen Showdown bereit.*

erhält ein junger Mann

*Plötzlich bekommen die Hippies große Augen, als sich hinter den Zaun ein blauer "Kreis" manifestiert, der den Zaun mitreißt, die Hippies und den jungen Mann jedoch unangetastet belässt.*

Hilfe

*Ein schwarzer Stiefel tritt aus dem Tor, dem kurz darauf ein weiterer und ein extralanger Patronengurt folgt.*

aus der Zukunft!

*Ein dem Zuschauer bekannt vorkommende, kerniger Typ in schwarzer Lederjacke und Sonnebrille, mit der amerikanischen Nationalflagge um die Schultern geschwungen, geht, das schwere Schussgeräte im Anschlag, in Position und knurrt dem jungen ein "runter" zu. Den Hippies bleiben gerade noch die sprachlos gehauchten Worte "uncool Mann" ehe sie sich mitsamt Joint und Dreadlocks aus der materiellen Welt verabschieden. Der American Knight grunzt zufrieden und blickt dem aufblickenden Jungen in die Augen. Dieser erwidert seinen Blick ungerührt. Der Knight zückt eine MP und reicht sie ihm. Der Junge lädt sie fachkundig durch und schaut den Knight nochmal scheel an. Er grunzt zufrieden, als er kurz darauf eine angezündete Zigarette zwischen seinen Lippen weiß.*

Man kann die Vergangenheit nicht ändern,

*Die beiden Heroen schießen sich zu einer Mischung aus ACDC's "Highway to Hell" und ziemlich aggressiver Kirchengesänge, durch einen Haufen von Verrätern, die eindeutig als Liberale, weitere Hippies, Feministinnen, Menschenrechtler, Kommunisten, Homosexuelle, Juden und Afroamerikaner(damals noch "Schwarze") zu erkennen sind und verziehen dabei keine Miene, während wie durch Zufall scheinbar Heiligenscheine über ihren Köpfen strahlen.*

aber man kann die Weichen für eine bessere Zukunft legen!

*,,Ihr seid doch wahnsinnig!'', brüllt der eindeutig afroamerikanische, schwule, jüdische, liberale, Hippies, Feministen und Kommunisten unterstützende Bösewicht den beiden Knights ins Gesicht, während sich um ihn die Leichen seiner verdorbenen Mitstreiter türmen.

Die beiden Haupthelden gucken sich, schließen die Augen und lauschen den himmlischen Chorälen, bevor sie nach einem knappen unisonnen "Nein" abdrücken.

Es erscheint der Filmtitel, der sich in eine Blumenwiese gräbt und sich aus dem spritzenden Blut der, sich darunter befindenden Feinden der Demokratie ergibt.*

AMERICAN KNIGHT II!

Glory Past!

*Es folgt der Hinweis, dass dieser Film ab dem dreizehnten Dezember im Kino zu sehen ist. Der Spot blendet aus und macht für einen Spot Platz in dem eine leicht bekleidete Nonne den Zuschauer die Absolution für all seine Sünden verspricht, auch wenn sie ihn dazu zwingen muss. Sie demonstriert das Ganze mit einer Lederpeitsche. Zu erreichen ist sie...*
 

Kraven

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Mal wirklich was Kurzes...

Schlaf

Du liegst auf dem reinen, weißen Laken, die Haut fast ebenso bleich, und das schwarze, aufgefächerte Haar als einzigen Kontrast. Und überall in dir sind Schläuche, in der Nase, im Mund; Kanülen sind in den Händen und an der Stirn.
Die Ärzte sagen, dass du vermutlich nicht zurückkommen wirst. Sie wissen nicht, wo du bist, versuchen nur verzweifelt, deinen Körper am Leben zu halten, mit nichts als der ungewissen Hoffnung, dass du vielleicht wieder aufwachst.

Ich sitze neben deinem Bett und halte deine Hand, einen Gedichtsband auf dem Schoß. Ich fühle mich dabei wie ein wandelndes Klischee, aber der Arzt hat gemeint, er könne nicht ausschließen, dass du mich hörst.
Achtundneunzig Prozent, sagt er, so hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du es nicht tust. Zwei Prozent sprechen für uns. Das muss reichen.

Ich habe es mit Poe versucht, mit dem Raben, deinem Lieblingsgedicht. War ne blöde Idee. Beim dritten „Nimmermehr!“ hab ich angefangen zu zittern und konnte erst wieder aufhören, nachdem der Pfleger eine Spritze mit Beruhigungsmitteln in meinen Arm gerammt hat.
Also sitze ich einfach so da, ignoriere das Buch, versuche dir etwas aus meinem Leben zu erzählen. Diese Idee ist vielleicht nicht blöd, aber sie ist sinnlos. Was soll es schon geben aus meinem Leben? Du bist fort.

Ich wette, mein Anblick ist auch kein Anreiz für dich, zurückzukommen. Seit drei Tagen kam ich nicht mehr zum Duschen oder Rasieren, oder gar zum Schlafen. Ich nicke hin und wieder ein, und dann träume ich von dir, wie du an dieses Bett gefesselt bist, durch Schläuche ernährt und beatmet, und jedesmal wache ich weinend aus diesem Albtraum auf, nur um mich neben dir sitzend wiederzufinden, um zu sehen, wie du an das Bett gefesselt bist, durch Schläuche ernährt und beatmet.

Ich streiche dir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, küsse deine Nasenspitze. Atme deinen Duft ein, den selbst der Krankenhausgeruch nach Desinfektionsmitteln und Tod nicht ganz überdecken konnte. Ich bitte dich, ich weiß nicht zum wie vielten Mal, wiederzukommen.

Ich spüre einen leichten Druck in der Hand. Deine Finger, vorher so leblos, haben meine kaum spürbar umfasst, gedrückt. Ich starre sie an, schaue in dein friedliches, liebes Gesicht, will lachen und dich küssen. Dich umarmen und willkommen heißen. Dir sagen, dass ich dich liebe, immer und immer wieder.

Dann setzt dein Herz aus, und das einst so monotone Piepsen des EKG wird zu einem langgezogenen Schrei, der sich in mein Hirn frisst und es ausfüllt.
 
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Autumncorpse

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Hmm... es ist schwer etwas zu dem letzten (dem ersten Beitrag den ich in diesem Abschnitt lese) zu sagen, aber ich will zumindest versuchen einfach meine Empfindungen zu beschreiben, als die Worte in meinen Kopf eindrangen und irgendwie tatsächlich mein Herz erreichten.

Es ist traurig, vom Anfang bis zum Ende und selbst als der Protagonist (es hört sich unpersönlich an ihn so zu nennen, doch was bleibt mir anderes übrig?) diesen leichten Hoffnungsschimmer, den Druck in seiner Hand spürt, bleibt die Atmosphäre erfüllt von einem nachhallenden trockenen Schmerz.

Die Schreibweise und Art des Ausdrucks hat mich, als Leserin, berührt und ich finde es wirklich gut gelungen. (Auch das klingt irgendwie falsch, im Zusammenhang mit dem Text.. Daran kann man wohl am besten ablesen, wie tiefe Gefühle es ausgelöst hat.)
Wahrscheinlich liegt es daran, das ich bei dem Thema vorbelastet bin, aber es bewegt mich sehr. Hochachtung.

Grüße, Autumn
_______________________________
Wenn ich schon mal hier bin möchte ich selbst etwas rein stellen.

Sich selbst der Nächste

Es war Nacht, dunkel, kalt und regnerisch, als sie durch die Schwärze irrte, barfuß, verloren, gepeinigt, blutend.

Hin und wieder kam sie an Menschen vorbei die sie anstarrten, tuschelten und sich über das tropfende, rote Ding wunderten.
Aber niemand tat etwas um ihr zu helfen.

Sie klopfte an Türen, hoffnungsvoll, immer wieder.
Doch jedermann stieß sie fort, schrie:

"Weg! Meine Kinder sollen sowas nicht sehen!"
"Verschwinde, ich nehme keine Penner auf!"
"Soll dir doch jemand anders helfen, warum immer ich?"
"Geh! Ich bin nicht die Wohlfahrt!"
"Was? Dir helfen? Am Ende kriegen wir noch Ärger."
"Wir haben selber nicht genug. Sollen wir Fremde durchfüttern?"

Sie rannte und rannte,
wimmerte und wimmerte,
bettelte und bettelte,
doch niemand hilft mehr einer Fremden.
Fremd ist schlecht, erzählt man den Kindern.
Hilf dir selber, sagt die Gesellschaft.
Nächstenliebe ist ein Ammenmärchen, sagt der Verstand.

Nur einmal kam sie an eine Tür,
im Fenster hatte noch Licht gebrannt.
Ein kleines Mädchen öffnete ihr und wollte sie herein holen.
Doch ihre ältere Schwester schrie:
"Nein! Weißt du denn nicht, dass man selbst sich am nächsten ist?"
und schlägt der Armen die Tür vor der Nase zu.

...

