Relevant ist, dass sich nun jeder selbst ein Urteil darüber bilden kann, was davon wichtig ist, und nicht irgendwelche vorgefilterten und aufbereiteten Informationen kriegt wie das bei klassischen Medien der Fall ist.
Doch, natürlich bekommt man nur vorgefilterte und aufbereitete Informationen.
In gewisser Weise ist das sogar schlimmer als bei anderen Nachrichten.
Keine Privatperson kann man eben 250.000 Depeschen durchsehen, niemand kann sich realistischerweise selbst ein Urteil bilden.
Faktisch entscheiden also die "Medien-Partner", denen schon vorab die Informationen zugespielt wurden, nämlich The Guardian, Le Monde, Die New York Times, und Der Spiegel, welche Informationen wie interpretiert der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Der Spiegel hat angeblich 4 Monate lang mit 50 Redakteuren die Daten durchgesehen.
Die anderen, nichtbeteiligten Nachrichtenmedien werden jetzt mit Sicherheit nicht Zeit und Geld investieren, um selbst mühsam und Dinge zu recherchieren, die der Spiegel vielleicht schon hat und ihnen in zwei Tagen vor der Nase weg veröffentlicht.
Also müssen wir letztlich einfach dem Spiegel glauben, welche Dinge über Westerwelle in den Depeschen stehen. Die anderen "Medien-Partner" werden das kaum überprüft haben.
Wenn in den Daten zwei Depeschen vorhanden sind, die Westerwelle loben und eine, die Westerwelle schlecht macht, würde dann jemand die Hand dafür ins Feuer legen wollen, dass Der Spiegel nicht einfach die negative Depesche großartig öffentlich macht und die beiden anderen verschweigt?
Kann jemand garantieren, dass da nicht häufig stark aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen zitiert werden und andere Aussagen ganz verschwiegen werden?
Wenn Du die Veröffentlichungen der Depeschen alle für Klatsch hälst, dann vergiss aber nicht, dass dieser Klatsch nicht irgend eine Privatperson betrifft, sondern die Arbeit von Diplomaten, die für die Kommunikation zwischen unseren Staaten verantwortlich sind und indirekt unsere Geschicke leiten.
Gerade bei der Diplomatie ist es aber doch klar, dass es besser ist, wenn nicht alles offen ausgesprochen wird und jeder über alles informiert ist.
In einer idealen Welt funktioniert es vielleicht, wenn sich Verhandlungspartner vorher offen sagen, was sie wirklich voneinander halten und ehrlich ihre Ziele ansprechen und mit welchen minimalen Ergebnissen sie gerade noch zufrieden wären.
In unserer Welt könnte man bei so einem Vorgehen aber garantiert niemals Verträge abschließen und die beiden Parteien würden sich über Jahre verkrachen.
Deswegen ist es absolut kontraproduktiv, wenn jeder Klatsch veröffentlicht wird. Sonst können zum Beispiel Diplomaten niemals mehr Klartext mit ihren Chefs reden sondern müssen alles politisch unangreifbar ausdrücken und sich möglichst wenig konkret äußern.
Ob man so in den Außenministerien überhaupt noch sinnvoll arbeiten könnte?