Am nächsten Morgen findet man ein Mädchen tot im Park.
Sie war krank und mit Wunden übersäht gestorben,
verblutet unter Qualen.
Was klang wohl an jenem Tag durch die Straßen?

"Ach was ist da nur geschehen?"
"Das arme arme Mädchen."
"Warum half ihr nur niemand?"
"Also ich hätte ja was unternommen!"
"Hätte man ihr doch früher geholfen!"

Und jenes Mädchen, das ihr hatte helfen wollen schwieg, dachte nach und murmelte unschuldig:
"Aber wisst ihr denn nicht, das sich jeder selbst der Nähste ist?"
 
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Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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*Folgender Schriftzug erscheint in großen, roten Lettern.*

Diesen Sommer!

*Wir sehen von oben das Panorama einer Großstadt(wahrscheinlich Chicago) und hören trotz des massiven Höhenunterschieds, Schüsse fallen und Sirenen ihr einsamen Lied singen.*

Erlebt eine dunkle Stadt…

*Das Bild zoomt näher ran und verharrt an einer wilden Verfolgungsjagd, die von einem Cabrio und einer singenden Polizeistreife geführt wird. Die beiden Fahrer, augenscheinlich studierte Ökos mit langen Haaren und Wollpullovern, lachen triumphierend.*

…wahre Gerechtigkeit!

*Ein gepanzerter, vor lauter Chrom glänzender Mustang brummt in vollen Karacho um die Ecke und befördert die Flüchtenden mit Hilfe des Rammbocks an seinem Heck gegen die nächste Wand, hinter der sich zufällig auch ein Obdachloser(zum Glück dunkel pigmentiert) befindet. Quietschend kommt die Streife zum stehen und die beiden jungen Cops, schauen mit einer Mischung aus Unglauben und ehrfürchtiger Bewunderung zu der massigen Gestalt, mit den vielen Muskelpaketen, dem langen Mantel, dem kantenübersäten Gesicht und der strahlenden Polizemarke, die sich ungerührt eine dicke Zigarre anzündet.

Szenenwechsel. Wir sehen den obligatorischen schwarzen Chief, den Helden anbrüllend und gleichzeitig lobend, während er mit erstaunlichen rhetorischen Geschick das Wort „Verdammt“ mindestens ein Dutzend Mal in vielfältigster Form wiederzugeben weiß.*

Von den Machern von American Knight I-V!

*Zwei Latinos(an Goldkettchen, über das geschmacklose Hemd hinausprießende Brustbehaarung, dünnen, flaumigen Schnurrbärten und betonter Hervorhebung des Schritts zu erkennen) stehen jeweils links und rechts, mit Sturmgewehren bewaffnet an einer Haustür und beschränken ihre Konversation mit der Stimme des Helden, auf Beschimpfungen gegenüber diesen. Er bittet sie ein letztes Mal sich zu ergeben.

Sie lachen.

Kurz darauf bricht seine Rechte durch die Hauswand und packt den rechten, der nun kreischenden Latinos an der Kehle.*

Für Leute die Sin City mochten, Dirty Harry lieben und Pulp Fiction vergöttern!

*Erneuter Szenenwechsel, diesmal in das Innere und äußere des Mustangs. Neben dem Cop sitzt eine melonenbusige Blondine, die kreischend zum Besten gibt, dass unser symphatischer Protagonist gerade Passanten über den Haufen fährt, was dieser trocken damit kommentiert, dass sie einer guten Sache im Weg stehen. Die Szene endet als die Verfolger im Hintergrund eine Rakete abfeuern und damit einen Hotdogstand in seine Einzelteile zerlegen. Die Dame mit der natürlichen Oberweite und der garantiert echten Haarfarbe beginnt zu kreischen.*

Kommt nun ein Film, der sie in neue Dimensionen der Polizeibrutalität führen wird!

*Wir sehen den Cop und einen freundlichen alten Herren, der auf die neutrale Frage ob er wirklich irgendsoeinen Futzi(wen interessiert das schon?) gesehen hat, noch freundlicher nickt. Kurz darauf hat er die Faust des Helden im Gesicht, dem noch zwei weitere Schläge und die gebrüllte Frage, was er gesehen hätte folgen. Der Rest besteht aus weiteren voyeuristischen stilistisch perfekten, gewalttätigen Verletzungen der Menschenwürde und weiteren gebrüllten Aufforderungen endlich das Maul aufzumachen.*

Für wahrhaftige Gerechtigkeit!

*Wir sehen die uns bekannte Blondine von einem Chinesen(welches moderne Feindbild denn sonst?) in Schwitzkasten genommen und von einer kleinen Handfeuerwaffe bedroht. Der Chinese brüllt die ganze Zeit, dass er sie in seiner Gewalt hätte. Der Cop kommentiert dies trocken mit den Worten „Ich seh’s“ lädt seine Pumpgun durch und schießt.

Blut spritzt und ergibt den Titel dieses cineastischen Meisterwerks.*

GOOD COP!

*Es folgt noch die genaue Datenangabe, eine kurze, nicht zu lesende Aufzählung aller Mitwirkenden und noch irgendwas was niemanden interessiert.

Dann blendet der Spot aus.*
 

Kraven

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Ich muss das einfach mal loswerden: Ich würde mir jeden einzelnen dieser Filme ansehen :D :up: Ob Kritik oder Parodie, ganz egal, aber auf mich hat es den selben Effekt wie die Grindhouse-Trailer. Ich bin von der reinen Trashdichte einfach nur begeistert.
 

Ascalon

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Der Tag, an dem ich beschloss, die Welt zu zerstören

Dann will ich doch auch mal was besteuern. Vorsicht: Sinnfrei und politisch inkorrekt!

Der Tag, an dem ich beschloss, die Welt zu zerstören

Der Tag, an dem ich beschloss, die Welt zu zerstören, war ein Mittwoch. Genauer gesagt, ein Mittwoch im Juli 2006, kurz nachdem wir gegen Italien rausgeflogen waren. Ich war ein bisschen traurig und ich glaube, ich hatte in der Nacht auch ein bisschen geweint, weil ja jeder so sicher, war, dass wir Weltmeister werden würden. Das fand ich schade. Allein schon wegen den vielen anderen Menschen. Die hatten ja auch Träume. Und nun war das alles dahin und in ein paar Wochen, wenn alle der schönen deutschen Fahnen wieder einholt werden, war alles wieder wie vorher und das wollte ich gerade uns Deutschen nicht zumuten. Also setzte ich mich, mit einer Tasse Milchkaffee und einem Milchbrötchen mit Rosinen, das ich dick mit Nutella bestrichen hatte, vor meinen Schreibtisch und begann einen Plan zu erarbeiten, wie ich wohl am effektivsten den Planeten vernichten würde Dummerweise fiel mir nichts ein und so beschloss ich erst einmal, ein paar Filme zu gucken, in denen es um Weltzerstörung ging.

Zuerst guckte ich „Krieg der Sterne“ und hielt den Todesstern für eine brauchbare Lösung. Immerhin wäre ich selbst in Sicherheit und könnte mich noch ein wenig darüber freuen, dass die Menschen nun nicht traurig wären, weil sie gegen Italien rausgeflogen waren. Dann musste ich jedoch daran denken, wie ich einmal in der Grundschule mit Legosteinen einen Todesstern bauen wollte, und mir fiel ein, dass ich damals schon nach wenigen Minuten die Lust verloren hatte, obwohl der Todesstern gar nicht größer werden sollte als ein Fußball. Und für einen echten Todesstern braucht man bestimmt mehr Zeit als einen verregneten Nachmittag, dachte ich. Und ich war mir auf einmal nicht sicher, ob ich die nötige Geduld dafür aufbringen würde. Außerdem hatte ich ja auch gar nicht genug Legosteine.

Dann schaute ich mir „The Core“ an und fand die Idee, dass man den Erdkern einfach anhalten müsste, viel praktikabler. Ich brauchte ja nur einen langen Bohrer und ein paar Atombomben. Ich nahm ein paar der Konservendosen aus dem Gelben Sack und spülte sie sorgfältig aus. Dann rief ich bei Saddam Hussein an, der damals ja noch lebte, und fragte höflich, ob ich wohl ein bisschen Waffenfähiges Plutonium haben könnte.
„Kein Problem“, sagte Saddam. „Geh einfach in meinen Palast und schau mal unter meinem Bett, da müsste noch eine Kiste sein.“
Ich dachte, so bei mir, dass Saddam Hussein eigentlich ein ganz netter Kerl sei und gar nicht so fies, wie er immer in den Nachrichten dargestellt wird.

Schwierig wurde es, als ich nach einem Bohrer suchte, der bis in den Erdkern reicht. Leider fand ich meinen eigenen nicht mehr. Ich weiß nicht, ob der im Chaos im Werkzeugkasten einfach verloren ging oder ob ich ihn meinem besten Freund ausgeliehen hatte. Der wollte nämlich auch ein Loch in den Erdkern bohren, um Heizkosten zu sparen. Ich dachte kurz nach, dann fiel mir ein, dass der Shell-Konzern ja schon seit längerem tiefe Löcher in die Erde bohrt, und vielleicht haben die einen gebrauchten Bohrer, der bis in den Erdkern reicht und würden ihn mir für einen Tag ausleihen, gerne auch gegen eine kleine Gebühr. Im Telefonbuch fand ich leider keine Telefonnummer der Verleihzentrale von Shell, also rief ich beim Amt an und fragte höflich, ob ich wohl weiter vermittelt werden könnte. Leider muss das Fräulein mich falsch verstanden haben, denn ich erreichte nicht den Shellkonzern, sondern eine gewisse Frau Birkenstock, die in der Informationszentrale der Gedächtnisstätte Auschwitz-Birkenau arbeitete und leider auch keinen Bohrer hatte.

„Aber wofür brauchen sie denn so einen langen Bohrer?“ fragte sie und ich glaube, sie war wirklich interessiert.
„Um ein paar Atombomben in den Erdkern zu schicken“, sagte ich. „Wie in dem Film, wissen sie?“
Sie sagte, sie wisse schon, was ich meinte, aber sie fände den Film nicht so toll. Ich sagte, darum ginge es ja auch gar nicht, denn ich wollte den Planeten ja auch gar nicht retten, sondern zerstören.
„Ja, aber warum das denn?“ fragte sie und ich glaube, sie wahr wirklich erschrocken.
„Weil wir gestern gegen Italien rausgeflogen sind“, sagte ich.
Sie frage mich, ob ich ein Fußballfan sei. Nein, sagte ich, ich sei eigentlich recht uninteressiert an Fußball, aber mir täten all die Menschen leid, die jetzt mit der Enttäuschung leben müssten, gegen Italien rausgeflogen zu sein.
Sie sagte, sie könne das nicht verstehen. „Immerhin sind doch schon viel schlimmre Dinge passiert und die Menschen haben danach nicht versucht, die Welt zu zerstören. Nehmen sie zum Beispiel den Holocaust, ich muss es ja wissen, denn ich arbeite ja hier. Da wurden viele Menschen umgebracht und keiner von denen hat nachher versucht, die Welt zu zerstören.“
Ich überlegte kurz, ob ich darauf antworten sollte, weil man ja gerade im Internet ganz andere Dinge liest, unterließ es dann aber. Sie schien mir sowieso schon aufgeregt genug. Und, wenn ich ehrlich bin: Ein bisschen nachdenklich bin ich schon geworden. Ich bedankte mich höflich und fragte, mehr aus Gewohnheit, was sie denn heute Abend noch machen würde. Sie sagte, sie müsse bis 19 Uhr arbeiten, hätte danach aber Zeit für ein bisschen zwanglosen vorehelichen Sex.
„Das klingt doch gut“, sagte ich und hänge den Hörer ein.

Ich setzte mich wieder an meinen Schreibtisch und trank noch einen Schluck Milchkaffee, der über die ganze Planung und das ganze Filmgucken natürlich längst kalt geworden war und nahm noch einen Bissen von dem Milchbrötchen, das zwar schon ein bisschen trocken war, aber immer noch gut schmeckte. Dann wollte ich bei der Bahn anrufen und mir ein Zugticket nach Bagdad reservieren lassen, um mir mein Plutonium zu holen, als ich zufällig auf den Fernseher blickte, den ich stumm geschaltet hatte. In allen Nachrichtensendungen war zu hören (natürlich erst, nachdem ich den Ton wieder eingeschaltet hatte), dass man letztendlich doch die Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden hatte – Unter dem Bett von Saddam Hussein. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Bestimmt hatte man mein Telefonat mit Saddam Hussein abgehört. Da war ja klar, dass ich so schnell nicht mehr an Plutonium herankommen würde, denn Kim will ich nicht anrufen, dem schulde ich noch Geld.

Und so geschah es, dass ich an diesem Mittwoch, nach dem wir gegen Italien rausgeflogen waren, die Welt nicht zerstörte, obwohl mir mein bester Freund tags drauf meinen Erdkernbohrer in tadellosem Zustand zurückbrachte. Ich habe noch ein bisschen ferngesehen (Spongebob) und bin dann ins Bett gegangen, nachdem ich bei der Deutschen Bahn ein Zugticket nach Auschwitz-Birkenau habe reservieren lassen. Man muss sich ja alle Möglichkeiten offen lassen, sage ich immer.
 
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Kraven

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Ausdrücklich kein politisches Statement. Mehr Kurt Cobains vielzitierte Teenage Angst, nachdem ich sie in die Finger bekommen habe :D

Versprochen

Die Kugel hat mich kurz unterhalb der letzten Rippe erwischt und dabei einen Großteil meiner Eingeweide zerfetzt. Der einzige Grund, warum ich noch weiter laufen kann, ist das Koks, das ich mir auf der Herrentoilette reingezogen habe, bevor das alles hier losging.
Janneck hat mich angesehen, bevor er abgedrückt hat, diese bleiche, magersüchtige Gestalt in zerrissenen Klamotten und einem Revolver in der Hand. Meine Güte, ich wette, es war ein Nagant. Gott allein weiß, wo er so ein Museumsstück her haben sollte, aber es kann nur ein Nagant sein. Eine sowjetische Waffe. Eine Kommunistenwaffe. Janneck würde sich eher die Zunge abbeißen, als eine amerikanische oder deutsche Waffenfirma zu unterstützen; in seinen Augen würde es ihn zu einem Mitläufer des Faschismus machen.
Ich muss husten, und feiner, roter Nebel stiebt aus meinem Mund hevor, um sich danach auf meinem Hemd auszubreiten, als ich weiterlaufe. Armani, hundert Euro. Es war als geselliger Abend geplant, also wollte ich nicht zu dick auftragen und etwa ein maßgeschneidertes Hemd anziehen.
Ich muss das Lachen unterdrücken. Lachen ist schlecht, ich würde mich wahrscheinlich an meinem eigenen Blut verschlucken. Aber herrje, hundert Dollar für ein Hemd! Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich höhnisch über jeden gegrinst, der so viel am ganzen Leib trug. Sklaven des Konsums, schwanzlutschende Huren des Kapitalismus.
Faszinierend, wie sich manche Ansichten ändern können. Und wie überrascht wir dann sind, wenn sich unser altes Leben dann doch noch mal zurückmeldet.

Damals waren wir vier, fünf Leute, eine kleine Gruppe aus Versagern und Verlieren, die sich die Haare bunt gefärbt hatten und glaubten, so der Welt ihr Ressentiment entgegen schleudern zu können.
Es war eine Sommernacht, die komplette Stadt glühte noch von der Hitze des Tages, und wir hatten es uns auf einem der vielen Goethe-Denkmäler in der Nähe der Oper bequem gemacht. Tine hockte zu Füßen des toten Dichters und war inzwischen nicht mehr ansprechbar, während Mücke und Ras ihre Füße vom Statuensockel baumeln ließen und sich leise unterhielten.
„Schau sie dir an,“ sagte Janneck und deutete auf die Besucherscharen, die gerade aus der festlich beleuchteten Oper kamen. Wir saßen beide auf den unteren Stufen der Sandsteintreppe, die zum Denkmal hoch führte, und teilten uns eine Dose Bier. „Schau sie dir an. Geben fünfzig Euro aus, um sich Musik von Leuten anzuhören, die seit zweihundert Jahren tot sind. Und sie tun es nichtmal, weil ihnen die Mucke gefällt. Sie tun einfach nur so als ob, um als kultiviert zu gelten. Ich wette, die Hälfte von denen hat gehofft, ihren Chef zu treffen.“
Ich lächelte. „Muss doch ein tolles Leben sein. Suchen in ihrer Freizeit den Chef, um ihm auch da noch in den Arsch kriechen zu können. Lassen sich dann nach Hause fahren, gehen schweigsam ins Bett, ficken am nächsten Tag ihren jeweiligen Geliebten.“
„Setzen das Koks von der Steuer ab.“
„Und die Vaseline,“ krähte Mücke zu uns herab und fing an zu lachen. „Gilt als Werbekosten, weil's das Arschkriechen ungemein erleichtert.“
Janneck zeigte auf einen mageren Mitt-Dreißiger, der gerade in sein Auto stieg. Seine Haare waren so stark mit Pomade eingeschmiert, dass sie am Kopf klebten.
„Seht ihr, der macht´s gleich richtig. Allzeit bereit. Sobald sein Chef in Position geht, muss er nur noch mit dem Kopf voran loshechten.“
Es fiel mir schwer, mitzulachen. Ich beobachtete die Menschenmenge, die sich weiterhin unaufhaltsam aus der Oper ergoss, ohne ein Ende nehmen zu wollen. Wohin man blickte, perfekt modellierte Frisuren, falsche Wimpern, gelaserte Augen, goldene Rolexuhren. Eine Welt in Plastik.
Janneck stieß mich an. „Was ist los? Warst schon lange nicht mehr so.“
Ich schüttelte den Kopf, versuchte, die Gedanken abzuschütteln. Es gelang nicht.
Ich schaute Janneck an, legte dann den Kopf in die Schultern, um hoch zu Mücke und Ras blicken zu können.
„Was glaubt ihr, wie wird man so?“
Sie runzelten die Stirn. „Wir wird man wie?“, fragte Ras.
„So“, sagte ich und zeigte auf die Oper. Langsam kam der Strom ins Stocken, nur noch einige wenige Nachzügler verließen das Gebäude und riefen sich ein Taxi. „Genau so. Wo kommen die her?“
Janneck zuckte die Schultern. „Wo kommen Nazis her?“
Mücke fing wieder an zu lachen und begann ein Lied zu singen.
„Wo kommen all die kleinen Nazis her? Wer rasiert ihnen die Schädel? Sind frustriert und traurig, haben gar kein Mädel...“
Janneck ließ sie singen und sah mich weiter an. „Wir wird man 'ne Glatze? Oder Volksmusiker? Es gibt immer Leute, die das für ne gute Idee halten. Ist doch keine Neuigkeit, dass es bescheuerte Menschen gibt.“
„Das mein ich gar nicht,“ antwortete ich. Ich trank noch einen Schluck aus der Dose und reichte sie an ihn weiter. „Habt ihr nicht manchmal Angst, auch so zu werden?“
Janneck und Ras lachten. Ras drückte Mücke ein Stück zur Seite, um das Ohr freizukriegen. Sie fiel quer hin und sang ungerührt weiter.
„Was meinst du?“, fragte er. „Dass ich morgen in die Zentralbank marschiere, dem obersten Manager n Joint anbiete und und daraufhin zum Verantwortlichen Rechenknecht von Westeuropa werde?“
„So ein großer Witz ist das gar nicht,“ antwortete ich. „Es gab schon Leute, die haben´s so zum Außenminister geschafft. Oder ins Euro-Parlament.“
Janeck winkte ab. „Es gibt immer Leute, die abspringen. Aber was scheren dich die? Wichtig ist doch, was du aus dir machst. Du, sonst niemand.“
„Ja, aber versteh doch... die wurden... boah Mücke, könntste mal für ne Sekunde die Klappe halten?!“
„Unterdrücker!“ kam prompt die geschriene Antwort. „Faschist!“
„Jetzt versteh ich, was du meinst“, grinste Janneck. „Der Wandel kam schnell.“
Mein Fuß trat vor, ins Leere. „Ihr versteht gar nichts,“ murmelte ich. „Schaut´s euch doch an. Die paar wenigen Altpunks, die es gibt, sind Szenepromis, überall bekannt. Haben Seltenheitswert. Irgendwann hören sie alle auf, nehmen Jobs an, Familie, Kinder, ein Hund und ein Eigenheim, und willkommen im goldenen Käfig. Haben Häuser besetzt, in denen heute genau die Bonzen wohnen, die sie immer bekämpft haben, und denen sie heute den Schwanz lutschen, um nicht im Beförderungsstau zu verrecken. Es ist... es ist als würde das Leben sie irgendwie einfangen... sie besiegen.“
„Und du glaubst, bei dir wird das auch so?“
„Ich weiß es nicht! Aber kannst du mir garantieren, dass es nicht so wird? Dass ich nicht bereits morgen nen Kredit für ein Cabrio aufnehme? Ich will das nicht. Ich will nicht zu so einem Zombie werden.“
„Na dann ist die Sache doch ganz einfach,“ meinte Mücke über mir, drehte sich auf den Bauch und ließ sich langsam kopfüber an dem Sockel zu mir herunter. Für einen kurzen Moment rutschte sie ab, bis Ras sie an den Füßen packte und festhielt. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimenter von meinem entfernt, und ihr Haar strich mir ins Gesicht. „Ich hab all die Filme gesehen. Für Zombies braucht man Schrotflinten. Oder Armbrüste. Sobald ich sehe, dass du anfängst, ein Haus zu bauen, besorg ich mir eine Bazooka und spreng dich mitsamt deinem Heim in die Luft.“ Sie drehte den Kopf leicht hin und her, während sie ihr Spiegelbild in meinen Augen betrachtete. „Kaboom!“
Ich lächelte nicht. „Versprich es mir.“
Sie blinzelte. „Hä?“ Dann wurde unser Blickkontakt unterbrochen, als Ras sie zurück nach oben zog. Mücke fing an zu schimpfen. „Lass mich, Mann, wir haben hier gerade nen echt tiefen Moment! Ey!“
Janneck lachte nicht, sah sie nichtmal an. Er betrachtete mich.
„Meinst du das ernst?“
Ich nickte. „Sollte ich jemals so werden, Rolex, Porsche, Ehefrau und zwei Geliebte... legt mich um. Schnappt euch ne Knarre und pustet mich weg.“
„Jo,“ meinte Ras über mir. „Kann es sein, dass du da grade verdammt schlechten Shit geraucht hast?“
„Nein,“ antwortete ich, um dann zu lächeln. „Okay, ja. Aber das ändert doch nichts. Ich sag hier grad die Wahrheit, okay? Manche Wahrheiten sind universell, die gelten immer. Ich hab keine Ahnung, wie ich in ein paar Jahren drauf bin. Aber sollte ich so sein... hey, dann hab ich den Tod verdient.“
Janneck betrachtete mich weiter, ohne auf Mücke und Ras' Sprüche zu achten. Er sah mich nur an, seinen besten Freund. Dann nickte er.
„In Ordnung“, sagte er nur.
Ich lächelte. „Danke.“
Ich trank noch einen Schluck und reichte ihm die Dose. Er trank auch, und besiegelte damit unseren Vertrag.

Ein Jahr später erwischte ich Janneck mit meinem Mädchen im Bett. Ein weiteres Jahr später begann ich mit meinem BWL-Studium.
Und jetzt, fünf Jahre nach unserem besiegelten Schwur, taucht Janneck auf, aus dem Nichts, und noch bevor ich irgendwas sagen kann, ihn beschimpfen, ihn ignorieren, legt er auf mich an und drückt ab. Scheinheilige Ratte.
Ich taumle, versuche, mich an der mit Grafitti übersäten Backsteinmauer festzuhalten, rutsche ab und falle hin. Ein stechender Schmerz zuckt durch meinen Bauch, als ich hinfalle, und mein Schrei wird durch das Blut erstickt, das sich in meinem Mund gesammelt hat. Ich versuche langsam, mich wieder aufzurichten, schaffe es aber nicht. Nach einer Weile gelingt es mir zumindest, mich sitzend gegen die Wand zu lehnen. Ich sehe mich um. Janneck ist nicht zu sehen, vielleicht habe ich ihn abgehängt. Mühsam ziehe ich mein Handy aus aus der Gesäßtasche und wähle 110.
Notruf, wer spricht da.
„Bitte schicken Sie mir einen Krankenwagen,“ flüstere ich. Mir wird langsam schwarz vor Augen, es fällt schwer, mich zu konzentrieren.
Wer spricht da und wo sind Sie?
Keine Ahnung, wo ich bin. Ich bin blind auf die nächste Straße zu, die ich finden konnte, wollte hin zu Leuten. Scheinbar bin ich geradewegs in die falsche Richtung gelaufen, hier ist niemand zu sehen, schon gar kein Straßenschild. „Irgendwo in der Nähe der Oper. Können sie vielleicht das Signal des Telefons aufspüren? Hallo? Geht das?“
Hinter mir ertönt das Geräusch von Springerstiefeln auf Asphalt, und mir steigen Tränen in die Augen. Ich bekomme die Antwort des Polizisten nicht mehr mit, lasse das Handy sinken und schaue Janneck an. Er lächelt.
„Mann, ich hab für einen Moment echt Schiss gekriegt, dich zu verfehlen“, meint er. „Aber alles in allem war die Blutspur ganz gut zu erkennen. Dachte eigentlich, der erste Angriff wäre schlimm genug gewesen.“
Ich schaue ihn an, sehe diese vertrauten Züge, dir mir einst an einem Denkmal weniger hundert Meter von hier ewige Kameradschaft geschworen haben.
„Bitte tu das nicht,“ flüstere ich. Janneck schüttelt den Kopf und geht vor mir in die Hocke, der Revolver baumelt locker in seiner Rechten. Er lacht leise.
„Du wusstest damals wirklich gut Bescheid über dich, hm? Aber keine Angst, ich steh zu meinem Wort.“
Er streicht mit seiner Hand sanft über meine Wange. „Ich weiß, dass ich damals mit Alissa einen Fehler gemacht habe. Dass es ganz egal ist, wie besoffen ich war.
Aber ganz ehrlich, die Reaktion war übertrieben. Es war ja nicht so, dass du mich bestraft hättest. Du hast dich selbst aus purem Trotz verraten.“
Er schüttelt den Kopf, und ein Büschel metallicroter Haare weht vor seinem Gesicht hin und her.
„Wir waren die besten Freunde, daran denke ich fast jeden Tag. Und ich habe dir damals etwas versprochen. Ich halte das.“
Ich will ihn bitten, das nicht zu tun. Ich will ihm erklären, dass ich damals betrunken war und high und einfach nur das Maul zu weit aufgerissen habe. Alles, was zustande kommt, ist ein mühseeliges Keuchen.
„Ksch,“ macht er und streicht mir über die Lippen. „Es ist egal, was du jetzt sagst. Du wusstest damals genau, was du willst. Du wolltest, dass ich es dir verspreche. Ich weiß, dass du mir nicht verzeihen kannst, aber du sollst wenigstens sehen, dass ich als Freund keine komplette Katastrophe bin.“
Er küsst mich auf die Stirn. „Mach´s gut, Mann.“ Er setzt den Revolver an. Ich zucke, will schreien, kann es nicht, weil er mir den Mund zuhält. Janneck drückt ab, einmal, zweimal. Heißes Blut läuft meine Kehle hoch, meine Fingernägel kratzen über den Asphalt und brechen ab, ich rieche Dreck und Scheiße, rieche Schießpulver, und über all dem sehe ich Janneck, der mir immer noch freudig zulächelt und seine letzte große Freundestat vollbringt. Dann verschwimmt sein Gesicht, und Stille kehrt ein.
 

Aletheia

Sternlichtgespenst
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baker street

Die Sonne scheint, es ist ein neuer Morgen.
Du schlägst die Augen auf, und du fühlst sie, diese Orientierungslosigkeit, wie sie zuweilen nach dem Erwachen aus dem Tiefschlaf auftritt. Du weißt für einen Moment weder wo, noch wer du bist, und du brauchst einige Sekunden, bevor du dich in dem Zimmer zurechtgefunden hast.
Du liegst in einem Bett, so weit scheint es dir logisch, und du siehst geöffnete Fenster, draußen scheint die Sonne, der Himmel ist blau, eine leichter Wind bläht die weißen, fast durchsichtigen Vorhänge auf, lässt sie zusammen mit tausend Staubpartikeln durchs Zimmer tanzen, ein ruhiger, doch fröhlicher Tanz. Du hörst Vögel singen, und du denkst, es muss wohl Frühling sein, dann fällt dir ein, dass die gleichen Vögel auch den ganzen Winter hindurch gesungen haben.
Du siehst dich um in diesem Zimmer, das dir entfernt bekannt vorkommt, und langsam gewöhnst du dich an den Gedanken, es könnte das deine sein. Was noch die zweite Frage offen lässt, aber in philosophischen Fragen, daran meinst du dich zu erinnern, warst du noch nie besonders gut.

Wandelnd durch das Elternhaus, das dir Kindheit und Jugend bedeutet, in dem jedes Zimmer, jedes Objekt an Erinnerungen geknüpft ist, erfährst du dich selbst, wieder und wieder – aber die Frage bleibt, diese Frage, die vielleicht das wichtigste ist. Wenn all das deine Vergangenheit ist, was ist dann deine Gegenwart? Und wo liegt deine Zukunft?
Hier, in den verstaubten, lichtdurchfluteten Zimmern liegt sie nicht, das spürst du mit solcher Intensität, dass es an Wissen grenzt.
Dort draußen, jenseits der Fenster, dort ist es, wo du deine Suche beginnen wirst, obwohl du nicht einmal weißt, dass es sich um eine Suche handelt, obwohl es auch auf den zufälligen oder absichtlichen Beobachter nicht nach einer Suche aussehen wird, eher nach ziellosem umher irren. Aber was wäre besser geeignet, etwas zu finden, von dem man nicht genau weiß, was es eigentlich ist?

Erst Jahre später fällt dir auf, dass du nach etwas suchtest, das man gemeinhin Heimat nennt, und von dem du inzwischen weißt, dass es im Herzen liegt – bei denen, die man Freunde nennt und fühlt.
Doch für den Moment ist deine Suche noch Form- und ziellos.

Du wanderst durch Straßen, und siehst anderen Menschen dabei zu, wie sie ihren Tag beginnen. Du fragst dich, wohin sie wohl gehen, oder zu wem, was ihr Leben beinhaltet, bestimmt, ob sie sich eigentlich ihrer eigenen Existenz bewusst sind, sich bewusst sind worum sich ihr Leben dreht. Viele der Menschen, die du siehst, zu dieser Zeit auf der Straße, tragen Anzug und Aktentaschen, und sie gehen schnell, zielstrebig, während du trödelst, dir die Zeit nimmst, deine Umgebung auf dich einwirken zu lassen. Noch nie ist dir aufgefallen, wie viele Bäume es eigentlich in dieser Straße gibt, und auch nicht, dass niemand sie wahrzunehmen scheint. Sie werden hingenommen, sicher, aber wer freut sich schon darüber, über diese sorgfältig gestutzten Restbestände der Natur tief in der Stadt?

Dir kommen zwei Männer entgegen, der eine jünger als der andere, so viel siehst selbst du, obwohl du noch nie gut darin warst das Alter von fremden Personen einzuschätzen. Das von bekannten Personen übrigens auch nicht. Was immer dich dazu veranlasst, du weißt es nicht mehr, aber du lächelst ihnen zu, sie lächeln zurück, und ihr kommt ins Gespräch. Worum es geht ist letztlich belanglos. Vielleicht tauscht ihr nur Höflichkeiten aus, vielleicht redet ihr über das Wetter, sicher redet ihr nicht über Politik, vermutlich über die wichtigen Dinge im Leben, nachdem sich in der Art des sich-unterhaltens schon eine Vertrautheit eingestellt hat, die es scheinen lässt, als würdet ihr euch schon seit Jahren kennen, mindestens. Du erkennst in den anderen Spiegelbilder deiner selbst, unmerklich verzerrt, älter, mit anderen Erfahrungen, aber dir und deinem Wesen so nahe, das du glaubst, es könnten genauso gut deine Brüder sein – und aus ihren Worten hörst du heraus, dass sie es ebenso empfinden, dass auch sie vielleicht auf der Suche waren, und ebenso unverhofft wie du fündig wurden.
Ohne es zu merken seid ihr weiter gegangen und habt dabei einen Weg eingeschlagen, den keiner von euch geplant hatte, doch keiner von euch stört sich daran, keiner merkt es an, aber bemerken tut ihr es, spätestens an dem Punkt, zeitlich und örtlich, als sich euer Weg trennt. Voraussehbar ist es gewesen, vielleicht sogar geplant – dennoch seid ihr überrascht und vielleicht sogar ein wenig verunsichert, als es dann so weit ist, und niemand weiß mehr, was er sagen wollte oder sollte.
Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, Zeit lässt sich auch nicht verlangsamen, das weißt du, aber noch nie hast du es so schmerzhaft deutlich empfunden wie an dieser Kreuzung.
Du läufst los, und zu Beginn blickst du dich noch so oft um, dass du dich kaum auf den Weg konzentrieren kannst der vor dir liegt. Du weißt, es hat keinen Zweck in der Vergangenheit zu leben, und du weißt, du solltest dich auf das Jetzt konzentrieren, aber du kannst nicht. Zu stark die Bänder, die dich noch halten, die Sicherheit versprechen, Halt geben, dich aber auch festhalten, zurückhalten, fesseln. Du selbst hast dich festgebunden, und du selbst wirst dich wieder zu befreien wissen, wenn die Zeit dafür gekommen ist, doch der Prozess des Loslösens ist kein einfacher, schmerzfreier – dafür meist verbunden mit dem Entdecken neuer Möglichkeiten, neuer Anknüpfungspunkte, neuer Bindungen. Ein endloser Kreislauf.

Du bist in einem anderen Viertel angekommen. Du wohnst schon lange in dieser Stadt, aber in diesem Teil, da bist du dir sicher, warst du noch nie. Die Menschen sprechen anders, und sie sind auch anders. Du spürst, dass ihre Wesensart und die deine miteinander kollidieren, und du weißt, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis etwas nachgeben muss – bis du nachgeben musst. Du denkst, dass Anpassen keineswegs eine Niederlage ist, dass es ganz im Gegenteil ein erstrebenswertes Ziel ist, dass du dazulernst mit jedem angenommenen Charakterzug, jeder neuen Gewohnheit die einst nicht die deine war. Du versuchst, Teil eines größeren Ganzen zu werden, und obwohl du nie ein Wort der Zurückweisung hörst, weißt du doch mit Sicherheit, dass du nie zu einem Teil werden kannst, nie in solchem Maße wie andere es können, oder sind, vielleicht schon seit ihrer Geburt, hinein geboren in eine Gesellschaft, in eine Umgebung, in einen festen Freundeskreis, in eine Zukunft, sicher oder nicht.

Und du triffst Leute, glaubst, Nähe zu fühlen, glaubst, verstanden zu werden, geschätzt zu werden, und es ist wohl so. Doch siehst du das Gute im anderen an sich, oder siehst du nur das Interesse, das dir entgegengebracht wird? Was kannst du in diesen kurzen, aufblitzenden Begegnungen schon vom Charakter der anderen Stadtgestalten sagen, die wie du verloren sind in Straßenschluchten und Anonymität?
Und in der Gegenwart von anderen fühlst du dich geborgen, für eine bestimmte Zeit kannst du – könnt ihr, gemeinsam – der Kälte und dem einzeln-sein trotzen, könnt ihr einander etwas geben. Ihr lebt für den Moment, ihr fragt nicht nach dem, was war, und auch nicht nach dem, was sein wird, denn das einzige, was euch interessiert, ist der kostbare Moment, das Jetzt und Hier, denn das ist, was Licht und Wärme verspricht – Gestern und Morgen liegen im Dunkeln.
Und dann, so plötzlich wie sie begonnen haben, enden die Begegnungen, Menschen, Freunde, Liebhaber verschwinden in den Schatten aus denen sie aufgetaucht sind und lassen nur Erinnerungen zurück, weitere Stücke Vergangenheit, ein stets ferneres Gestern.

Was bleibt, bist du und deine Gegenwart, die niemand teilt. Dir kommt der Gedanke, dass der Moment seine Schönheit erst durch die Menschen erhält, mit denen wir ihn teilen können, und du fragst dich, wohin all die Menschen verschwunden sind, die dich einst auf deinem Weg begleitet haben. Einst, erinnerst du dich, hast du dich nicht mit dem Gedanken abfinden wollen der besagt, dass Freunde die Menschen sind, die uns ein Stück unseres Weges begleiten, mal längere, mal kürzere Zeit, denn du wolltest nicht daran denken, dass etwas dieser Art je enden könnte. Jetzt stehst du wieder allein, obwohl dein Weg noch lange nicht zu ende ist. Und auch wenn du dich umdrehen kannst um das Gewesene zu betrachten, einen Weg zurück gibt es nicht. Es geht immer nur vorwärts, und manchmal, denkst du bei dir, ist es wichtig, dass wir uns das bewusst machen. Und weitergehen.

Du gehst weiter, und du kehrst dadurch zurück zu jener Kreuzung, an der du früher an diesem Tag zwei Freunde verabschiedet hast. Sie haben nicht gewartet, und das wäre wohl auch zu viel verlangt, denn inzwischen ist der Abend hereingebrochen, du warst viele Stunden fort. Du trauerst, denn du weißt um die Besonderheit dieser Begegnungen, und du gestehst dir ein, dass du gehofft hast.
Du siehst den jüngeren der beiden Männer, ein paar hundert Meter voraus, er ist weiter gegangen, natürlich ist er weiter gegangen, warum sollte er stehen bleiben, wenn das Leben selbst weiter geht? Und er geht nicht allein, doch es ist nicht mehr der Ältere, der ihn begleitet, sondern eine Frau, du kennst sie nicht, doch du erkennst die Vertrautheit zwischen den beiden, du siehst die verschmelzenden Hände in der Abenddämmerung. Sie gehen in ein Haus, und du kennst dieses Haus. Du warst dort, und wenn auch nur in Gedanken, in Ideenbildern die du aus Erzählungen kennst. Viele Male warst du dort, und die Türen standen dir offen, bei jedem deiner Besuche warst du ein willkommener Gast. Du machst dir bewusst, dass ihr eigentlich mehr Zeit miteinander verbracht habt, als man an einem einzigen Tag beschreiben kann, und dass ihr euch selbst jetzt noch nahe steht, obwohl die wachsende räumliche Distanz diese Nähe zu verspotten scheint, sich immer wieder in all ihrer erschreckenden Deutlichkeit aufdrängt, wie um die Unmöglichkeit der Nähe und Vertrautheit zu unterstreichen.
Was ihr nicht gelingt, gelingt der anderen – du folgst ihm nicht, denn du kannst ihm schon nicht mehr folgen. Vielleicht, denkst du, bist du zu spät gekommen, oder vielleicht hat der Weg, den du vor dir nun versperrt siehst, für dich nie existiert. Was auch immer der Grund sein mag, diese Richtung ist die deine nun nicht mehr, und suchend blickst du dich um, auf der Suche nach einer neuen Orientierungsmöglichkeit, einem Anhaltspunkt, irgendeinem Hinweis, der dir den Weg zu weisen vermag.

Eine Kneipe auf der anderen Straßenseite fängt deinen Blick, und du denkst, wenn du ohnehin schon nicht weißt, wohin oder zu wem du jetzt gehen sollst, dann kannst du auch einen Augenblick innehalten. Schließlich weißt du nicht einmal, ob es das, wonach du suchst und auch nicht suchst, wirklich gibt.
Du betrittst einen Raum, gefüllt mit dem Dunst inzwischen erkalteter Asche und längst getrunkener Getränke, und setzt dich an die Bar, auf einen dieser Hocker die dir noch nie wie ein sicherer Halt erschienen waren.
Außer dir gibt es nur einen einzigen anderen Gast, vor ihm steht ein halb leeres Glas (denn halb voll passt nicht zu seiner Erscheinung). Irgendwie kommt er dir bekannt vor, aber du kannst beim besten Willen nicht sagen, wo du ihm schon einmal begegnet bist. Es ist, denkst du, immer schwierig, Menschen außerhalb ihres gewohnten Kontextes einzuordnen.
Vielleicht fällt es dir ja später wieder ein, denkst du, wenn du mehr Zeit mit ihm verbringst.
Er sitzt zusammengesunken und starrt vor sich hin, du kannst nur raten, wie viele Stunden oder Tage er sich schon dieser Beschäftigung widmet, aber wenn es nach dir ginge wäre jede Minute davon schon ein vergeudetes Leben.
Von außen zu urteilen ist immer leicht.
Du bestellst dir ein Getränk, das seinen Mangel an Alkohol durch eine Überdosis Zucker und Koffein ausgleicht, und es dauert nicht lange, bis du mit dem Mann ins Gespräch kommst. Es wird ein einseitiges Gespräch, denn dir ist nicht nach Reden zumute, ihm dafür um so mehr. Du erfährst seine Lebens- und Leidensgeschichte, und auch die Gründe, warum Frauen eigentlich der Teufel sind, zumindest aber Dämonen, der Hölle direkt entstiegen um die Männer zu peinigen, oder, wenn sie ihnen nicht mal diese Aufmerksamkeit gönnen, sie doch zumindest unerbittlich ignorieren. In Gedanken dankst du dem Leben, dass dir selbst die Erfahrungen bislang erspart geblieben sind, die dieser Mann gemacht haben muss um zu solchen Aussagen zu kommen. Du leerst dein Getränk und verlässt die Bar, denn dir ist, als hättest du vor dem Fenster jemanden vorbei gehen sehen der dir bekannt vor kam, bekannter als bekannt, vertrauter als vertraut.

Du siehst die Person vor dir, höchstens ein paar Schritt entfernt, und noch immer kannst du nicht sagen ob Bekannte oder Unbekannte, Freund oder Fremder. Der Abstand bleibt gleich, wenn du deinen Schritt beschleunigst, wird auch die Person vor dir schneller, wenn du langsamer wirst, ist es, als halte die Gestalt kurz inne, fast als würde sie auf dich warten – doch erreichen kannst du sie nie. Du siehst sie in eine Bahn einsteigen, die unweit an einer Haltestelle steht, die Türen schließen sich schon. Du rennst, denn irgend etwas sagt dir, dass viel davon abhängt, dass du jetzt noch auf diesen Zug aufspringst – und du schaffst es tatsächlich noch, bevor die Türen sich schließen, denn die Person, der du gefolgt bist, hat dir freundlicherweise die Tür aufgehalten.
Kaum ist der Zug in Bewegung, schaust du ihr ins Gesicht, und dabei fällt dir auf, dass sie doch nicht die ist, für die du sie gehalten hast.
Manchmal täuscht der Eindruck, schießt es dir durch den Kopf, und manchmal hast du mit deinen Einschätzungen so deutlich unrecht, dass das Bewusstsein um den Irrtum fast körperlich spürbar ist.

Doch jetzt hast du andere Dinge zu tun, denn suspekte Gestalten bewegen sich um dich herum, probieren mit dir zu interagieren. Du widersetzt dich zunächst, denn noch hast du nicht verstanden wo du bist, und wohin dieser Zug fährt, doch je länger du darin bist, desto weniger fällt dir auf, wie seltsam die Gestalten hierin sind, und welche sonderbaren Dinge sie eigentlich tun. Und langsam, schleichend, gewöhnst du dich an sie, so sehr, dass du Teil von ihnen wirst, so weit es einem Einzelmenschen in einer bestehenden Gruppe möglich ist. So sehr, dass du schließlich selbst zu einer von ihnen wirst, und dass auch dich die entgeisterten Blicke der Fahrgäste treffen, die sich durch Zufall auf diesen Zug verirren und so schnell wieder verschwinden dass es fast so ist, als wären sie nie da gewesen. Und in diesen Abteilen wird nicht lange über die nachgedacht, die dagewesen sind – wichtiger ist auch hier der Augenblick, aber in anderer Intensität.
Du bist lange unterwegs, und hast schon längst jedes Gefühl von Zeit verloren. Bist du erst Stunden hier, oder sind schon Tage vergangen? Waren beleuchtete Stationen gar keine Stationen, sondern in Wirklichkeit Tage mit hellem Sonnenlicht statt greller Neonlampen, bist du dabei, dein Leben an dir vorbeiziehen zu sehen wie ein Reisender in einem Zug vorbeiziehende Landschaften betrachtet, ohne daran teilzuhaben?
Du versuchst, dich daran zu erinnern was du gemacht hast, bevor du eingestiegen bist, und die Erinnerungen treffen dich mit der Gewalt der Reue. Du erinnerst dich an Gesichter, die schon fast verblasst sind, Menschen, die dir wichtig waren, und die diese Strecke nie gefahren sind, nie fahren werden. Du erinnerst dich, dass du viel zu Fuß gegangen bist, und dass du deine Sinne 'damals' ganz anders beanspruchtest als du es nun tust, nur die Landschaften und Lichter konsumierend.
Dir wird schwindlig, und dir wird schlecht, und du willst nichts lieber als dass es stoppt, aufhört, keine Bewegung mehr, keine Lichter mehr.
Der nächste Halt ist deine Chance, und wenn es keinen Halt gibt, dann musst du eben springen.

Doch dazu kommt es nicht, der Zug hält an.
Du steigst aus, und kühle, klare Nachtluft umgibt dich. Die Zugtüren schließen sich mit einem Zischen, der Zug fährt weiter, ohne dich. Das Haltestellenschild sagt dir, dass du in der falschen Richtung unterwegs gewesen bist, dass du weiter von deinem Weg abgekommen bist als du gedacht hattest. Seltsam, denkst du, noch im Moment des Einsteigens warst du doch davon überzeugt, es wäre ein Weg, dein Weg vielleicht, zumindest für einen kurzen Augenblick, eine kleine Strecke. Weitergebracht hat dich der Zug, aber wohin? Wo stehst du jetzt, und wer steht mit dir, jetzt, wo du ausgestiegen bist?
Du stehst allein, und du stehst im Dunkeln.

Und du gehst weiter, durch spärlich beleuchtete Straßen und in Dunkelheit verlorenen Parks in denen jeder Schatten eine Bedrohung scheint, du fühlst dich verloren, allein gelassen, bar jeder Hoffnung. Schon zweifelst du an, dass es überhaupt noch andere Menschen in dieser Welt gibt, dass es nicht nur Kommunikation, sondern auch Verstehen, Fühlen gibt.

Etwas leuchtet im Dunkeln vor dir auf, so plötzlich, dass du vor Schreck fast vergisst, dich zu erschrecken. Eine Katze.
Sie sitzt auf dem Asphalt und starrt dich einfach nur an, mit diesem Katzenblick der dir zu verstehen gibt, dass es keinen Zweck hat, auch nur zu versuchen, irgend etwas vor ihr zu verbergen, denn sie sieht geradewegs durch deine Augen in deine Seele.
Du gehst in die Hocke, langsam, um sie nicht zu verscheuchen, und dann wartest du. Du weißt nicht, was die Katze letztlich dazu bewegt, sich auf dich zu zu bewegen und um deine Knie zu streichen – es ist eine so urtümliche Form von Vertrauen, dass es dich rührt, auch wenn es zugleich für den Vierbeiner vielleicht nicht einmal etwas bedeutet. Die Katze zuckt nicht zurück als du die Hand ausstreckst um sie zu streicheln, und für einen Moment fühlst du eine Geborgenheit, die dir bis dahin fremd war, die vielleicht auch nur in solchen wortlosen, felinen Begegnungen erfahren werden kann.
Zeit verstreicht in einfachen Bewegungen, die gegenseitige Zuneigung auszudrücken vermögen, unmissverständlicher als Worte, die doch nur versuchen können zu beschreiben.

Die Katze verliert das Interesse, oder vielleicht besteht es noch, und wird nur vorübergehend von anderen Eindrücken überlagert, dringendere Bedürfnisse oder Signale, die eine größere Bedeutung für sie haben als die zufällige Begegnung mit dir.
Du erhebst dich wieder, schaust ihr nach bis sie in einem Vorgarten verschwindet. Spaziergänger auf der anderen Straßenseite scheinen dich zu mustern wie du versteinert auf dem Bürgersteig stehst, den Empfindungen eines Moments ergeben, der soeben vergangen ist.
Und du gehst weiter, wieder ohne Ziel, ohne bestimmte Richtung, ohne Absicht.

Absichtsloses umher wandern gibt es nicht, schießt es dir durch den Kopf, als du in diese Straße einbiegst, die du heute schon einmal betreten und verlassen hast, denn letztendlich hat man doch ein Ziel vor Augen, wenn auch nur unbewusst. Vielleicht tricksen wir uns selbst auf diese Weise aus, um dorthin zu gelangen wo wir gerne wären, auch wenn wir es uns nicht eingestehen wollen, denkst du, doch du wirst nicht langsamer. Noch langsamer werden hieße stehen bleiben, und warum stehen bleiben wo nichts ist?
Oder vielleicht ist es die Macht der Gewohnheit die deine Schritte geleitet hat, ohne dass du es wolltest. Oder vielleicht war dir schon seit langer Zeit klar, dass dich dein Weg letztlich hierher zurück führen würde, und all die Umwege, die du gelaufen bist, haben nichts anderes getan als dich darin zu bestärken.

Du läufst weiter, und durch das Schimmerlicht der Laternen erkennst du das Haus wieder, das – bewusst oder nicht – dein Ziel ist. Jetzt, angekommen, weißt du es sicher.
Du stehst eine Weile vor diesem Haus, und du siehst aus, als stündest du nur zufällig dort, als könntest du in der nächsten Sekunde wieder weitergehen, als wäre dir nur ein Gedanke in den Sinn gekommen der das Weitergehen kurz verhindert, bevor er wieder verschwindet, befriedet, und das Weitergehen gestattet.
Dein Kopf dreht sich zur Seite, und überfliegt den Vorgarten, bis zur Haustür. Es ist kein Licht zu sehen, das Haus scheint wie unbewohnt. Wie jedes Haus in diesen unwirklichen Stunden zwischen Nacht und Morgen. Und du weißt, es ist kein Zufall, dass deine Schritte dich hierher getragen haben, und auch nicht, dass du hier stehst. Es gibt keine Zufälle, denkst du, und deine Hand schließt sich um das Gartentor. Kaltes lackiertes Eisen, das, zusammen mit den sechs Metern bis zur Eingangstür, die letzte reale Barriere formt auf deinem Weg hierher. Es gibt keine Zufälle, aber es gibt Willen, Entscheidungen.

Und es gibt Zweifel, merkst du, nachdem du durch die Tür getreten bist. Natürlich war sie nicht abgeschlossen, das war sie noch nie, all die Male, die du hier warst – ein offenes Haus, zumindest für dich. Der Zweifel kommt erst im Flur. Du bist wieder hier, aber du bist nicht die einzige Person, die in diesem Trauerspiel eine Rolle spielt – und jetzt fragst du dich, ob er wohl noch hier ist. Du versuchst dir vorzustellen, wie er wohl reagieren wird, wenn du gleich vor ihm stehst, obwohl ihr erst vor so wenigen Stunden auseinander gegangen seid. Stunden, die dir wie Jahre erscheinen, und die euch ähnlich weit auseinander gebracht haben. Du merkst, dass es dir nicht gelingt seine Reaktion in Gedanken durch zu spielen, vielleicht auch nur, weil du dir nicht vorstellen kannst, dass er überhaupt noch hier ist.
Du stehst im Flur, und zum ersten Mal an diesem Tag ist dir kalt.
Du versuchst, dir Mut zu machen, du denkst an all die Dinge, die ihr gemeinsam durchgemacht haben, an die räumliche Distanz und an die Zeit, die unerbittlich dahin strömte, ohne jemals von euch Notiz zu nehmen. Dass ihr all das überwunden habt, ohne euch voneinander zu entfernen, ja sogar zueinander gefunden habt, Distanz und Zeit zum Trotz.
Dein Blick fällt auf die Tür zum Wohnzimmer, angelehnt, so, wie du sie vor Stunden (wirklich nur Stunden?) hinter dir gelassen hast. Man steigt nie zweimal in den gleichen Fluss, denkst du.

Dann stehst du im Wohnzimmer, und du siehst ihn am Tisch sitzen, im Dunkeln, und trotz der Dunkelheit kannst du sehen, dass er dich ansieht.
Sitzt er immer noch hier, oder schon wieder? Du kannst keinen Unterschied in seiner Haltung erkennen, und es gibt Gründe und Gegengründe für sowohl die eine als auch die andere Möglichkeit. Aber es ist nicht wichtig, das weißt du, denn er ist hier.
Du lächelst ihm zu, obwohl Mimik in der Dunkelheit keine Bedeutung hat.

Ihr steht euch gegenüber, während es langsam heller wird. Du kannst dich nicht erinnern, den Morgen je so bewusst wahrgenommen zu haben, mit jedem nur erdenklichen und möglichen Spektrum von Helligkeit und Farbe.
Ihr steht euch gegenüber, spürt Distanz und Nähe zugleich, wie es einst war, wie es immer gewesen ist, und wohl auch immer sein wird.
„Wo warst du“, fragt er, aber eigentlich ist es keine Frage. Eigentlich weiß er es schon, er muss keine Antwort auf seine Frage erhalten, denn er sieht es dir an.
Deine Gesichtszüge zeichnen deinen Weg nach, deine Haltung erzählt deine Geschichte.
Du weißt, dass dieser Tag dich geprägt hat, du weißt, dass es keinen Weg zurück gibt. Dass es nie einen Weg zurück gibt, und nie war es deutlicher als in diesem Augenblick.
Und dass es gerade deshalb wichtig ist, den Blick nach vorne, nicht nach hinten zu richten.
„Es ist nicht wichtig“, sagst du, „denn jetzt bin ich hier, und du bist es auch.“
Im Morgengrauen erkennst du ein Lächeln, als er aufsteht und auf dich zukommt.

Die Sonne scheint, es ist ein neuer Morgen.
Und du bist zu hause angekommen.


and when you wake up it's a new morning
the sun is shining it's a new morning
and you're going, you're coming home
 

Kraven

Lernender
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:up::)
Wunderschöner Erzählstil von der ersten Zeile an, und ein sehr schönes und melancholisches. Thema. Und irgendwie fühlte ich mich beim Lesen plötzlich verstanden... Einfach gut gemacht.
 

Lisra

Schmusekater
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06.02.2004
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Zustimmung. Du kannst es noch immer. :)

Siehst, es gefällt auch anderen..
 
Zuletzt bearbeitet:

Aletheia

Sternlichtgespenst
Registriert
11.08.2006
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Dazwischen.

Wir sitzen uns schräg gegenüber, und unsere Blicke flüchten voreinander.
Oder ist es nur meiner? Ich schaue kurz zu dir, du schaust gerade in die andere Richtung, zufällig?, ich schaue wieder weg. Zu groß die Angst, deine Augen würden die meinen einfangen, vielleicht im nächsten Moment schon, und was immer sich hinter meinen Augen befindet müsste verbrennen, unfähig, sich zu lösen, wieder wegzusehen.
Ich weiß nicht, welcher Logik diese Gedanken folgen, oder auch nur woher sie kommen, aber sie sind da.

Ich klammere mich an mein Glas, das Alibi, der Vorwand, ein Anhaltspunkt für meine unruhigen Hände, die sich ineinander verknoten oder mit Bierdeckeln spielen, die nicht still liegen können.
Ich bin nervös, denke ich ruhig, aber das ergibt doch keinen Sinn. Eine Situation wie jede andere, ein Abend wie immer.

Die Stille zwischen uns breitet sich aus, greift um sich. Ich suche in Gedanken nach all den Fragen, die ich dir schon immer stellen wollte, doch ich finde keine einzige von ihnen, die Stille ist auch in meinem Kopf angekommen, frisst mich von innen heraus auf bis nur noch eine Hülle übrig ist, die zwar noch so aussieht wie ich, sonst aber nicht viel mit mir gemeinsam hat.

Ich setze mich anders hin, frage mich, ob es Menschen gibt, die Barhocker wirklich bequem finden, oder ob sie, ähnlich wie schlechte Musik, u den Dingen gehören, die man mehr und mehr ignoriert oder gar akzeptiert, wenn man nur betrunken genug ist. Entscheide mich dann dagegen, das im Selbstversuch herauszufinden.

Mein Blick huscht zu dir herüber, du hast dich wieder zu mir gedreht, schaust mich an.
Wie lange schweigen wir schon?

Ich fühle das Bedürfnis, deine Hand zu nehmen, vielleicht, um die Stille so zu überbrücken, vielleicht, um mich zu vergewisern, dass du wirklich da bist, immer noch.
Doch der Abstand, den wir selbst so gewählt, geschaffen haben, als wir uns setzten, dieser verdammte Abstand von vielleicht zwanzig Zentimetern scheint mir unüberwindbar.

Ich nehme noch einen Schluck. Ausweichhandlung, nicht nur für die Hände, auch für die Lippen, die Zunge, wortlose Erklärung meines Schweigens.
Ist das der Grund, warum so viele Menschen Orte wie diesen mit so großer Regelmäßigkeit aufsuchen? In diesem Moment könnte ich es fast verstehen, doch wir sind die einzigen in diesem Raum, die sich still gegenübersitzen.

Meine Augen sind deinen entkommen, springen jedoch sofort zu dir zurück, wandern dein Gesicht entlang. Du beobachtest mich, du lächelst – ein Anflug von Unsicherheit schwappt über meine nervöse Gedankenlosigkeit. Was ist daran so lustig?
Doch es ist kein Spott, jetzt erkenne auch ich den Unterschied, die Nuancen – ich lächle zurück, leere das Glas, suche deinen Blick, plötzlich ohne Angst.

„Gehen wir?“
„Gehen wir.“

Auf dem Weg nach draußen atme ich noch einmal tief ein, nehme das Aroma und die Atmosphäre der schweigenden Nervosität noch einmal tief in mich auf, um sie dann, als wir (endlich?) wieder auf der Straße stehen, in einer weißen Atemwolke aus mir zu verbannen, zumindest für den Moment.

Und wärst du nicht schon losgegangen, hätte ich deine Hand genommen, ganz bestimmt.
 

Lisra

Schmusekater
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Zwischenmoment

(Um mal an den Trend hier anzuknüpfen..)

Die Gedanken verschieben sich ins Abstrakte, als die Finger über der Tastatur schweben, lauernd. Sie suchen nach einem Symbol, einer Scheinrealität, die erzählen soll, ohne zu viel zu verraten. So viele Momente würden passen. Ein kalter, schwarzer Morgen im Dezember. Ein zu langer Abend an dem sich die Sekunden dehnen. Ein Vormittag krank im Bett. Ein einsamer Gang nach hause. Das Singen eines romantischen Lieds. Der Blick auf ein Foto. Das tägliche sanfte Abgleiten der Gedanken, dass in Erinnerungen endet.
Aber die Finger bewegen zu sich etwas anderem hin, schlagen andere Sätze. Manchmal braucht es kein Symbol. Fallende Blätter im Herbst, eisiger Dezemberwind, schwache Frühlingssonne, nichts von dem muss einen kurzen Satz verstärken, der alles erklärt. Der Sessel quietscht beim Zurücklehnen und ist ein wenig, aber nicht völlig bequem. Der Satz schaut kalt von Monitor zurück.

Ich vermisse dich.
 

Kraven

Lernender
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(Um den Trend zur Mode zu machen :D Warnung, kitschige Grufti-Romantik^^ )

Das Geräusch von Schnee

Wie klingt der Schnee? Knirsch, knartz, so klingt er, als wir durch ihn hindurch schreiten, über das weiße Tuch, das er auf das Land gedeckt, und durch den verschleiernden Vorhang, der in der Luft liegt, Myriaden von Schneeflocken, die langsam aus dem grauen Himmel auf den Boden zu uns sinken. Knirsch knirsch klingt der Schnee, und es ist der einzige Laut, der zu hören ist in dieser in Watte gepackten Welt. Keine Verkehrslärm, keine Menschen außer uns beiden. Ein einziges Geräusch gibt es noch, eine Krähe, die aus einem Wald in der Nähe ihren Ruf erschallen lässt, die sich mit schlagenden Flügeln von ihrem Ast abstößt und über das Land fliegt, der einzige Kontrast außer uns zu dieser Landschaft. Sie sei willkommen in dieser Welt, die uns gehört.
Knirsch knirsch, und klirr, kalt ist sie, diese Welt, außer dort, wo unsere Hände einander umfassen, wo wir uns gegenseitig wärmen. Wir bewahren einander vor dem Erfrieren, durch die Art, wie unsere Finger und unsere Blicke einander berühren.
Zimt und Vanille, sage ich, und mit meinen Worten male ich die Bilder der warmen Hütte, die auf uns wartet, male dir die tönerne Tasse in deinen Händen, aus der heißer Dampf aufsteigt, male dir die tropfende Kleidung an der Garderobe, male dir das Feuer im Kamin und das Nest aus Decken, dass uns erwartet.
 

Lisra

Schmusekater
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Nix Kitsch, schön.
 
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